leichtathletik.de-Analyse - Kugelstoßen Frauen
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Petra Lammert holte EM-Bronze (Foto: Möldner)
Wo stehen die DLV-Asse international?"Die deutschen Kugelstoßerinnen behaupten sich weiterhin in der Weltspitze", kann DLV-Disziplintrainer Klaus Schneider ein positives Fazit ziehen.
Schon in der Hallensaison bewies das Nadine Kleinert mit einer Weite von 19,64 Metern und der WM-Silbermedaille. Das war für die Magdeburgerin absolute Hallen-Bestleistung. Petra Lammert (SC Neubrandenburg) rundete das Ganze mit einem vierten Rang und einer Weite von 19,24 Metern ab. Und diese Erfolgsstory setzte sich auch im Sommer fort. Zuerst siegte Petra Lammert beim Europacup und war damit eine der wenigen deutschen Athletinnen, die in Malaga überzeugten. Anschließend holte sie bei den Europameisterschaften in Göteborg mit 19,17 Metern die Bronzemedaille, wobei sie mit der Weite noch unter ihren Möglichkeiten blieb. Nadine Kleinert konnte nicht ihr wahres Leistungsniveau zeigen und wurde mit 18,47 Metern enttäuschte Sechste. Kleines Schmankerl am Rande: Dreimal startete sie bisher bei Europameisterschaften und dreimal wurde sie Sechste.
In der Weltjahresbestenliste belegte Petra Lammert mit 19,64 Metern den fünften, Nadine Kleinert mit 19,15 Metern den siebten Platz.
Die Bilanz 2006
Als beste deutsche Kugelstoßerin dieses Jahres kristallisierte sich Petra Lammert heraus. Wie Phönix aus der Asche war sie 2005 mit ihrem Leistungsanstieg ins Licht der Öffentlichkeit getreten. Für den Schützling von Dieter Kollark war es 2006 nicht einfach, die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit zu erfüllen, denn man erwartete von ihr schon fast ein Edelmetall in Göteborg und einen Stoß an die 20 Meter heran. Unter diesem Aspekt zog sie sich mit dem dritten Platz gut aus der Affäre, auch wenn sie ihr Leistungsniveau nicht voll ausschöpfen konnte und mit der Weite von 19,17 Metern selbst unzufrieden war. Doch immerhin war es ihre erste Medaille bei einem internationalen Höhepunkt.
Nadine Kleinert (SC Magdeburg), die seit langem von Klaus Schneider trainiert wird, hatte einen guten Einstand in der Halle mit dem WM-Silber. Doch ab Mai behinderten sie Probleme an der Schulter, diese führten zu starken Einschränkungen im Krafttraining. Da war es schon zufriedenstellend, dass sie die Qualifikation in Göteborg mit 18,75 Metern reibungslos überstand. "Normalerweise hätte man dann im Finale von ihr eine 19er-Weite erwarten können, aber ihr fehlte die Sicherheit, eben der vorhergehenden Trainingsprobleme geschuldet", analysierte der Trainer. So sprangen nur ein sechster Platz und eine für sie geringe Weite von 18,47 Metern heraus.
Zwei Athletinnen waren in Göteborg aktiv, eine dritte, mit der der DLV-Trainer gerechnet hatte, nicht. Christina Schwanitz (SV Neckarsulm) fiel das ganze Jahr über wegen Fußoperationen aus. Die U23-EM-Zweite hatte schon bei der WM 2005 in Helsinki (Finnland) als Neunte auf sich aufmerksam gemacht, hat als Bestleistung aus 2005 18,84 Meter stehen. Ihre Entwicklung war bis dahin in etwa mit der von Petra Lammert zu vergleichen.
Auch bei Denise Hinrichs (SC Neubrandenburg) bestand ähnlich wie bei Petra Lammert eine hohe Erwartungshaltung, für den Start bei der Junioren-WM in Peking (China) schien Gold nicht unmöglich. Der Schützling von Gerald Bergmann hatte in der Halle mit 18,21 Metern eine hervorragende Bestweite gestoßen. Aber dann führten Verletzungen an Knie und Fuß zu starken Trainingseinschränkungen. So war zu erklären, dass sie im Sommer bei einer Bestweite von 17,56 Metern hängen blieb und wichtige Wettkämpfe wie etwa die DLV-Junioren-Gala in Mannheim nicht bestreiten konnte. Unter diesen Vorraussetzungen zog sie sich mit einer Weite von 17,32 Metern und der Silbermedaille in Peking noch recht achtbar aus der Affäre.
