leichtathletik.de-Analyse - Weitsprung Frauen
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Das gab es wirklich schon lange nicht mehr: Eine deutsche Weitspringerin steht am Ende der Saison in der Weltjahrsbestenliste ganz oben. Bianca Kappler (LC asics Rehlingen) hat das schier Unmögliche 2008 tatsächlich geschafft – und die 31-Jährige würde sich wahrscheinlich auch unendlich darüber freuen, wenn die Bestenliste nicht einen kleinen Schönheitsfehler hätte: Es steht „Wind assisted marks“ darüber, es sind also jene Weiten, die wegen zu starkem Rückenwind nicht gültig sind. Bianca Kappler sprang im Juni 6,97 Meter in Bad Langensalza, dabei blies der Wind aber mit 2,3 Metern pro Sekunde in ihrem Rücken – 0,3 Meter pro Sekunde zu viel.
In Bad Langensalza stellte die WM-Fünfte von 2007 ihre gute Form aber auch ohne Windunterstützung unter Beweis. Bei regulären Bedingungen schaffte Bianca Kappler 6,77 Meter. Bei dieser Bestweite sollte es für sie in diesem Jahr allerdings bleiben, denn im Anschluss nahm die Saison ein rüdes Ende: Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg zog sich Bianca Kappler beim Warmmachen einen Achillessehnenriss zu, der ihren Traum vom zweiten Olympiastart platzen ließ. Die Norm für die Olympischen Spiele im chinesischen Peking hatte sie zuvor mehrmals geknackt. Im Vogelnest stand schließlich keine DLV-Springerin am Anlauf.
„Die Saison hat gut begonnen. Bianca hatte früh die Norm geknackt. Melanie Bauschke war ebenfalls nah am Ticket für Peking dran“, sagt DLV-Disziplintrainer Ulrich Knapp. „Dann hat sich nicht nur Bianca schwer verletzt, auch Melanie wurde durch eine Sprunggelenksentzündung gehemmt. Ich blicke also mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf das Jahr zurück.“
Bianca Kappler wird auf Platz 23 der Weltjahresbestenliste geführt. Auf Rang 56 folgen gemeinsam mit jeweils 6,62 Metern Melanie Bauschke (LG Nike Berlin) und Beatrice Marscheck (LAZ Gießen), 77. mit 6,54 Metern ist Sophie Krauel (TuS Jena) auf Platz 98 mit 6,50 Metern rangiert Claudia Tonn (LC Paderborn). Bianca Kappler war in den letzten Jahren die einzige deutsche Weitspringerin in der Weltspitze. Der Disziplintrainer weiß, was ihren Kolleginnen noch fehlt: „Sie müssen die Maximalkraftwerte und die Schnelligkeit im Anlauf verbessern“, sagt Ulrich Knapp, der jedoch hinzufügt: „Die Mädels sind jung, wir müssen Geduld haben.“
Die Bilanz 2008
Für Bianca Kappler war die Saison ein Desaster. Dass sie bereits im Juni eine so gute Frühform erreicht hatte, machte es für die Rehlingerin noch schwerer, das bittere Olympia-Aus zu verdauen. „In Topform wäre für Bianca in Peking ein Platz zwischen drei und sechs möglich gewesen“, sagt Ulrich Knapp, der zugleich ihr Heimtrainer ist.
Beatrice Marscheck hat im Juli in Dillingen mit 6,62 Metern den bisherigen hessischen Landesrekord von Susen Tiedke (LG Eintracht Frankfurt/6,60 m) aus dem Jahr 2007 verbessert. „Ihre Absprungvorbereitung war in dieser Saison viel besser als früher“, sagt Ulrich Knapp über die 23 Jahre alte Lehramtsstudentin. Bei der DM in Nürnberg enttäuschte sie aber: Mit 6,07 Metern verpasste Beatrice Marscheck das Finale der besten Acht.
