leichtathletik.de-Analyse - Speerwurf Männer
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Routinier Peter Esenwein warf sich in den Vordergrund (Foto: Chai)
Wo stehen die DLV-Asse international?Peter Esenwein (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg) holte in diesem Jahr für die deutschen Speerwerfer die Kastanien aus dem Feuer. Sein sechster Rang bei der EM in Göteborg ließ den DLV-Trainer Ralf Wollbrück wesentlich ruhiger in die Zukunft schauen, als noch einige Wochen vor diesem Jahreshöhepunkt. "Mit Stefan Wenk hatten wir einen weiteren Athleten im EM-Finale. Insgesamt bedeutete das für mich eine leichte Verbesserung." Und dabei betonte er, dass das europäische Niveau praktisch mit dem Weltniveau gleichzusetzen ist, sieht man einmal vom zeitweiligen Auftauchen einzelner US-Amerikaner oder aber des Kubaners Guillermo Martinez ab.
Die Diskrepanz zur Weltspitze war zum Ende der Saison nicht mehr so groß wie noch vor den Deutschen Meisterschaften in Ulm, wo man rund zehn Meter der Weltspitze hinterher warf. Peter Esenwein bewies mit einigen dritten Plätzen, dass man sich an die führenden Leute heranpirschen kann. Er erzielte beim Weltfinale in Stuttgart 85,30 Meter und wurde Dritter, ebenfalls zuvor beim DKB-ISTAF in Berlin, wobei er einige Leute schlug, die in Göteborg noch vor ihm waren.
Die Bilanz 2006
Peter Esenwein war in dieser Saison deutlich konstanter als in früheren Jahren. Möglichweise lag das daran, dass er durch seine Schulteroperation im Jahr 2005 später in die neue Saison einstieg. Seine Leistungen brachte er im wesentlichen in der zweiten Jahreshälfte, aber Ralf Wollbrück stellte fest: "Es geht nicht darum, im Mai weit zu werfen, sondern zum richtigen Zeitpunkt." Und er brach auch eine Lanze für ältere Athleten. "Man muss zwar mit jungen Leuten für die Zukunft planen, aber es spielt letztendlich keine Rolle, wer in welchem Alter zum Jahreshöhepunkt die Leistung bringt." Folgerichtig wurde der 38-jährige Peter Esenwein auch in den A-Kader aufgenommen. "Man braucht erfahrene Leute, Führungspersönlichkeiten, an denen sich junge Leute orientieren können."
Zu diesen "jüngeren Leuten" kann auch noch Stefan Wenk (VfL Sindelfingen / Jahrgang 1981) gezählt werden, der 2006 wesentlich konstanter war als 2005, als er am Anfang , im Winter und im Mai weit geworfen hatte, dann aber das Niveau nicht mehr halten konnte und sich nicht für die WM qualifizierte. Diesmal war er zumindest in der Lage, sich für den Höhepunkt zu qualifizieren. Kein Problem hatte er mit der Qualifikation in Göteborg, aber im Finale konnte er seine Leistung nicht abrufen. Nach einem ersten ungültigen Versuch wurde er "fest". "Er ist leistungsfähiger geworden, kann auch mit dem Niveau in der Welt mithalten, aber er muss einfach abgeklärter werden", schätzt Ralf Wollbrück ein.
Nicht zufrieden konnte er mit Christian Nicolay (TV Wattenscheid 01) sein, der den DLV in den letzten Jahren bei den Höhepunkten immer vertreten hat, aber sowohl in Helsinki (Finnland) bei der WM als auch in Göteborg (Schweden) bei der EM nicht sein Leistungsvermögen abrufen konnte. "In Göteborg war er sehr gut vorbereitet, zeigte das auch noch auf dem Aufwärmplatz. Dann aber ging er ins Stadion, verlor den Faden und machte so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann." Es waren sicherlich weniger die Nachwirkungen von Verletzungen, so eines leichten Faserrisses im Beuger im Vorfeld der EM oder aber seiner Meniskusprobleme, die er nun am 10. Oktober operativ bewältigte (wir berichteten).
Verletzungssorgen hatte der WM-Achte Mark Frank (1. LAV Rostock). Er schleppte eine Fußverletzung durch die ganze Saison und konnte deshalb sein Leistungsvermögen nicht ausschöpfen. Björn Lange (SC Magdeburg) schaffte es auch 2006 nicht, sich wieder in die deutsche Spitze zu schieben. Und Manuel Nau (SCC Berlin) deutete zwar an, dass er über 80 Meter werfen könnte, zeigte das aber in den Wettkämpfen nicht.
In den deutschen Jahresbestenlisten wurde mit 80,87 Metern auch der EM-Siebente von Göteborg, Stephan Müller, geführt, der für die LAZ Zweibrücken startet, allerdings einen Schweizer Pass hat und deshalb auch nicht für den DLV antritt.
