leichtathletik.de-Analyse - Weitsprung Männer
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Die Sieben ist beliebt. Sie soll Glück bringen – was antworten die meisten Menschen auf die Frage nach ihrer Lieblingszahl? Richtig. Sieben. Weitspringer Sebastian Bayer (TSV Bayer Leverkusen) hat nach der Saison 2008 jedoch eher keine guten Erinnerungen an die Sieben: 7,77 Meter bei den Olympischen Spielen bedeuteten für den einzigen deutschen Weitspringer in Peking das Aus in der Qualifikation. 17 Zentimeter fehlten dem 22-Jährigen für das Finale, in dem der amtierende Weltmeister Irving Saladino (Panama) mit 8,34 Metern die erste Olympische Goldmedaille in der Leichtathletik für sein Land holte.
Da Sebastian Bayer mit einer Saisonbestweite von 8,15 Metern nach China reiste, durfte man mehr als Platz 23 erwarten. Trotzdem bekommt der Leverkusener ein nachträgliches Lob vom DLV-Disziplintrainer. „Er hat den Schritt in die Weltklasse geschafft“, sagt Uwe Florczak. „Olympische Spiele verlaufen in anderen Dimensionen. Für Sebastian war es eine völlig neue, unbekannte Situation. Außerdem war er der einzige deutsche Starter, es wäre hilfreich gewesen, wenn sich auch ein zweiter qualifiziert hätte.“
Olympiasieger Irving Saladino dominierte in diesem Jahr das Geschehen in den Sandgruben. Im Mai sprang er im niederländischen Hengelo 8,73 Meter – der siebtweiteste Sprung aller Zeiten, mit dem er auch die Weltjahresbestenliste vor Ibrahim Camejo (Kuba/8,46 m) und Loúis Tsátoumas (Griechenland/8,44 m) anführt.
Die DLV-Weitspringer tauchen ein gutes Stück weiter hinten auf: Sebastian Bayer ist mit 8,15 Metern auf Rang 26 der Beste, dann folgen Nils Winter (Team Referenznetzwerk Leverkusen) auf Platz 29 mit 8,14 Metern, Christoph Stolz (VfL Wolfsburg) mit 8,09 Metern auf Platz 40 und Peter Rapp (LAV asics Tübingen) mit 8,00 Metern auf Platz 61. Im europäischen Vergleich sieht es etwas freundlicher aus: Sebastian Bayer wird in der Altersklasse U23 auf Platz vier geführt, bei den Männern ist er Achter. Zwei Plätze vor Nils Winter. Christoph Stolz ist 18., Peter Rapp belegt auf kontinantaler Ebene Rang 26.
Die deutschen Weitspringer waren bei großen internationalen Wettkämpfen zuletzt selten in der Lage, ihr Potential abzurufen – von Christian Reif (ABC Ludwigshafen), der bei der WM 2007 mit 8,19 Metern Neunter wurde, abgesehen. Das erste Großereignis des Jahres 2008, die Hallen-WM in Valencia (Spanien), verlief ernüchternd. Peter Rapp qualifizierte sich, allerdings kam der 25-jährige Schwabe nicht über enttäuschende 7,59 Meter und Rang 14 hinaus. Seine damalige Saisonbestweite von 8,03 Metern hätte immerhin zur Bronzemedaille gereicht. „Er war damals erkältet und hatte deswegen einfach keine Chance“, sagt der Disziplintrainer.
Trotz des Rückstandes zur Weltspitze blickt Uwe Florczak optimistisch in die Zukunft. Seit 2005 haben sich die Weiten der ersten Sechs der Weltbestenlisten im Durchschnitt nur von 8,42 auf 8,45 Meter verbessert. Die DLV-Athleten holten demgegenüber auf, sie haben die Durchschnittsweiten in den letzten drei Jahren von 7,92 auf 8,03 Meter verbessert. „Die Leistungsentwicklung ist sehr gut“, sagt Uwe Florczak, er ergänzt aber auch: „Jetzt muss der nächste Schritt folgen. Die Jungs brauchen unbedingt mehr internationale Erfahrung.“
Die Bilanz 2008
„Die Serie an Acht-Meter-Sprüngen in dieser Saison bestätigen den Aufwärtstrend“, analysiert Uwe Florczak. Gleich vier Weitspringer flogen über diese Marke. Nils Winter war der konstanteste von ihnen, bei ihm stand siebenmal die Acht vor dem Komma. Beim Europacup in Annecy (Frankreich) wurde der 31 Jahre alte Routinier Dritter, doch das Ticket zu den Olympischen Spielen konnte er nicht lösen. „Er war natürlich sehr enttäuscht“, sagt Uwe Florczak. „Aber Nils ist ein guter Sportsmann und wird nun wieder angreifen.“
Sebastian Bayer holte sich mit 8,15 Metern in Nürnberg nicht nur den DM-Titel, er stellte auch die beste Weite bei nationalen Titelkämpfen seit 1999 auf. Nach dem enttäuschenden Olympiastart konnte er sich zum Saisonende dann nochmals motivieren und drehte beim Meeting in Zürich (Schweiz; 7,97 m) und beim Weltfinale in Stuttgart (8,00 m) auf.
