leichtathletik.de-Analyse – Langstrecke Frauen
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Ulrike Maisch konnte sich sensationell EM-Gold sichern (Foto: Kiefner)
Wo stehen die DLV-Asse international?2006 war ein Europameisterschafts-Jahr und dementsprechend muss die Wertung der Leistungsfähigkeit auch in erster Linie durch die europäische Lupe betrachtet werden. Erstmals hat im Marathonlauf mit Ulrike Maisch (1. LAV Rostock) eine deutsche Frau einen internationalen Höhepunkt gewonnen. Das ist umso bemerkenswerter, weil mit Katrin-Dörre Heinig und Uta Pippig Marathonläuferinnen der Weltspitze dieses nie gelang. Und neben Ulrike Maisch traten mit Luminita Zaituc (LG Braunschweig) und Claudia Dreher (Gänsefurter Sportbewegung) mindestens zwei weitere Athleten mit dem gleichen Leistungsniveau in Göteborg an, konnten aber das aus gesundheitlichen Gründen nicht ausschöpfen.
Am Ende stand der dritte Rang in der Mannschaftswertung. So gesehen gehören die deutschen Marathon-Frauen zur europäischen Spitze. Und DLV-Disziplintrainer Detlef Uhlemann untermauert diese Feststellung noch: "Der Marathon ist die Strecke, auf der man am ehesten überraschen kann. Nirgendwo fallen so viele Favoritinnen aus. Es geht also nicht nach irgendwelchen Bestzeiten, die vorher gelaufen wurden". Und das ist gleichzeitig ein Fingerzeig, dass die deutschen Frauen auch bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen nicht chancenlos sein müssen.
Auf der Bahn hatten Sabrina Mockenhaupt (Kölner Verein für Marathon) als Achte und Irina Mikitenko (TV Wattenscheid) als Neunte starke EM-Auftritte über 10.000 Meter und Sabrina Mockenhaupt errang danach noch einen ebenso beachtenswerten sechsten Rang über 5.000 Meter. Damit bewiesen beide, dass sie in Europa vorne mithalten können.
Die Bilanz 2006
DLV-Trainer Detlef Uhlmann, ansonsten recht wortgewandt, kann auch jetzt noch seine Zufriedenheit kaum in Worte fassen: "Wenn Jan Fitschen bei den Männern schon eine Sensation war, dann fehlen mir die Worte dafür, was Ulrike Maisch in Göteborg abgeliefert hat. Damit war überhaupt nicht zu rechnen, weil sie nach den Leistungen eigentlich erst als Nummer drei hinter Luminita Zaituc und Claudia Dreher an den Start gegangen ist. Es war ein Rennen unter Meisterschaftsbedingungen auf einer selektiven Strecke. Dann die Nerven behalten, als vorn die Post abging und mit persönlicher Bestzeit zu gewinnen, das war schon sensationell."
Luminita Zaituc ist schon immer eine Kämpferin gewesen, hat selten oder nie einen Lauf aufgegeben. In Göteborg quälte sie sich lange mit Magenproblemen, musste aber dann aussteigen. Schon in Düsseldorf hatte sie ein unglückliches Rennen, musste mehrmals gehen, kämpfte sich auch dort durch. Aber wie gut sie ist, bewies sie am 8. Oktober mit dem Erfolg in Köln nach 2:28:24 Stunden, womit sie bereits die Norm für Osaka erfüllte.
Auch Claudia Dreher hatte in Göteborg ab Kilometer zehn Magenprobleme, kämpfte sich aber für die Mannschaft durch. "Unser Ziel war von vornherein, im Mannschaftswettbewerb möglichst eine Medaille zu holen", meint Detlef Uhlemann. Und das gelang auch deshalb, weil sich Susanne Hahn (geb. Ritter/SV schlau.com Saar 05 Saarbrücken) wacker schlug. Sie hat, nachdem sie zuvor vor allem im Cross erfolgreich war, nun mit dem Marathon ihre Strecke gefunden. In Rotterdam lief sie am 9. April 2:32:34 Stunden, in Göteborg wurde sie nach 2:36:17 Stunden 14. und sicherte die Bronzemedaille für die Mannschaft ab.
