leichtathletik.de-Analyse - Kugelstoßen Frauen
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Nadine Kleinert (SC Magdeburg) ist mit 19,89 Metern in der Jahresweltbestenliste auf Rang vier vertreten. „Mit Petra Lammert (SC Neubrandenburg), die 2008 verletzt ausfiel, wäre es sicher normal gewesen, dass noch eine zweite Athletin unter den ersten Acht gelandet wäre“, sagt Klaus Schneider, der DLV-Disziplintrainer für die Kugelstoßerinnen. „Diese Tendenz hatten wir den ganzen Olympiazyklus 2005 bis 2008 so, und das beweist, dass wir im internationalen Maßstab konkurrenzfähig sind. Wir können mit der Weltspitze mithalten.“
Für die Olympischen Spiele war die Ausgangsposition für Nadine Kleinert so, dass die drei Konkurrentinnen, die in der Weltbestenliste vor ihr lagen, recht weit entfernt waren. „Eine Medaillenerwartung wäre also kühn gewesen“, sagt Klaus Schneider, der auch ihr Heimtrainer ist. Aber Peking zeigte dann, dass Bestenlisten nicht alles sind. Nadzeya Ostapchuk wurde mit 19,86 Metern Dritte und Nadine Kleinert hätte diese Weite bei Normalform auch schaffen können. „Sie war zu diesem Zeitpunkt in der Lage, in den Bereich von 20 Metern zu stoßen. Doch am Tag der Entscheidung kam sie mit ihrer Technik nicht zurecht, und so sprang mit 19,01 Metern der siebte Rang für sie heraus, was sie selbst am meisten enttäuschte.“
Positiv erwähnt der DLV-Trainer, dass sich in den letzten Jahren die Altersstruktur gut entwickelt hat. Mit Petra Lammert (Jahrgang 1984), Christina Schwanitz (SV Neckarsulm, 1985) und Denise Hinrichs (TV Wattenscheid 01, 1987) sind drei junge Athletinnen nachgerückt, die eine Perspektive für die Zukunft und auch für den nächsten Olympiazyklus bieten. „Alle drei sind im Bereich über 19,00 Meter angekommen, was für mich immer noch ein Gradmesser für die internationale Leistungsfähigkeit ist.“ Das zeigt auch die Platzierung in der Weltbestenliste. Christina Schwanitz liegt mit 19,31 Metern auf Rang neun, Denise Hinrichs mit 19,07 auf Rang 13 und Petra Lammert mit 19,04 vor ihrer Verletzung auf Rang 14. Hinzu kam in diesem Jahr noch Josephine Terlecki (LG Ohra-Hörselgas), die sich auf 18,00 Meter verbesserte.
Die Bilanz 2008
„Das Jahr 2008 war für Nadine Kleinert von der Leistungsstabilität her ihr bestes Jahr“, sagt ihr Heimtrainer Klaus Schneider. „Sie hatte einen Zehnerdurchschnitt von über 19,50 Meter, so gut war sie noch nie. Bei allen Wettkämpfen wies sie ihre Leistungsfähigkeit nach. Die Trainingsleistungen waren sehr gut, sie war in fast allen Bereichen an ihren Lebensbestleistungen dran.“ Hinzu kam, dass sie, abgesehen von einem Bandabriss im Sprunggelenk, den sie sich im Januar im Training zuzog und der ihr die Teilnahme an der Hallen-WM kostete, gesund durch die Olympiavorbereitung gekommen war.
Nur der Finalwettkampf in Peking passte nicht in dieses positive Bild. „Sie kam an diesem Tag mit sich selbst nicht klar, konnte der hohen Erwartungshaltung nicht gerecht werden und dem Druck, den sie sich selbst auferlegt hatte, nicht standhalten“, schätzt ihr Trainer ein. „Solche Tage gibt es, und man hat auch keinen Schalter, den man in einem solchen Fall umlegen kann. Am Ende musste man unter diesen Umständen sogar mit der Weite von 19,01 Metern und dem siebten Platz zufrieden sein.“
Christina Schwanitz verbesserte sich in diesem Jahr auf 19,31 Meter. Schon in der Halle hatte sie ihre Potenzen angedeutet, als sie in Chemnitz 19,68 Meter stieß. Das war zwar eher ein positiver Ausrutscher, zeigte aber, wie weit es bei ihr gehen kann, wenn sie die Technik in den Griff bekommt. Bei der Hallen-WM in Valencia (Spanien) wurde sie mit 18,55 Metern Sechste.
