leichtathletik.de-Analyse – Hochsprung Männer
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Eike Onnen sprang die EM-Norm zu spät (Foto: Krebs)
Wo stehen die DLV-Asse international?Bei der Europameisterschaften in Göteborg hatte der DLV keine Hochspringer am Start. Und das, obwohl die Qualifikationsnorm mit 2,28 Metern noch etwas niedriger war als zuvor bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen. Eike Onnen (LG Hannover) schaffte diese Norm zwar noch nachträglich bei einem kleineren Sportfest, aber eben zu spät. Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm sprang er mit 2,23 Meter deutlich an der Norm vorbei. Roman Fricke (TSV Bayer 04 Leverkusen), der bisher der Leistungsträger gewesen war, hatte in diesem Jahr nicht annähernd die Form der früheren Jahre.
Das Jahresziel, die erfolgreiche Teilnahme an der EM, wurde also verfehlt. "Das war natürlich eine Enttäuschung", meinte der bis 30. September 2006 als DLV-Disziplintrainer Hochsprung tätige Dr. Wolfgang Killing. "Es gab einige Gründe dafür. Einige Athleten, mit denen man rechnen konnte, waren verletzt, andere haben die Form nicht gefunden." Und es ist im Prinzip ein Rückschritt, denn "es ist schon ein Unterschied, wenn man wie Roman Fricke 2003 das WM-Finale in Paris erreicht und 2004 zu den Olympischen Spielen nach Sydney fährt, oder 2006 keinen Teilnehmer bei der EM hat."
Die 2,28 Meter von Eike Onnen bedeuten in der unbereinigten Weltbestenliste nur den 35. Rang. Die Weltspitze ist im Moment also weit weg.
Die Bilanz 2006
Eike Onnen (Jg. 82) hatte sich 2004 bei der DM den Fuß gebrochen. Das verheilte zwar sehr gut, doch so ganz ohne Einschränkungen konnte er danach nicht trainieren. Und das spielte auch im Vorfeld der Deutschen Meisterschaften von Ulm eine Rolle. Er gewann zwar mit 2,23 Metern höhengleich gegen Martin Günther (TV Wehr), aber eben nicht mit Normhöhe. "Das Potential ist bei ihm nach wie vor vorhanden, 2,30 Meter und mehr sind machbar", schätzt Wolfgang Killing ein.
Martin Günther (Jg. 86) steigerte sich in Ulm fast sensationell, nachdem er zuvor nur 2,16 Meter als Jahresbestleistung stehen hatte. Von der EM-Norm war er aber doch noch einiges entfernt. Raul Spank (Dresdner SC/Jg. 88) hatte unglaubliche Steigerungen aufzuweisen. "Er hat, wie man das von Spitzenathleten gewohnt ist, jedes Jahr einen Leistungssprung gemacht, jetzt schon im vierten Jahr. Und von 2,12 Meter im Jahr 2005 ging es auf nun 2,23 Metern in diesem Jahr."
Wolfgang Killing zollt Raul Spank volle Anerkennung. Dabei war dieses Jahr sehr schwer für den Dresdner, denn fast ein Dreivierteljahr war er verletzt, hatte einen Beinbruch und eine schwere Überdehnung der Bänder davongetragen. So konnte er von Oktober bis April überhaupt nicht hochspringen. Aber seine Klasse zeigte er, indem er den Rückstand schnell aufholte. In Peking (China) bei der Junioren-WM bestätigte er die DM-Höhe von 2,23 Metern nochmals und errang bei der einen respektablen fünften Rang. "Neben den Steigerungen ist bei dem 1,90-Meter-großen Athleten augenfällig, dass er immer wieder bei den Höhepunkten seine beste Leistung bringt", urteilt der DLV-Trainer.
Roman Fricke war das Sorgenkind der Trainer. Die dürftigen Ergebnisse und die geringe Jahresbesthöhe von 2,21 Metern sind ihm selbst nicht erklärlich. "Er hat die Form einfach nicht gefunden und manchmal gibt es da eben auch eine Negativspirale. Dabei war er im Winter in Otterberg noch 2,28 Meter gesprungen, hatte also dort seine Leistungspotenzen gezeigt."
Benjamin Lauckner (LAC Erdgas Chemnitz) wechselte vor eineinhalb Jahren von FC Erzgebirge Aue nach Chemnitz, trainiert dort beim erfahrenen Hans-Jürgen Grützner, und ist bei der Bundespolizei in der Sportkompanie. In Peking hat er nicht das halten können, was man sich von ihm versprach und schied mit 2,00 Metern in der Qualifikation aus. Mit Martin Buß (Barmer TV Wuppertal) hat ein Großer des Hochsprungs offiziell seine Karriere beendet. 2001 hatte er sich im kanadischen Edmonton den Weltmeistertitel mit der Höhe von 2,36 Meter geholt. Danach kam er wegen diverser Verletzungen - unter anderem musste er sich dreimal am Knie operieren lassen und erreichte nie mehr dieses Niveau.