Mit den guten Weiten aus der Halle konnte Peter Rapp optimistisch in die Freiluftsaison starten. Beim Meeting in Bad Langensalza gelangen dem Tübinger „zwei Topsprünge“, wie Uwe Florczak sagt. Jedoch waren beide ungültig, ein Versuch ging auf 8,10 Meter, doch der Wind blies mit 2,3 Metern pro Sekunde zu stark. „Da hat er einen kleinen Knacks bekommen, und es folgte bei Peter ein Leistungseinbruch“, sagt der Disziplintrainer.
Christoph Stolz überzeugte ebenfalls zunächst unterm Dach: Bei der Hallen-DM holte er sich den Titel mit 7,91 Metern. Im Anschluss stellte der 28-Jährige im Juni mit 8,09 Metern nicht nur eine neue Bestleistung auf, er knackte damit auch die B-Norm für die Olympischen Spiele und durfte schon vom Vogelnest in Peking träumen. Doch bei der DM in Nürnberg stoppte ihn ein Muskelfaserriss.
Bei Christian Reif zeigte die Kurve im Jahr 2008 nach unten. „In der Vorbereitung überzeugte er mit tollen Leistungen“, sagt Uwe Florczak. Später jedoch war auch er vom Verletzungspech geplagt, mehr als 7,80 Meter waren für ihn nicht drin. Vielleicht wird der 24-Jährige mit seinem neuen Trainer Ulrich Knapp zurück zum Erfolg kommen. „Er ist ein Hoffnungsträger für die Zukunft.“
Die Vorschau 2009
„Die Vorfreude auf die Heim-WM und die Motivation sind bei den Jungs groß“, sagt der Disziplintrainer. Beim Auftaktlehrgang Anfang Oktober in Bad Peterstal habe er es deutlich gespürt. Da standen neben dem Leichtathletiktraining übrigens auch eine lockere Basketballpartie oder ein Kegelabend auf dem Programm. Es habe sich dabei ein echter Teamgeist entwickelt, meint Uwe Florczak und gibt sich forsch: „Bei der WM wollen wir alle drei Startplätze besetzen, auch wenn das eine Sensation wäre.“ 8,15 Meter wird die A-Norm sein, zweimal 8,05 Meter die B-Norm. Fünf Athleten seien in der Lage, die Qualifikation zu packen, sagt der Disziplintrainer.
Für die Weltmeisterschaft selbst hat Uwe Florczak ebenfalls schon ein Ziel formuliert: „Es muss jetzt mal eine Finalteilnahme her.“ Sebastian Bayer sei ein Kandidat, der das schaffen könnte. Auch Nils Winter traut er 2009 eine neue Bestleistung zu. Sebastian Bayer, Nils Winter und Christian Reif sind im Spezialkader „Top Team Berlin 2009“, das zurzeit in Monte Gordo (Portugal) trainiert und über das die Athleten in der WM-Vorbereitung finanziell unterstützt werden.
Peter Rapp und Christoph Stolz sitzen ebenfalls in den Startlöchern für Berlin. Ein Kandidat für Überraschungen könnte der 24-jährige Christian Kaczmarek (LG Nike Berlin) sein, der in diesem Jahr 7,92 Meter weit sprang und nun von Uwe Florczak wieder in den B-Kader genommen wurde. „Auf ihn bin ich einfach nur gespannt.“
Neben der Weltmeisterschaft wartet im kommenden Jahr vom 6. bis 8. März auch die Hallen-EM in Turin (Italien). Der Stellenwert dieser Titelkämpfe ist bei Uwe Florczak hoch: „Genau solche Wettkämpfe brauchen wir jetzt. Auf diesen Bühnen müssen sich die Jungs beweisen.“ Deswegen will er möglichst mit drei Schützlingen nach Turin reisen, bevor es im Mai ins Trainingslager gehen wird.
Die Hoffnungsträger
Ein Kandidat für die U23-EM in Kaunas (Litauen) ist Julian Howard von der MTG Mannheim – mit seinen 7,68 Metern landete der 19-Jährige 2008 immerhin auf Platz 17 der U20-Weltbestenliste und wurde bei der WM in Polen Achter.
An nationaler Konkurrenz mangelt es für ihn nicht: Mario Kral (Hallesche LAF) musste bei der U20-WM zwar wegen einer Mandelentzündung passen, bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Berlin besiegte er Julian Howard aber mit guten 7,46 Metern. Aufhorchen ließ in diesem Jahr auch der 20-jährige Timo Kirchenberger (SCC Berlin), der bei der DM in Nürnberg Vierter wurde und eine Saisonbestleistung von 7,65 Metern schaffte.
DLV-Disziplintrainer Uwe Florczak drückt aber beim Thema „Nachwuchs“ auf die Bremse: „Wenn es einer von diesen Dreien zur U23-EM schaffen würde, wäre das ein großer Erfolg. Die Norm wird eine hohe Hürde sein.“ In der Tat: 7,80 Meter müssen die jungen Weitspringer packen, um in Kaunas dabei zu sein.
Mehr Analysen:
Sprint Männer
Sprint Frauen
400 Meter Männer
400 Meter Frauen
Mittelstrecke Männer
Mittelstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Hürdensprint Männer
Hürdensprint Frauen
Langhürde Männer
Langhürde Frauen
Hindernis Männer
Hindernis Frauen
Gehen Männer
Gehen Frauen