Bei den Sommerspielen in Peking überstand sie die Qualifikation mit etwas Glück, erst im dritten Versuch sicherte sie sich mit 19,09 Metern das Weiterkommen. Doch diese Weite konnte sie dann im Endkampf nicht wiederholen, kam nur auf 18,27 Meter und schaffte nicht das Finale. Der elfte Platz ist aber trotzdem als Erfolg zu werten. Zwei Probleme hemmen gegenwärtig den Schützling von Trainer Hans-Peter Ogiolda. Einmal ist ihre Technik noch recht instabil. Zum anderen ist es für sie nicht einfach, die berufliche Ausbildung und das Training optimal zu koordinieren.
Denise Hinrichs hat mit 19,07 Metern eine positive Entwicklung genommen, war im Vorfeld der Qualifikationswettkämpfe recht stabil in ihren Leistungen. Doch dann bekam sie kurz vor der Abreise nach Peking eine schwere Erkältung, die ihr mächtig zusetzte. Im Ergebnis verfehlte sie in Peking mit 18,36 Metern den Einzug in den Endkampf. Allerdings fehlten ihr nur neun Zentimeter an der geforderten Qualifikationsweite von 18,45 Metern. 15 Athletinnen kamen weiter, sie landete auf dem 16. Platz. Sicher hätte sich der Schützling von Miroslaw Jasinski das anders vorgestellt. Allerdings spricht vor allem ihr Alter für sie: Denise Hinrichs ist Jahrgang 1987.
Petra Lammert verletzte sich im Mai bei einem unglücklichen Sturz im Training am Ellenbogen, und konnte deshalb nicht die von ihr erhoffte positive Rolle bei Olympia spielen. Josephine Terlecki, die seit eineinhalb Jahren bei Klaus Schneider in Magdeburg trainiert, hat eine gute Entwicklung genommen. Sie verbesserte sich von 16,63 Metern (2007) auf 18,00 Meter im Jahre 2008.
Gute Noten bekommt auch der Nachwuchs der Jahrgänge 1989 bis 1991 vom DLV-Trainer. Zwei Athletinnen waren bei der U20-WM in Polen dabei. Sophie Kleeberg (LV 90 Thum) wurde dort mit 16,06 Metern Fünfte, Lina Berends ( SC Magdeburg) mit 15,70 Metern Achte. Die Erwartungshaltung bei Sophie Kleeberg war sogar noch höher gewesen, sie hatte eine Medaille im Visier. Zur gleichen Altersgruppe zählen außerdem Samira Burkhardt (VfL Sindelfingen) mit der Jahresbestweite von 15,69 Metern und Mara Dörner (LAZ Leipzig) mit 15,59 Metern.
Die Chancen 2009
Vor der Hallen- beziehungsweise Freiluftsaison schwebt vor allem eine Frage über der Kugelstoßszene: Wofür entscheidet sich Nadine Kleinert? Bleibt sie beim Kugelstoßen oder wechselt sie zum Berufsboxsport? „Das wird sich in den nächsten zwei Wochen entscheiden“, erklärte ihr Trainer Klaus Schneider am 6. November. „An Spekulationen will ich mich nicht beteiligen. Beide Seiten sind an ihr interessiert. Für den DLV ist es im Hinblick auf die WM in Berlin eine mögliche Medaillenkandidatin, für den Magdeburger SES-Boxstall eine künftige Zugnummer.“ So muss bei einer Betrachtung der Chancen für 2009 dieses Thema erstmal ausgeblendet werden.
Bei der Hallen-EM in Turin (Italien, 6. bis 8. März) könnten drei Athletinnen starten. Erste Kandidatinnen dafür wären neben Nadine Kleinert Petra Lammert, Christina Schwanitz und Denise Hinrichs. Schwer wird es sicher für Josephine Terlecki, weil sie gerade eine vierwöchige Ausbildung bei der Bundeswehr absolviert und damit entsprechenden Trainingsausfall hat.
