leichtathletik.de-Analyse - Siebenkampf
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Bei den Olympischen Spielen in Peking konnten die drei deutschen Siebenkämpferinnen nicht immer an ihre starken Ergebnisse der Qualifikation in Ratingen anknüpfen. Lilli Schwarzkopf (LC Paderborn) und Jennifer Oeser (TSV Bayer 04 Leverkusen) belegten mit 6.379 beziehungsweise 6.360 Punkten die Plätze acht und elf. Sonja Kesselschläger (SC Neubrandenburg/6140 Punkte) wurde bei ihrer zweiten Olympiateilnahme 16.
Die Paderbornerin Lilli Schwarzkopf verteidigte 2008 nicht nur ihre deutsche Vormachtstellung im Siebenkampf, sondern sicherte sich auch in der Weltjahresbestenliste mit Rang sechs - wie schon im Vorjahr - einen Platz unter den zehn weltbesten Mehrkämpferinnen. Jennifer Oeser verlor als Elfte im Vergleich zu 2007 ein paar Plätze. Mit Sonja Kesselschläger und Julia Mächtig (SC Neubrandenburg) rangieren zwei weitere Deutsche unter den besten 25 Athletinnen.
Die Bilanz 2008
Obwohl die frühere Regensburgerin Karin Ertl 2007 ihre Karriere beendete und Claudia Tonn (LC Paderborn) sich nach einer Verletzung auf den Weitsprung konzentrierte, übertrafen sechs deutsche Athletinnen die 6.000-Punkte-Grenze.
„Unsere besten Athletinnen haben sich in ihren Leistungen stabilisiert, da gibt es keine großen Schwächen mehr“, freut sich Disziplintrainer Klaus Baarck, obwohl das Ziel für die Olympischen Spiele nicht ganz erreicht werden konnte. Zwei Athletinnen sollten sich in Peking unter den Top Ten platzieren, bei optimalem Wettkampfverlauf hatte man sogar mit einer Medaille geliebäugelt. „Uns war klar, dass es gerade im Olympiajahr nicht einfach werden würde. Trotzdem war die Zielstellung realistisch, das haben die sehr guten Ergebnisse in Ratingen gezeigt“, blickt Klaus Baarck auf die Saison zurück.
Beim deutschen Hauptqualifikationswettkampf hatten die drei Olympiastarterinnen mit starken Leistungen für einen spannenden Wettkampf gesorgt. Besonders Lilli Schwarzkopf überzeugte als Siegerin mit einer neuen persönlichen Bestleistung von 6.536 Punkten. „Die 6.500 Punkte sollten in diesem Jahr fallen, denn mit einer solchen Punktzahl ist man auch bei internationalen Höhepunkten weit vorn dabei.“
Im Olympiajahr steigerten sich international jedoch viele Siebenkämpferinnen - 21 Athletinnen erreichten im Pekinger Vogelnest mehr als 6.000 Punkte. „Das internationale Niveau ist im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gestiegen, deshalb hätte schon alles passen müssen, um das vorgegebene Ziel zu erreichen“, erklärt Klaus Baarck.
Möglicherweise hat sich die positive Entwicklung des deutschen Siebenkampfes gerade in diesem Jahr negativ auf den Saisonhöhepunkt ausgewirkt: Nach den Ergebnissen von Götzis war klar, dass es in Ratingen einen ganz engen Kampf um die drei Olympiatickets geben würde. Lilli Schwarzkopf hatte nach ihrem siebten Platz (6.316 Punkte) im österreichischen Mehrkampf-Mekka die besten Karten und wurde ihrer Favoritenrolle gerecht. Doch hinter der WM-Fünften rechneten sich drei weitere Athletinnen Chancen aus. Aufgrund des starken nationalen Niveaus „mussten in Ratingen schon die Bestleistungen fallen, um die Reise nach Peking antreten zu können“, sagt Klaus Baarck.
