leichtathletik.de-Analyse - Speerwurf Frauen
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Der Speerwurf der Frauen war 2008 die stärkste Disziplin im DLV. Diese Feststellung wird vor allem durch das Auftreten bei den Olympischen Spielen in Peking untermauert, wo Christina Obergföll (LG Offenburg) mit 66,12 Metern als Dritte die einzige Medaille für die deutschen Leichtathleten überhaupt holte, wo Steffi Nerius (TSV Bayer 04 Leverkusen) mit 65,29 Metern Fünfte und Katharina Molitor (TSV Bayer 04 Leverkusen) mit 59,64 Metern Achte wurde.
Die Position mitten in der Weltspitze wird auch durch die Plätze in der Weltjahresbestenliste dokumentiert, in der sich hinter Olympiasiegerin Barbora Spotakova (Tschechische Republik) und der Zweiten Mariya Abakumova (Russland) Christina Obergföll auf Platz drei, Steffi Nerius auf Vier und Linda Stahl (TSV Bayer 04 Leverkusen) auf Fünf einrangierten.
„Wir hatten mit Katharina Molitor noch eine weitere starke Werferin in Peking dabei, so dass wir mit dem Ergebnis dieses Jahres insgesamt zufrieden sein können. All das unterstreicht, dass wir die Weltspitze mitbestimmen“, zieht DLV-Disziplintrainerin Maria Ritschel das Fazit.
Die Bilanz 2008
„Christina Obergföll warf 2008 auf einem hohen Niveau, hatte allerdings einige technische Probleme, die am Ende mit den Ausschlag dafür gaben, dass sie nicht ganz ihre Zielstellung erfüllen konnte, die sie sich selbst gesetzt hatte. Vielleicht hat auch die Aufregung, die bei Olympia normal ist, die technischen Probleme noch verstärkt hat“, so fasst Maria Ritschel das Auftreten der besten deutschen Speerwerferin zusammen.
Allerdings will sie daraus keineswegs Kritik heraushören lassen, denn „mit dem Gewinn der olympischen Bronzemedaille sind wir nicht unzufrieden. Man muss sehen, dass sie in Peking, um Silber zu gewinnen, immerhin hätte Europarekord werfen müssen. Das aber kann man nicht auf Ansage und dazu muss man dann auch ein wenig Glück haben.“
Was aber frappierend in dieser Saison war, ist die absolute Nervenstärke der Offenburgerin. Bei drei besonders spektakulären Wettkämpfen sicherte sie sich jeweils im sechsten Versuch den Sieg, nämlich bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg mit 62,18 Metern gegen Steffi Nerius (61,91 m), beim Meeting in Leverkusen mit 66,92 Metern gegen Linda Stahl (66,06 m) und beim Wettkampf in Elstal mit 69,81 Metern gegen Steffi Nerius (68,34 m).
„Die Nervenstärke ist beeindruckend“, lobt Maria Ritschel. „Christina ist unheimlich willensstark und kann das im entscheidenden Moment auch in die Waagschale werfen. Auf Grund ihrer hohen Potenzen sowohl in der Wurfkraft als auch in der Athletik ist sie stets in der Lage zu kontern.“ Im Resultat kamen dann solche Duelle heraus, die in ihrer Brisanz viel für die Popularität der deutschen Speerwerferinnen getan haben.
Mit dazu beigetragen hat Steffi Nerius. Sie hatte am Anfang der Saison zwar einige gesundheitliche Probleme, bekam die aber dann ganz gut in den Griff. Sehr schnell warf sie dann die notwendigen Weiten, um sich für Olympia zu qualifizieren. „Zu Olympia bot sie eine sehr solide Leistung im Bereich ihrer Bestleistung“, schätzt Maria Ritschel ein. „Mit den 68,34 Metern von Elstal hat sie einen Wurf erwischt, wo sie mal den Speer richtig traf. Darauf hat sie in ihrer Karriere sehr lange gewartet. Ich denke, sie gehört mit zu den weltbesten Speerwerferinnen, die es gibt.“ Steffi Nerius verbesserte damit ihre persönliche Bestweite von 66,52 Metern, die aus dem Jahre 2005 stammte, beträchtlich.
„Mit Linda Stahl hatten wir eigentlich von Anfang an in diesem Jahr gerechnet“, zeigt sich die DLV-Trainerin wenig überrascht vom weiteren Aufschwung der 22 Jahre alten WM-Achten. „Ich hatte auch damit gerechnet, dass sie in der Lage ist, die Olympianorm von 60,50 Metern locker zu werfen. Das ist dann nicht geglückt. Am Anfang des Jahres gab es verletzungsbedingt einige Trainingsausfälle. Dann fehlte etwas Routine und dann kam Nervosität hinzu. Im Abstand von zwei Zentimetern schlich sie um die Norm herum, hat es nicht gepackt. Als der Druck dann weg war, das heißt die Nominierung zu ihren Ungunsten und für Katharina Molitor getroffen war, hat sie frei von der Leber weg die 66,06 Meter geworfen. Es war für Linda sehr traurig, aber sie hat das sportlich fair hingenommen. Katharina Molitor hat sich hundertprozentig qualifiziert, das heißt sie hat zweimal in Normwettkämpfen die Norm überboten.“
Soweit die Nachbetrachtung der Trainerin zu einem Thema, dass kurz vor den Olympischen Spielen einigen Staub aufwirbelte, aber letztendlich strikt nach den Nominierungsrichtlinien entschieden wurde.
