leichtathletik.de-Analyse – Hindernis
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.

Filmon Ghirmai hofft auf 2007 (Foto: Gantenberg)
MÄNNERWo stehen die DLV-Asse international?
"Der Tiefpunkt der Disziplin ist im Jahr 2006 erreicht", räumt ein hörbar niedergeschlagener DLV-Disziplintrainer Werner Klein ein. Bemerkbar macht sich das, wenn man die deutsche Jahresbestzeit vom Tübinger Filmon Ghirmai (8:33,76 min) mit den international erzielten Zeiten vergleicht. Die Afrikaner angeführt vom gebürtigen Kenianer Saif Saeed Shaheen (Katar), der zum vierten Mal in Folge die Weltjahresbestleistung (7:56,32 min) aufstellen konnte, sind den deutschen Hindernisspezialisten weit davongeeilt.
Aber auch in Europa findet man keinen DLV-Athleten unter den ersten 30 Athleten der Bestenliste. Die führt der Franzose Bouabdellah Tahri (8:09,53 min) zusammen mit den spanischen Spezialisten um José Luis Blanco an.
Die Bilanz 2006
Für die Europameisterschaft hat Werner Klein bei seinen Prognosen für 2006 auf mindestens zwei deutsche Starter gehofft. Herausgekommen ist keiner. "Dabei ist man mit berechtigten Hoffnungen in die Saison gestartet", sagt er. Denn mit dem Tübinger Filmon Ghirmai, Raphael Schäfer (LC Asics Rehlingen) und Stephan Hohl (TV Huchenfeld) gab es drei Hoffnungsträger für Göteborg.
Doch die drei Spitzenathleten mussten sich die ganze Saison mit Verletzungen und Infekten plagen. Stephan Hohl wird wahrscheinlich die 3.000 Meter Hindernis nächstes Jahr gar nicht mehr laufen und sich stattdessen auf die 5.000 und 10.000 Meter konzentrieren. Aber auch die "zweite Garde", wie die jungen Norbert Löwa (LG Nord Berlin) und Christian Klein (LC Asics Rehlingen), konnte verletzungsbedingt ihre Erwartungen nicht erfüllen.
Der "absolute Tiefpunkt waren die Deutschen Meisterschaften in Ulm", bei denen gerade einmal sieben Läufer am Start waren. Dort konnte einzig Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/Kieler TB), der sich den Titel in 8:42,06 Minuten vor Norbert Löwa (8:49,83 min) holte, einigermaßen überzeugen. Die "fehlende Konkurrenz" verhinderte bessere Zeiten.
"Ärgerlich", findet Werner Klein die Gesamtsituation, wenn man sich die Ergebnisse von Göteborg anschaut. Dort ging die Goldmedaille überraschend an den Finnen Jukka Keskisalo, der in einem langsamen Rennen die favorisierten Spanier und Frankreichs Hoffnung Bouabdellah Tahri düpieren konnte. Die Siegerzeit von 8:24,89 Minuten war eine Zeit, die ein Filmon Ghirmai in den Vorjahren ohne Probleme gelaufen ist.
Positives gibt es nur aus der Jugend zu berichten. Der Cottbuser Hannes Liebach, Deutscher Jugendmeister, hat den Sprung in den B-Kader geschafft, auch wenn es noch nicht für die Junioren-WM in Peking reichte.
Die Chancen 2007
"Wir wollen wieder europäisches Niveau erreichen." Das ist die Vorgabe, die der DLV-Disziplintrainer für das nächste Jahr ausgibt. Fernziel sind die Olympischen Spiele 2008 in Peking (China) und natürlich die Heim-WM 2009 in Berlin, wo man gerne vertreten wäre. Dazu müssen alle verletzungsfrei bleiben und neue Bestleistungen erzielt werden. Für die Weltmeisterschaft in Osaka (Japan) hofft Werner Klein, dass "Filmon Ghirmai ohne gesundheitliche Probleme und mit dem nötigen Ehrgeiz die Qualifikation anpeilen kann."
Daneben denkt er noch an den Deutschen Meister Steffen Uliczka, von dem man sich "einen deutlichen Leistungssprung" erhofft. Ebenso an einen Norbert Löwa und einen Christian Klein, die noch Potential für bessere Zeiten haben sollten. Gespannt darf man auch sein, wie ein Raphael Schäfer sich nächstes Jahr präsentiert.