Besonders um den dritten Startplatz wurde es extrem spannend. Ausgerechnet die beiden Neubrandenburger Trainingskolleginnen Sonja Kesselschläger und Julia Mächtig lieferten sich bis zur letzten Disziplin einen packenden Kampf. Am Ende hatte Julia Mächtig trotz neuer Bestleistung (6.289 Punkte) wie schon 2007 knapp das Nachsehen.
Trotz der starken Konkurrenz gibt es in der Neubrandenburger Trainingsgruppe, zu der auch die in diesem Jahr verletzte 6.000-Punkte-Mehrkämpferin Maren Schwerdtner und die U20-WM-Fünfte Elisa-Sophie Döbel gehören, keine Feindschaften: „Im Gegenteil, die Mädchen spornen sich gegenseitig an und jede lernt von jeder“, beschreibt Klaus Baarck, der die Gruppe als Heimtrainer betreut, die Situation.
Ebenso wie die Neubrandenburgerinnen haben auch die beiden derzeit stärksten deutschen Siebenkämpferinnen Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser ihr „perfektes“ Trainingsumfeld gefunden. Die Paderbornerin Lilli Schwarzkopf wird von ihrem Vater betreut und feilt in einer kleinen Trainingsgruppe unter anderem mit Zehnkämpfer Arthur Kleiber und in Zukunft auch mit Jacob Minah an ihrer Form.
Jennifer Oeser trainiert in Leverkusen unter anderem zusammen mit der wieder erstarkten Christine Schulz, die in diesem Jahr in Götzis zum zweiten Mal in ihrer Karriere die 6.000-Punkte-Grenze übertraf.
In den letzten beiden Jahren konnten gerade Lilli Schwarzkopf und Jennifer Oeser beim internationalen Saisonhöhepunkt immer noch ein paar Punkte zulegen. „Das ist in diesem Jahr leider nicht gelungen, obwohl die Mädels gut vorbereitet und motiviert waren“, sagt Klaus Baarck. Einen konkreten Grund konnte der Disziplintrainer nicht ausmachen: „Es kamen einfach einige Kleinigkeiten zusammen - der nervenaufreibende Wettkampf in Ratingen, die neuen Eindrücke im Olympischen Dorf, der Auftritt vor 90.000 Zuschauern im Stadion, vielleicht auch der lange Flug vom Trainingslager nach Peking.“
Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass die Mehrkampf-Meetings in Götzis oder in Ratingen den Athleten durch die Nähe der Zuschauer und einen optimal gestalteten Zeitplan ein auf Bestleistungen zugeschnittenes Umfeld bieten.
Klaus Baarck weiß, dass sich der eine oder andere Athlet „bei Hunderten Fans, die zum Teil unmittelbar an der Anlage stehen, auch in einen Rausch springen kann“. Das ist in diesem Jahr zum Beispiel Sonja Kesselschläger in Ratingen mit 1,85 Metern im Hochsprung gelungen. „In Peking waren zwar 90.000 Zuschauer auf den Tribünen, aber die Stimmung ist in so einem großen Stadion eine ganz andere“, findet Klaus Baarck einen weiteren Erklärungsansatz für den Leistungsunterschied seiner Top-Athletinnen zwischen beiden Wettkämpfen. Trotzdem ist er zufrieden mit dem Auftreten der drei Siebenkämpferinnen: „Es fehlte nur die eine oder andere Top-Leistung, die den Wettkampf dann auch ganz schnell in andere Bahnen lenken kann.“
Neben den Olympischen Spielen waren die U20-Weltmeisterschaften in Bydgoszcz (Polen) der zweite internationale Saisonhöhepunkt. Die beiden deutschen Starterinnen Carolin Schäfer (TV Friedrichstein) und Elisa-Sophie Döbel (SC Neubrandenburg) konnten schon im letzten Jahr mit Silber und Bronze bei der U18-WM international auf sich aufmerksam machen, doch in diesem Jahr sorgte Carolin Schäfer mit dem Gewinn der Goldmedaille für den absoluten Glanzpunkt. Die 17-jährige, die unter der Anleitung von Jörg Graf in Frankfurt trainiert, stellte fünf neue Bestleistungen auf, sammelte 5.833 Punkte und gewann damit den Weltmeistertitel.