Die Berlinerin Melanie Bauschke feierte mit dem Sieg bei der Hallen-DM (6,49 m) im Februar ihren größten Erfolg – und konnte dabei sogar Bianca Kappler (6,46 m) auf Rang zwei verweisen. Allerdings verlief auch für die 20-Jährige die Freiluft-DM mit Platz sieben und schwachen 6,21 Metern nicht nach Plan. Trotzdem gibt es ein Lob vom Disziplintrainer. Bei den Länderkämpfen habe sie sich gut verkauft, sagt Ulrich Knapp, und von der Anthropometrik sei die 1,80 Meter große und 63 Kilogramm schwere Weitspringerin zudem ein großes Talent.
Nach dreieinhalbjährigem Zwangsabstand von der Sandgrube feierte Sophie Krauel in diesem Jahr ihr Comeback – aufgrund einer Verletzung im linken Schienbein musste die 23-Jährige dreimal operiert werden. Mit 6,40 Metern sicherte sich die Vize-Juniorenweltmeisterin von 2004 dann gleich den DM-Titel in Nürnberg. „Wenn sie 2009 noch was drauflegen kann, ist sogar die WM drin“, sagt Ulrich Knapp.
Claudia Tonn hat sich kürzlich dazu entschieden, voll auf den Weitsprung zu setzen. „Die Rahmenbedingungen im nächsten Jahr lassen ein professionelles Siebenkampftraining nicht mehr zu“, schreibt die 27-Jährige auf ihrer Homepage (www.claudia-tonn.de) und fügt hinzu: „Ich werde nächstes Jahr angreifen, und zwar im Weitsprung“.
In dieser Saison lief es aber alles andere als rund: Die Deutsche Hallenmeisterin von 2006 blieb 25 Zentimeter unter ihrer Bestleistung (6,75 m). Mit 6,23 Metern wurde sie nur Fünfte bei der DM. „Die Siebenkämpfe haben Kraft gekostet, das hat sich negativ auf die Leistung in den Weitsprungwettkämpfen ausgewirkt“, sagt der Disziplintrainer. „Bislang macht sie im Training einen guten Eindruck, zwischen 6,60 und 6,80 Meter kann Claudia nächstes Jahr springen.“
Die Chancen 2009
„Realistisch sind zwei Startplätze bei der WM in Berlin“, sagt Ulrich Knapp. „Eine Springerin sollte es dann auch ins Finale schaffen.“ Falls Bianca Kappler ihren Achillessehnenriss voll auskurieren kann, müsste die Qualifikation für sie kein Problem sein. Dann darf sie sogar von ihrer zweiten Medaille bei internationalen Meisterschaften nach Bronze bei der Hallen-EM 2005 träumen. Die A-Norm sind 6,72 Meter. Die B-Norm, die zweimal erfüllt werden muss, liegt bei 6,62 Metern. Geht man nach den Weiten dieses Jahres, so ist die Qualifikation über die B-Norm für Beatrice Marscheck und Melanie Bauschke durchaus drin.
Die Hoffnungsträger
Wer die europäische U23-Bestenliste betrachtet, der dürfte sich um die Zukunft des Frauenweitsprungs in Deutschland wenig Sorgen machen. Die Fakten: Xenia Achkinadze (LG Frankfurt) ist mit 6,43 Metern Vierte, Sosthene Moguenara (TV Wattenschbeid 01) steht mit 6,37 Metern auf Platz sechs, Eileen Matthes (LG Nike Berlin) ist mit 6,28 Metern Neunte und Anne Neubauer (ASV Erfurt) mit 6,22 Metern Zwölfte.
„Früher hatten wir Probleme mit dem Übergang zwischen dem Jugend- und dem Aktivenbereich. Diese Zeiten sind nun hoffentlich vorbei“, sagt Ulrich Knapp und gibt sich dementsprechend selbstbewusst: „Bei der U23-EM können es zwei oder gar drei Athletinnen ins Finale schaffen.“ Die Norm für die EM im litauischen Kaunas (16. bis 19. Juli 2009) wird zwischen 6,30 und 6,40 Meter liegen.
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