Katharina Molitor hat eine sehr gute Entwicklung in diesem Jahr genommen, gleich im ersten Wettkampf erstmals die Olympianorm geworfen, und im dritten Wettkampf nochmals die Norm geschafft, und sich damit qualifiziert. In Peking warf sie im Bereich ihrer persönlichen Bestleistung und hat mit dem achten Rang ein für sie optimales Ergebnis erzielt.
Annika Suthe (TSV Bayer 04 Leverkusen) wurde vor über einem Jahr an der Schulter operiert, musste danach lange pausieren. Sie ist aber nun wieder im Trainingsprozess und beginnt auch wieder mit dem Wurftraining.
Ebenfalls eine Schulteroperation hat Vivian Zimmer (Hallesche Leichtathletik-Freunde) im vorigen Jahr im Mai gehabt. Sie wird nach der Aussage ihrer Heimtrainerin Maria Ritschel noch bis mindestens Mai 2009 mit dem Werfen aussetzen.
Einzige Teilnehmerin bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen) war mit Sarah Nöh eine weitere Leverkusenerin. Aber der Auftritt dort wurde für sie eine Enttäuschung. Mit 53,58 Metern angereist, kam sie in der Qualifikation nur auf 45,73 Meter und schied damit aus. Sie war einfach dem nervlichen Stress einer WM noch nicht gewachsen.
Betonen muss man übrigens, dass alle bisher genannten Speerwerferinnen aus Leverkusen von Helge Zöllkau trainiert werden, also Steffi Nerius, Katharina Molitor, Linda Stahl, Annika Suthe und Sarah Nöh.
Die Chancen 2009
Im Rennen um die drei Tickets für die WM in Berlin werden vor allem Christina Obergföll, Steffi Nerius, Katharina Molitor und Linda Stahl um die Quali-Norm von 61,00 Metern und wahrscheinlich weit darüber hinaus kämpfen.
Abzuwarten bleibt, wie sich Mareike Rittweg (LV 90 Thum) wieder einordnet, die 2008 wegen einer Schulteroperation pausieren musste. Gleiches gilt auch für Annika Suthe.
Zu erwarten ist jedenfalls zumindest ein harter Vierkampf. „Die Kämpfe werden auch 2009 nicht an Brisanz verlieren“, schaut Maria Ritschel voraus. „Wahrscheinlich wird es zum Showdown bei den Deutschen Meisterschaften kommen.“
Im Blick auf das Auftreten bei den Weltmeisterschaften meint die Trainerin: „Ich denke, dass die Erwartungen an unsere Disziplin sehr hoch sein werden, schon resultierend aus den Ergebnissen der letzten Jahre. Wir sind uns alle dieser Verantwortung bewusst und ich hoffe, dass es uns gelingt, hier im eigenen Land und im heimischen Stadion, was dann sicherlich gefüllt ist, einen herausragenden Wettkampf zu bieten.“
Allerdings dämpft sie zu hohe Medaillenerwartungen: „Barbora Spotakova wirft gegenwärtig auf einem solchen Niveau, dass wir noch viel arbeiten müssen, um heranzukommen. Ich sehe sie als deutliche Favoritin für die WM an. Wir werden sie da vorn nicht ruhig thronen lassen, aber sie hat im Moment ein anderes, höheres Niveau als unsere Athletinnen.“
Für die U23-EM in Kaunas (Litauen) nennt Maria Ritschel drei Kandidatinnen: Sandra Schaffarzik (ESV-Nürnberg Rbf), Sarah Nöh und Isabelle Janz (LG Offenburg). „Bei einer normalen Entwicklung im nächsten Jahr kann Sandra Schaffarzik dann auch um Medaillen mitkämpfen.“
Für die U20-EM in Novi Sad (Serbien) bietet sich vor allem Sarah Mayer (SC Potsdam) an, die deutlich über 50 Meter werfen sollte. Sie wird von Tino Lang trainiert.
Die Hoffnungsträgerinnen
Die Hoffnungen für die Zukunft tragen auf alle Fälle solche Athletinnen wie Sandra Schaffarzik (Jahrgang 1987), die in der zweiten Reihe hinter den vier Kandidatinnen für die WM in Berlin steht. In diese Reihe gehören auch Annika Suthe (1985), Vivian Zimmer (1987) und Mareike Rittweg (1984), die aber nun erst mal durch Schulterverletzungen zurückgeworfen wurden.
Zu den Hoffnungsträgerinnen in Richtung Olympia 2012 zählen aber ohne Zweifel mit Christina Obergföll (1981), Linda Stahl (1985) und Katharina Molitor (1983) auch drei Athletinnen, die bereits in der Weltspitze angekommen sind, aber noch sehr lange Zeit den Speer werfen können.
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