Die zweite deutsche Teilnehmerin, Elisa-Sophie Döbel (SC Neubrandenburg), verbesserte mit 5.536 Punkten ebenfalls ihre persönliche Bestleistung und belegte einen guten fünften Rang.
Einen weiteren Erfolg feierte das Thorpe Cup-Team in Manhattan/Kansas (USA). Die fünfköpfige Mannschaft verteidigte auf amerikanischem Boden erfolgreich den Siegerpokal aus dem letzten Jahr.
Die Chancen 2009
Das große Highlight des nächsten Jahres ist die Weltmeisterschaft in Berlin. „Das wird unsere Athletinnen ganz besonders motivieren. Ich hoffe, dass wir bis zur WM noch einmal einen Leistungsschub bekommen werden“, blickt Klaus Baarck optimistisch in die nächste Saison.
Die drei Olympia-Teilnehmerinnen wollen auch 2009 wieder für Deutschland an den Start gehen. Nachdem sich die Paderbornerin Claudia Tonn auf den Weitsprung konzentriert und die Berlinerin Katja Keller ihre Karriere beendet hat, gibt es zudem noch vier weitere Athletinnen, die um die Tickets kämpfen können. Laut Klaus Baarck haben die sechs Erstplatzierten der deutschen Bestenliste die Möglichkeiten, die Norm von 6.100 Punkten zu schaffen. Hinzu kommt Maren Schwerdtner, die nach ihrer Verletzung wieder mit dem Training begonnen hat und versuchen will, an ihre Vorleistungen anzuknüpfen.
Aufgrund der starken nationalen Konkurrenz glaubt der DLV-Coach, dass „eine Leistung über 6.300 Punkten notwendig sein wird, um sich für Berlin zu qualifizieren.“ Unabhängig davon, wer letztendlich in Berlin dabei sein wird, das Ziel steht für Klaus Baarck schon jetzt fest: „Möglichst eine Medaille und drei Platzierungen unter den Top Ten“ soll es für die deutschen Siebenkämpferinnen geben. Der Disziplintrainer setzt dabei auch auf den Heimvorteil. „In Berlin kommt es darauf an, die Begeisterung der Zuschauer in Spitzenleistungen umzuwandeln.“
Die Hoffnungsträgerinnen
2009 stehen drei internationale Nachwuchsmeisterschaften auf dem Wettkampfplan. „Wir sind, wenn die Athletinnen gesund bleiben, in allen Altersklassen gut besetzt“, sagt der Trainer. Für die U23-Europameisterschaften rechnet er mit der Hallenserin Ulrike Hartz sowie mit Diana Rach und Romy Gürbig, die seit September in einer Gruppe unter Anleitung von Michael Höhne in Jena trainieren. Beide hatten 2008 nach guten Leistungen jedoch zuletzt verletzungsbedingt auf Wettkämpfe verzichten müssen.
Nach ihrem Weltmeistertitel in Polen ist Carolin Schäfer die erste Kandidatin für die Qualifikation zur U20-Europameisterschaft in Novi Sad (Serbien). Wie schon in den letzten beiden Jahren könnte sie dabei von der Neubrandenburgerin Elisa-Sophie Döbel begleitet werden.
Auch in der Altersklasse U18 stehen mehrere Athletinnen auf der Liste der Nachwuchstrainerin Eva Rapp. „Um unseren Nachwuchs muss uns derzeit nicht bange sein“, weiß Klaus Baarck, bestätigt aber auch, dass „wir im Schülerbereich viel arbeiten müssen“, damit dies auch in Zukunft so bleibt. „Wir werden die Sichtungsmaßnahmen ausweiten und langfristig versuchen, einige Mehrkampfzentren in Deutschland aufzubauen, um die Talente schon frühzeitig besser zu sichern.“
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