Das Hauptziel der Saison aber ist für alle die WM in Berlin. 18,35 Meter sind dafür als Qualifikationsnorm vom DLV gefordert, für die Spitzenathletinnen sicher kein Problem. Neben Nadine Kleinert, Petra Lammert, Christina Schwanitz und Denise Hinrichs könnte auch Josephine Terlecki in diesen Bereich hineinstoßen. „Auf alle Fälle ist es eine fordernde Konkurrenz, wobei unser Ziel natürlich ist, mit drei Kugelstoßerinnen in Berlin dabei zu sein“, sagt Klaus Schneider. Aber nicht nur dabei sein wollen sie. „Es wäre sicher etwas vermessen und das Optimum, wenn man sagen würde, dass dann alle drei ins Finale kommen müssten. Doch möglich ist das, wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr der achte Platz mit 19 Metern wegging.“
Abgesehen von der noch nicht geklärten Situation bei Nadine Kleinert setzt der Trainer vor allem auf Petra Lammert. „Deren frühere Leistungsfähigkeit spricht dafür, dass sie im Medaillenbereich mitspielen kann, wenn sie denn gesund ist. Das Maximum aber wäre wohl eine Bronzemedaille, denn an der Neuseeländerin Valerie Vili und den beiden Weißrussinnen Natalia Mikhnevich und Nadzeya Ostapchuk wird es kaum ein Vorbeikommen geben.“
Die Hoffnungsträgerinnen
Für die U23-EM in Kaunas (Litauen) ist die Olympiateilnehmerin Denise Hinrichs noch startberechtigt. „Damit haben wir ein heißes Eisen im Medaillenfeuer“, sagt der DLV-Trainer. „Terminlich ist für sie auch ein Doppelstart in Kaunas und bei der WM in Berlin möglich.“ Für die zwei Plätze bei der U20-EM in Novi Sad (Serbien) sind vier Kandidatinnen in der engeren Auswahl: Sophie Kleeberg, Lina Berends, Samira Burkhardt und Mara Dörner.
Von Sophie Kleeberg ist 2009 eine Leistung jenseits der 17 Meter zu erwarten. Damit liegt sie laut Statistik im Medaillenbereich. Der Heimtrainer Klaus Schneider versucht gegenwärtig, seinen Schützling Lina Berends auf die Drehstoßtechnik umzustellen. Ob das gelingt, wird sich bereits am 20. Dezember beim Weihnachts-Kugelstoßmeeting in Magdeburg herausstellen. An diesem Tag trifft sich der gesamte Frauenkader aller Altersklassen zur Bestandsaufnahme.
Sophie Kleeberg und Lina Berends sind die ersten Anwärterinnen auf die EM-Plätze, aber auch Mara Dörner und Samira Burkhardt sind nicht chancenlos. Für die U18-WM in Brixen (Italien) gibt es mit Lena Urbaniak (LG Filstal) und Laurine Normann (Schweriner SC) zwei potentielle Anwärterinnen. Beide haben bereits jenseits der 14,50 Meter gestoßen, und mit solch einer Weite kommt man meistens unter die ersten Acht. Und beide sind fähig, auch über 15,00 bzw. 15,50 Meter zu kommen. Insgesamt ist erkennbar, dass die Nachwuchsbasis der Kugelstoßerinnen gut ist, und man für die Zukunft keine Bange haben muss.
„In jedem Altersbereich haben wir eine besondere Hoffnungsträgerin“, sagt der DLV-Trainer Klaus Schneider. „Im Spitzenbereich würde ich zuerst Petra Lammert nennen, die von der Leistungsentwicklung her am weitesten fortgeschritten war, bis 2008 dieser Aufwärtstrend verletzungsbedingt unterbrochen wurde. Aber auch Christina Schwanitz und Denise Hinrichs muss man immer mit einberechnen. Für den Nachwuchsbereich sind für mich insbesondere Sophie Kleeberg und Lena Urbaniak die Hoffnungsträgerinnen. Aber neben diesen gibt es einen gut besetzten Kader mit leistungsstarken Athletinnen in jedem Altersbereich.“
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