Die letzten beiden Jahre trainierte er sehr fleißig, doch nie ohne Beschwerden. Er absolvierte 2006 einige Wettkämpfe. In der Halle schaffte er in Dresden mit 2,21 Meter die beste Höhe. Über das Frühjahr besserte sich sein körperlicher Zustand nicht, so dass er dann endgültig zurücktrat. "Er ist der Leistungsträger bis 2001 gewesen, hat aber aus Verletzungsgründen nicht mehr punkten können", sagt Wolfgang Killing bedauernd.
Ebenfalls mit Verletzungen hatten in letzter Zeit zwei andere Athleten zu tun, die schon über 2,20 Metern gesprungen sind: Matthias Haverney und Marius Hanniske. Matthias Haverney (SC Magdeburg) sprang noch bei der U23-EM in Erfurt im Jahr 2005, wurde dort mit 2,25 Metern Fünfter. In diesem Jahr plagte er sich mit Kniebeschwerden und musste im Juli operiert werden. So fiel er die ganze Saison aus.
Marius Hanniske (LG Nord Berlin) hatte 2004 bei der JWM in Grossetto (Italien) mit 2,21 Metern Silber gewonnen, sprang im gleichen Jahr auch schon 2,24 Meter. Doch dann begannen die gesundheitlichen Probleme. 2005 wurde er an der Bandscheibe operiert und erlitt später nochmals einen Bänderriss. Er musste also zwei komplette Jahre aussetzen.
Die Chancen 2007
Erster Kandidat für die Hallen-EM in Birmingham ist sicher Eike Onnen. Genau wie Roman Fricke sollte er in der Lage sein, die Qualifikationsnorm von 2,27 Meter zu schaffen. Aber auch die jüngeren Athleten sind nicht allzu weit von dieser Höhe entfernt. Schon die Teilnahme an der Hallen-EM wäre als ein Erfolg anzusehen.
Und das gilt auch in gleichem Maße für die WM in Osaka. Die Norm ist mit 2,30 Metern noch zwei Zentimeter höher als für die EM in Göteborg. "Doch Eike Onnen und Roman Fricke sind von ihrem Leistungsvermögen her dicht an dieser Höhe dran. Bei den Junioren muss man abwarten, wie sie sich entwickeln", meint Wolfgang Killing.
Für die EM-U23 haben Martin Günther und Benjamin Lauckner gute Chancen. Martin Günther ist gerade vom TV Wehr nach Frankfurt gewechselt. Früher musste er immer nach Zürich zum Training fahren, jetzt hat er kürzere Wege und wird von Günter Eisinger betreut. Aber auch Matthias Harveney und Marius Hanniske (beide Jg. 85) könnten sich qualifizieren, denn sie haben in früheren Jahren schon bessere Höhen angeboten, als die geforderte Norm von 2,20 Metern. Beide sind nach ihren Verletzungen wieder im Training.
Für die JEM ist Raul Spank eine feste Größe mit Medaillenchancen. Hinter ihm gibt es noch einige jüngere Springer, die aber bisher nur Höhen um 2,10 Metern angeboten haben und noch nicht stabil sind.
Ein Kandidat für die U18-WM ist der Cottbuser Oliver Bräutigam. Selbst 2,05 Meter groß, sprang er schon als Schüler 2,07 Meter, im Jahr 2006 2,08 Meter. Bleibt er gesund, könnte er sich bald an größere Höhen wagen.
Wie schon angesprochen, hat es in der Trainerschaft für das Jahr 2007 auch eine Änderung gegeben. Dr. Wolfgang Killing war viele Jahre lang DLV-Disziplintrainer für den Hochsprung und hatte dieses Amt bis 30. September 2006 inne. Dann wechselte er zur DLV-Trainerschule nach Mainz und ist nun der Leiter dieser Schule. Konkret ist er für die Aus- und Fortbildung der Trainerschaft verantwortlich, insbesondere für die DLV- Disziplintrainer. Seine Kollege Helmar Hommel ist für die A-Trainer-Ausbildung zuständig.
Brigitte Kurschilgen, die auch schon viele Jahre die hochspringenden Frauen betreut hat, wird nun neben den Frauen auch die Männer als Honorartrainerin nebenberuflich mitbetreuen. Der Übergang verlief reibungslos, weil beide, Wolfgang Killing und Brigitte Kurschilgen, auch schon vorher vieles gemeinsam betrieben haben, wie etwa Lehrgänge gestalten oder Wettkämpfe betreuen.
Die Hoffnungsträger
"Bei der vorherigen Betrachtung habe ich die Hoffnungsträger schon genannt, mit den länger verletzten Marius Haniske und Matthias Harveney, dazu Raul Spank und auch Martin Günther, der in diesem Jahr der beste Junior war", so bringt es Wolfgang Killing auf den Punkt.
Sicherlich sehen viele auf Raul Spank. Ähnliche Entwicklungssprünge gab es auch schon früher in der deutschen Hochsprunggeschichte. So sprang Dietmar Mögenburg mit 17 Jahren 2,23 Meter und mit 18 Jahren 2,32 Meter. Solche Sprünge sind möglich, aber nicht sicher. Und Wolfgang Killing tritt auch etwas auf die Euphoriebremse, wünscht sich, dass man den 18-Jährigen nicht schon jetzt in den Himmel hebt. Er ist ein Hoffnungsträger, ohne Zweifel. Nicht mehr und nicht weniger.