Alexander Vieweg (LAZ Zweibrücken) gehört zu den Athleten, auf die der DLV-Trainer für die nächsten Jahre setzt. Er hatte sich eingangs der Saison im Vergleich zu den 75,85 Metern, die er als Junioren-EM-Zweiter 2005 in Kaunas (Litauen) warf, um drei Meter verbessert. Doch dann zog er sich eine Ellenbogenverletzung zu und musste die Saison beenden.
Der langjährige Konkurrent von Alexander Vieweg, Fabian Heinemann (SC Magdeburg), kam in diesem Jahr negativ in die Schlagzeilen. Er hatte vom Arzt ein Haarwuchsmittel verschrieben bekommen, das anfangs nicht auf der Dopingliste stand. Aber der darin enthaltene Wirkstoff wurde später doch in diese Liste aufgenommen. Das übersah der Athlet. Die Disziplinarkommission hat bisher noch nicht getagt, eine eventuelle Strafe ist also noch nicht festgelegt.
Bei der Junioren-WM in Peking (China) waren zwei Athleten am Start. Franz Burghagen (LG Nike Berlin), noch B-Jugendlicher, musste Lehrgeld zahlen. Zwei Würfe in der Qualifikation gingen eigentlich über die geforderte Weite, aber er machte sie ungültig. Damit war das Aus programmiert, das Finale der letzten Zwölf vergeben. Thomas Lange (Hallesche LAF) blieb mit knapp 64 Metern unter seinen Möglichkeiten.
Die Chancen 2007
Für die Weltmeisterschaft in Osaka (Japan) kommen vor allem folgende Athleten in Frage, für die die Norm von 81 Meter kein Problem sein sollte: Peter Esenwein, Stefan Wenk, Christian Nicolay, Mark Frank, Alexander Vieweg und auch Björn Lange, wenn er zu alter Form zurückfindet. Das Ziel des DLV-Trainers ist, dass "wir uns jedes Jahr in der Platzierung beim Höhepunkt vorarbeiten." Nach den Plätzen acht und sechs sollte es nun mindestens der fünfte oder vierte Platz werden. "Weiterhin strebe ich an, dass zwei Athleten ins Finale kommen. Und wenn alle ihr Leistungsvermögen zum Jahreshöhepunkt abrufen, ist das auch möglich."
Für die U23-EM (Jg. 85-87) kommen vor allem Alexander Vieweg und Fabian Heinemann in Frage. Theoretisch haben außerdem auch Christian Busch (SC Magdeburg) und Thomas Lange eine Chance, aber beide müssten dafür über 75 Meter werfen. Alexander Vieweg hat eine Medaillenchance, wenn er denn gesund ist.
Recht umfangreich ist das Angebot an Athleten für die Junioren-EM U20 in Hengelo (Niederlande). Mit Franz Burghagen, Matthias de Zordo (MTV Bad Kreuznach) , David Klaus (LG Wetzlar), Matthias Treff (Hallesche LAF), Maximilian Buchholz (SC Magdeburg) und Vinzenz Taufratshofer (TV Immenstadt) stehen sechs Werfer zur Verfügung, die sich qualifizieren könnten. Wenn sie dann in den Bereich von 75 Meter werfen, dann hätten sie auch Medaillenchancen.
Die Hoffnungsträger
"Für mich ist vor allem Alexander Vieweg ein Hoffnungsträger, den wir nach oben durchbringen müssen", meint Ralf Wollbrück. "Er hat gute körperliche Voraussetzungen, ist ein athletischer, schnellkräftiger Typ und hat eine geradlinige Entwicklung genommen." Seit kurzem trainiert er beim Saarbrücker Boris Henry, und zu dieser Trainingsgruppe gehört auch der Juniorenmeister Matthias de Zordo. Das könnte den beiden jungen Athleten einen weiteren Schub verschaffen.
Boris Henry will sich schwerpunktmäßig auf die Betreuung der beiden konzentrieren. Er will aber auch selbst noch mal versuchen, den Speer zu werfen, doch ihm ist klar, dass es schwer werden wird, in alte Weitenbereiche vorzustoßen. Dazu war seine Verletzung aus dem Olympiajahr 2004 wohl doch zu schwer. Ausschließen aber möchte Boris Henry nichts.
Ein weiterer Hoffnungsträger ist Franz Burghagen, der in Berlin von Wolfgang Kurth trainiert wird, und die technischen Anlagen besitzt, einmal ganz weit werfen zu können. "Und darüber hinaus gibt es noch eine ganze Menge junger Talente, die gute Voraussetzungen mitbringen, bei denen man aber abwarten muss, wie die Entwicklung vonstatten geht", schaut DLV-Trainer Ralf Wollbrück optimistisch in die Zukunft.