Bei den Frauen kann der DLV-Trainer fast aus dem Vollen schöpfen, denn hinter den drei Göteborg-Teilnehmerinnen liegen mit Romy Spitzmüller (LAZ Leipzig), Melanie Kraus (TSV Bayer 04 Leverkusen) und vielleicht auch Sonja Oberem (TSV Bayer 04 Leverkusen) weitere Frauen auf der Lauer. Romy Spitzmüller und Melanie Kraus gelang in diesem Jahr noch nicht der Durchbruch, sie scheiterten knapp an der Norm. Sonja Oberem missglückte das Comeback in Berlin, doch mit solch einem Negativerlebnis wird sie wohl nicht endgültig aufhören.
Auf der Bahn ist Sabrina Mockenhaupt nicht mehr Einzelkämpferin, weil Irina Mikitenko nach ihrem Babyjahr erfolgreich zurückgekommen ist. Das 10.000-Meter-Rennen in Göteborg war sehr leistungsstark, denn sieben Athletinnen blieben unter 31 Minuten. So eine Zeit konnten die beiden zu diesem Zeitpunkt nicht laufen. Sabrina Mockenhaupt hatte im Winter wegen eines Ermüdungsbruches am Oberschenkel drei Monate Trainingsausfall, war trotzdem nicht weit von ihren Bestzeiten entfernt. Irina Mikitenko erreichte nach ihrer Wettkampfpause zwar noch nicht wieder ihr altes Leistungsvermögen, lief aber in Göteborg mit 31:44,82 Minuten Jahresbestzeit. Beide holten unter diesen Umständen mit Platz 8 und 9 das Optimum heraus.
Die Chancen 2007
"Unser Ziel ist es, für die WM in Osaka im Marathon eine Mannschaft an den Start zu bringen", schaut der DLV-Trainer voraus. Die Kandidatinnen dafür sind die gleichen wie in diesem Jahr: Ulrike Maisch, Luminita Zaituc, Claudia Dreher, Susanne Hahn, Melanie Kraus, Romy Spitzmüller und Sonja Oberem. Wie für die Männer wird es auch für die Frauen eine moderate Mannschaftsnorm geben, während die Einzelnorm wahrscheinlich bei 2:32 Stunden liegen dürfte.
"In Osaka müssen wir dann wieder das Überraschungsmoment auf unsere Seite bringen. Die Bedingungen werden sehr schwer sein, aber das ist unsere Chance. Der Start wird schon früh 7 Uhr sein, und das deshalb, weil es dann sehr warm und schwül sein wird. Es werden keine schnellen Zeiten gelaufen werden können, aber das bringt eben auch mit sich, dass höher dotierte Athletinnen sich übernehmen werden. In der Einzelwertung wäre schon ein einstelliges Ergebnis, also ein Platz unter den besten zehn, ein Hammer-Ergebnis. In der Mannschaftswertung wäre ein Platz unter den besten sechs ein sehr gutes Resultat."
Ist das Angebot für den Marathon groß, ist die Auswahl für die Bahnwettbewerbe überschaubar. Hier bieten sich erneut die beiden Spitzenathletinnen Sabrina Mockenhaupt und Irina Mikitenko an. "Wahrscheinlich werden sie die 10.000 Meter bestreiten." In Osaka wird dann bei Schwüle abends gelaufen, und Bestzeiten werden nicht möglich sein. Eine Prognose fällt dem Trainer schwer. "Vielleicht muss man dann auch den europäischen Maßstab sehen, sich also weiter vorn platzieren, als es in diesem Jahr in Göteborg bei den Europameisterschaften der Fall war."
Hinter den beiden Spitzenläuferinnen klafft jedoch eine große Lücke. Allerdings bieten sich zumindest für die U23-EM mit Eva-Maria Stöwer (LAC Veltins Hochsauerland), die bei der gleichen Meisterschaft in Erfurt 2005 schon Dritte war, und Julia Viellehner (TSV Wienhöring), die sich in diesem Jahr deutlich verbessert hat, zwei hoffnungsvolle Athletinnen an.
Die Hoffnungsträgerinnen
"Auf der Langstrecke braucht man sicher mehr Geduld als in vielen anderen Disziplinen", gibt Detlef Uhlemann eine reale Einschätzung. Die meisten Chancen für die jüngeren Läuferinnen billigt er im Moment den schon genannten Eva-Maria Stöwer und Julia Viellehner (beide Jg. 85) zu. "Sie tendieren ganz eindeutig über den Halbmarathon irgendwann zum Marathon. Doch das ist sehr langfristig angelegt."
Von ganz unten kommen weitere jüngere Läuferinnen, aber deren Entwicklung kann der Trainer nicht voraussehen, räumt aber ein, dass es nicht unmöglich ist, auch mal in ein, zwei Jahren größere Fortschritte zu machen.