Die Hoffnungsträger
Was Hoffnungsträger betrifft, äußert sich Werner Klein vorsichtig. Er freut sich darüber, dass Hannes Liebach den Sprung in den B-Kader geschafft hat. "Ihm muss man aber noch Zeit geben", betont er. Behutsam soll er für die U23-EM 2009 aufgebaut werden. Ein weiterer Kandidat für die Zukunft ist Felix Hentschel (LG Bamberg).
"In den B-Jugend-Jahrgängen sieht es momentan ein wenig besser aus, aber man kann natürlich nie wissen, was passiert. Hindernislauf ist nun einmal eine der verletzungsanfälligsten Disziplinen in der Leichtathletik", äußert sich der DLV-Disziplintrainer verhalten optimistisch über die Zukunft.
FRAUEN
Wo stehen die DLV-Asse international?
Dank der jungen Verena Dreier (LG Sieg) sieht es bei den Frauen ein wenig besser aus als bei den Männern. Auf Platz 37 der IAAF-Weltjahresbestenliste findet sich die 21-Jährige wieder. Auch in Europa hat sie, wie schon im Vorjahr, den Sprung unter die besten 30 Hindernisläuferinnen (Platz 23) geschafft. Mit ihren 9:48,90 Minuten ist sie rund 30 Sekunden von der Weltjahresbestzeit der Polin Wioletta Janowska (9:17,15 min) entfernt.
Mit Julia Hiller (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) hat sich auch bei den Juniorinnen eine deutsche Hindernisläuferin im internationalen Vergleich gut präsentiert. Bei der Junioren-WM in Peking lief sie mit persönlicher Bestzeit über die 3.000 Meter Hindernis auf einen sehr guten siebten Platz.
Die Bilanz 2006
Werner Klein spricht von einer "insgesamt guten Situation", wenn man ihn nach "seinen" Frauen befragt. Besonders Verena Dreier hat ihn mit "der tollen Bestzeit in Göteborg, die sie frühmorgens aufstellen konnte" beeindruckt. Auch wenn sie mit dieser Zeit knapp das EM-Finale verpasste. In Paris beim Ländervergleich "Decanation" bewies die Deutsche Meisterin mit ihrem zweiten Platz noch einmal, dass sie berechtigt zu den Hoffnungsträgerinnen gerechnet werden kann.
Mit den beiden 19-Jährigen, Julia Hiller und der Regensburgerin Susi Lutz, konnte der DLV gleich zwei Läuferinnen zur Junioren-WM nach Peking schicken. Susi Lutz, Bronzemedaillen-Gewinnerin bei der U20-Europameisterschaft im Vorjahr, musste gehandicapt durch mehrere Infekte und eine kleinere Verletzung auf ihren Start verzichten.
Die Chancen 2007
"Die junge Disziplin Hindernislauf ist bei den Frauen nach wie vor im Aufbau", erklärt Werner Klein. Dieser Aufbau soll nächstes Jahr konsequent fortgeführt werden. Bei den U23-Europameisterschaften im ungarischen Debrecen will er mit seinen drei Top-Athletinnen nach einer Medaille greifen. Die Weltmeisterschaften in Osaka (Japan) könnten für Verena Dreier im Bereich des Möglichen sein, "wenn alles klappt und sie verletzungsfrei bleibt."
"Ein Kämpfertyp, den man immer auf der Rechnung haben muss", ist die Erfurterin Melanie Schulz. Die 27-Jährige ist nach wie vor Inhaberin des deutschen Rekords (9:38,31 min) und kämpft sich im Moment wieder in die nationale Spitze zurück.
Die Hoffnungsträgerinnen
Die Hoffnungsträgerinnen für die Zukunft sind schon die Leistungsträgerinnen der Gegenwart. Mit Verena Dreier, Julia Hiller und Susi Lutz kann der DLV-Disziplintrainer optimistisch in Richtung Olympische Spiele 2008 und der Heim-WM 2009 in Berlin schauen. Mit Carolin Lang (LC Rothaus Breisgau) gibt es eine weitere junge Athletin, die gute Veranlagungen mitbringt.
Mit den beiden B-Jugendlichen Julia Börner (LAC Erdgas Chemnitz) und Sarah Cornelsen (TuS Metzingen) sind auch gute Perspektiven für die nächste Jahren gegeben.