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Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Aufgrund der Dominanz durch die afrikanischen Läufer gilt für die deutschen Läufer zunächst der kontinentale Vergleich als Maßstab.
Über 5.000 Meter findet man in Europa für dieses Jahr den Tübinger Arne Gabius (14.; 13:26,69 min) und Zelalem Martel von der LG Neckar/Enz (25.; 13:38,10 min) unter den ersten 25 Läufern. Immerhin zu den Top Ten gehört auf den 10.000 Metern der Europameister Jan Fitschen. Der Wattenscheider ist mit 28:02,25 Minuten Neunter, Zelalem Martel (28:34,24 min) hat sich auf Platz 23 eingereiht.
Die Momentaufnahme im Marathon, dessen Herbstsaison noch nicht abgeschlossen ist, weist den Spergauer Falk Cierpinski mit seiner zuletzt in Berlin gelaufenen neuen Bestzeit von 2:13:30 Stunden auf Platz 30 in Europa aus. Die Spitzenkräfte um den Schweizer Viktor Röthlin (2:07:23 h) laufen allerdings in einer anderen Liga.
Im weltweiten Vergleich sind alle deutschen Langstreckler von einem Bestenlistenplatz unter den ersten 50 weit entfernt. Aufgrund einer nicht zu dokumentierenden Endkampfchance gingen auch die Olympischen Spiele in Peking (China) ohne Beteiligung eines Ausdauerläufers in Schwarz-Rot-Gold über die Bühne.
Die Bilanz 2008
Von drei Olympia-Kandidaten, die DLV-Disziplintrainer Detlef Uhlemann mit Arne Gabius, Jan Fitschen und dem verletzten Chemnitzer André Pollmächer im Notizblock stehen hatte, schaffte es keiner nach Peking. „Wir haben bei denjenigen, bei denen wir eine Chance gesehen haben, bis zuletzt gekämpft“, stellt der Coach fest.
Das Laufjahr 2008 stand aber bei den Männern unter keinem guten Stern, die Mühen und Maßnahmen wie Höhentrainingslager wurden nicht belohnt. Die Bilanz muss unzufriedenstellend ausfallen, legt man die für Olympia geltenden Maßstäbe an: „Unser Ziel haben wir nicht erreicht.“
So konnten in den letzten Monaten nur kleine Fortschritte bemerkt werden, die man bei Arne Gabius, Jan Fitschen, Falk Cierpinski und auch anderen deutschen Langstrecklern an neuen persönlichen Bestzeiten auf ihren Paradestrecken festmachen kann.
Bei Arne Gabius wechselten sich in diesem Jahr Licht und Schatten ab, für die angepeilte Olympia-Teilnahme zeigte der Medizinstudent am Ende zu wenig. Bei der Hallen-WM in Valencia (Spanien) hatte er sich den Finaleinzug über 3.000 Meter erkämpft, in Nürnberg verteidigte er im Juli seinen nationalen Meistertitel über 5.000 Meter, allerdings mit einer schwachen Zeit von über 14 Minuten am Ende eines taktischen Rennes, die sogar Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf den Plan rief: „Das kann nicht richtig sein.“ In der Beobachtung von Detlef Uhlemann bleibt bei Arne Gabius nach einem verkorksten Einstieg in die Sommersaison ein Abschluss, der „okay“ war. „Von der Olympianorm war er aber ein Stück weit weg.“ Eine Steigerung auf unter 13:20 Minuten hält der DLV-Trainer für machbar.
Die trotz neuem Hausrekord über 10.000 Meter im Mai verpasste Olympianorm machte Europameister Jan Fitschen einen Strich durch die Saisonplanung. „Dabei war Jan fest von der Olympia-Quali überzeugt“, erinnert sich Detlef Uhlemann, der im nachhinein eine falsche Entscheidung eingesteht. „Es war ein Fehler, es dann noch einmal über 10.000 Meter zu versuchen. Es wäre besser gewesen, wenn wir bei Jan danach voll auf die 5.000 Meter gesetzt hätten, das habe auch ich falsch eingeschätzt“, merkt er an. Endgültig zur Abschreibung wurde der Olympiasommer für den Wattenscheider durch eine Verletzung. „Ich hoffe, er kann sie gut auskurieren“, sagt Detlef Uhlemann nun, „es ist wichtig, dass er im Winter verletzungsfrei ist.“
Früh im Jahr musste André Pollmächer seine Olympia-Hoffnungen begraben, wegen einer Verletzung, die er sich bereits im Dezember zugezogen hatte. Der wiedergenesene 25-Jährige wird sich nun im Marathon versuchen. „Das ist sicher okay. Wenn man im Marathon weiterkommen will, muss es so gehen“, sagt Detlef Uhlemann, „ich sehe André aber noch nicht ausschließlich auf der Straße. Er kann auch die 10.000-Meter-Norm für die WM angehen.“ Auf dieser Bahnstrecke war er bereits 2005 und 2007 der schnellste Deutsche. Spätestens seit seinem Europacupsieg im letzten Jahr sind seine Wettkampf-Qualitäten bekannt.