Isabell von Loga (SR Yburg Steinbach), von der Statur her eher zierlich, war nach Peking gereist, um das Finale zu erreichen. Möglich war das, doch sie scheiterte an ihren Nerven, schied in der Qualifikation aus. Erwähnenswert ist außerdem, dass sich im Jugendbereich Anna Stengl (Hallesche LAF /Jg. 91) gut entwickelte, mit einer 3-Kilogramm-Kugel immerhin 16,64 Meter stieß. Überhaupt durfte der DLV-Trainer gerade mit der Entwicklung der "jungen Jahrgänge" zufrieden sein, was sich auch im Hinblick auf die WM U18 im nächsten Jahr auszahlen könnte.
Vorschau 2007
Eine komplette Hallensaison wird es für die Spitzenathletinnen Petra Lammert und Nadine Kleinert nicht geben. Sie werden bei einigen Wettkämpfen antreten, aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht bei den Hallen-Europameisterschaften in Birmingham (Großbritannien). Bei Petra Lammert steht das Feilen an der Technik im Vordergrund, bei Nadine Kleinert vor allem das Auskurieren von gesundheitlichen Problemen und die Schaffung von noch besseren Grundlagen im athletischen Bereich. "Nadine hat über die Jahre immer Halle und Freiluft bestritten. Sie will das WM-Jahr und das Olympiajahr in Ruhe angehen", erklärt ihr Heimtrainer Klaus Schneider.
So läuft die Präsenz in Birmingham wohl auf Denise Hinrichs hinaus, wenn sie denn die geforderte Norm von 18 Metern schafft. Doch das sollte nicht das Problem sein, denn 18,21 Meter hat sie bereits 2006 in der Halle gestoßen.
Anders sieht ein Ausblick auf den Sommer 2007 aus. "Wenn alle gesund sind bzw. bleiben, werden sich mit Petra Lammert, Nadine Kleinert, Christina Schwanitz und Denise Hinrichs vier Athletinnen um die drei WM-Plätze streiten. "Das erhöht natürlich die Spannung und wird auch bessere Leistungen hervorbringen", meint der DLV-Trainer. "In Osaka streben wir dann wieder eine Medaille an. Die Medaillen werden zwischen 19,60 und 20,00 Meter verteilt werden, und da haben Petra Lammert und Nadine Kleinert eine Chance". Dabei lässt er nicht außer Acht, dass die internationale Konkurrenz stärker als in Göteborg sein wird.
"Aus Übersee sind die Neuseeländerin Valerie Vili und die Kubanerin Yumileidi Cumba besonders zu beachten. Und rechnen muss man weiterhin vor allem mit den Weißrussinnen."
Für die U23-EM kämen vor allem Christina Schwanitz, Denise Hinrichs und Josephine Terlecki (LG Ohra Hörselgas) in Betracht. Doch sowohl bei Denise Hinrichs als auch bei Christina Schwanitz besteht ja auch die Möglichkeit, sich für die WM in Osaka (Japan) zu qualifizieren. Dann muss neu entschieden werden, ob man einen Doppelstart angeht.
Für die U20-EM ist Isabell von Loga erste Anwärterin, doch neben ihr gibt es einige andere junge Athletinnen, die sich vielleicht qualifizieren könnten.
Spielt in vielen anderen Disziplinen die WM U18 noch nicht die Rolle, ist das bei den Kugelstoßerinnen anders. "Wir sind in dieser Altersklasse gut besetzt. Mit Anna Stengl, Sophie Kleeberg (LV Thum) und Samira Burkhardt (SC Ilsfeld) haben wir vier Athletinnen, die für die beiden Plätze in Frage kommen", erklärt Klaus Schneider. " Das ist eine starke Gruppe, und daraus könnte sich auch eine Medaillenkandidatin entwickeln."
Die Hoffnungsträgerinnen
Insgesamt ist bei den Kugelstoßerinnen ein ziemlicher Umbruch in der Altersstruktur zu konstatieren. Nach dem Abschied von Astrid Kumbernuss zählt nur noch Nadine Kleinert (Jg. 1975) zu den erfahrenen Athletinnen. Die altersmäßig Nächste folgt bereits mit der neun Jahre jüngeren Petra Lammert (1984), Christina Schwanitz (1985) und Denise Hinrichs (1987) sind noch jünger. "In den nächsten Jahren kann man auf alle Vier setzen, wenn sie denn gesund bleiben."
Die größte Hoffnungsträgerin ist nach derzeitigem Stand Petra Lammert. Aber in Richtung Olympische Spiele 2008 und sicherlich auch WM 2009 in Berlin muss man auch weiterhin mit einer Nadine Kleinert rechnen, die eine der erfolgreichsten deutschen Athletinnen der letzten Jahre war, wenn man ihre Medaillenerfolge nimmt. Beiden, sowohl Petra Lammert als auch Nadine Kleinert, sind künftig Weiten über zwanzig Meter zuzutrauen. "Insgesamt sind wir bestens aufgestellt, um die guten Traditionen der Kugelstoßerinnen fortzusetzen", lässt der DLV-Trainer seinem Optimismus freien Lauf.