Solche entwickelt auf der Marathondistanz immer mehr Falk Cierpinski. Der Spergauer, der erst im Vorjahr vom Duathlon und Triathlon zur klassischen Laufstrecke gekommen ist, gilt für Detlef Uhlemann als „Aufsteiger des Jahres“. In der Szene mitunter belächelt, brachte der 30-Jährige nun in Berlin mit 2:13:30 Stunden die beste Marathonzeit eines Deutschen seit acht Jahren auf die Straße. „Er hat auch die WM-Norm von 2:13:00 Stunden drauf“, ist Detlef Uhlemann überzeugt, „er ist als Quereinsteiger sehr erfolgreich und hat sich ordentlich von Rennen zu Rennen gesteigert.“
Falk Cierpinski, der von seinem legendären Vater Waldemar betreut wird, konnte damit im krisengeschüttelten Marathonbereich für einen Hoffnungsschimmer sorgen. Als „nichts Überragendes, aber eine Aufwärtstendenz“ schätzt Detlef Uhlemann die Gesamtentwicklung ein. Seit 2005 haben sich die deutschen Jahresbestzeiten auf den 42,195 Kilometern Jahr für Jahr gesteigert. Nun steht erstmals wieder eine Zeit unter 2:15 Stunden zu Buche.
Dort liegt auch die Meßlatte für die anderen deutschen Marathonläufer. Der Wattenscheider Stefan Koch schnuppert bereits an diese Marke heran (2:15:38 h). Dies könnte auch Athleten wie die letztjährigen WM-Teilnehmer Martin Beckmann (LG Leinfelden-Echterdingen) und Uli Steidl (SSC Hanau/Rodenbach) sowie Mario Kröckert (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Alexander Lubina (TV Wattenscheid 01) motivieren.
Gespannt sein darf man auf die weitere Entwicklung des trotz seines noch eher jungen Alters (Jahrgang 1983) im Marathon bereits recht erfahrenen Tobias Sauter (TSV Eltingen), der seine Bestzeit inzwischen auf 2:18:24 Stunden steigern konnte.
Die Chancen 2009
Die Heim-WM in Berlin ruft und vor allem die Marathonläufer wollen diesem Ruf auf breiter Front folgen. „Die Mannschaft übt einen besonderen Reiz aus“, weiß Detlef Uhlemann, der auf diesem Weg bis zu fünf Langstreckler ins Straßenrennen schicken kann. Eine Durchschnittsleistung von 2:17:20 Stunden ist dafür im Vorfeld gefragt.
So scheint es durchaus realistisch zu sein, dass sich um Falk Cierpinski und Stefan Koch ein Quintett formiert, das dieses Heimspiel an der Spree in Angriff nehmen wird. „Wir müssen das angehen, mit der Zusatzmotivation Berlin muss das klappen“, gibt sich Detlef Uhlemann betont kämpferisch. So besteht für 2009 vor allem die Chance, die Talsohle im Marathon weiter zu durchschreiten. „Wir müssen aus dieser Delle raus. Die Ansätze sind da.“
Auf der Bahn stehen die Vorzeichen ähnlich wie im Olympiajahr, nur ein besseres Ende muss es für Arne Gabius, Jan Fitschen und André Pollmächer, der vielleicht sogar zwischen einem Bahn- und Marathonstart wählen könnte, sein, damit Detlef Uhlemann sein Ziel von fünf Marathon- und drei Bahnläufern bei der WM erreicht. Dann will der DLV-Disziplintrainer nach Plätzen unter den ersten 15 oder gar Zwölf streben.
Die Hoffnungsträger
Der 22-jährige Zelalem Martel ist derjenige, der sich das Attribut des Hoffnungsträgers verdient hat. „Er hatte ein wirklich sehr gutes Jahr“, stellt Detlef Uhlemann fest. Vor allem die neuen Bestzeiten über 5.000, 10.000 Meter und 10 Kilometer fallen auf. „Diese Zeiten konnte man nicht erwarten.“ Damit ist der Europacup-Vierte derjenige, der im Juniorenbereich deutlich herausragt. „Mit ihm drängt einer nach. Er hat schon am Thron gerüttelt“, bemerkt der DLV-Disziplintrainer.
Die weiteren Nachwuchsläufer aus den jüngeren Jahrgängen brauchen nach Ansicht von Detlef Uhlemann „noch Zeit“. Athleten wie Christian Stanger (LG Leinfelden-Echterdingen), Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg) und Rico Schwarz (ASV Erfurt) kamen in diesem Jahr über 5.000 Meter der 14-Minuten-Schallmauer nahe und müssen nun die nächsten Schritte machen. Dazu sollen auch anspruchsvolle Einsätze wie bei der Cross-EM ihren Beitrag leisten.
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