leichtathletik.de-Analyse - Zehnkampf
Die Olympische Leichtathletik-Saison 2008 ist Geschichte. Sowohl mit Enttäuschungen als auch mit freudigen Überraschungen im Gepäck kehrten die Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) aus Peking (China) zurück. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2008, blickt voraus auf 2009 und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Wo stehen die DLV-Asse international?Die deutschen Zehnkämpfer sind auch in diesem Jahr mit vier Athleten unter den Top 15 der Weltjahresbestenliste vertreten. Mit 8.372 Punkten belegt Arthur Abele (SSV Ulm 1846) den zehnten Rang und verdrängt damit den Berliner André Niklaus (11. Platz; 8.273 Punkte) von seinem Platz als bester Deutscher. Auf den Rängen 13 und 14 folgen Michael Schrader (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) und Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt) mit 8.248 bzw. 8.242 Punkten.
Bei den Olympischen Spielen in Peking konnten die drei deutschen Olympiastarter die Vorgaben nicht ganz erfüllen. Nach der verletzungsbedingten Aufgabe von Arthur Abele war das Ziel, alle Drei unter den besten zehn Athleten zu platzieren, nicht mehr zu erreichen. Der WM-Fünfte André Niklaus landete am Ende als bester deutscher Zehnkämpfer auf Platz acht, knapp vor Michael Schrader als Zehnter.
Die Bilanz 2008
Im letzten Jahr lobte Team-Manager Claus Marek seine Zehnkämpfer, weil sie sich schon „in jungen Jahren besonders wettkampfstark“ zeigten. 2008 schien diese Eigenschaft phasenweise verloren gegangen zu sein: „Es lief nicht alles rund“, fasst er die Saison 2008 kurz zusammen und erinnert sich dabei wohl vor allem an den Qualifikationswettkampf in Götzis (Österreich), bei dem insgesamt nur Pascal Behrenbruch und Arthur Abele als Sechster bzw. Siebter und dem Erreichen der Norm überzeugten, während André Niklaus, Norman Müller und Jacob Minah den Wettkampf allesamt ohne Zehnkampf-Ergebnis beendeten.
Besonders André Niklaus hatte im Mehrkampf-Mekka mit einem deutlich besseren Wettkampfverlauf gerechnet, musste aber bereits nach den ersten Disziplinen erkennen, dass die erhoffte Gesamtpunktzahl nicht mehr zu erreichen war. „Im Zehnkampf darf man sich nicht zu sehr auf bestimmte Leistungen in den einzelnen Disziplinen fokussieren“, weiß Claus Marek, gelingen diese nämlich nicht, „ist die Enttäuschung häufig so groß, dass es schwer wird, den Wettkampf zu Ende zu bringen.“ Für ein gutes Wettkampfergebnis müssen Athleten und Trainer „bei der Realität bleiben und Punkt für Punkt erarbeiten.“
Dieses Rezept setzten die Zehnkämpfer nach dem zum Teil enttäuschenden Verlauf in Götzis, beim entscheidenden Qualifikationswettkampf in Ratingen viel besser um. Neben den fünf Götzis-Startern wollten dort auch andere Athleten, allen voran Michael Schrader, in den Kampf um die Olympia-Tickets eingreifen. Der Uerdinger hatte seine Bestleistung zuvor beim Mehrkampf-Cup in Bernhausen auf 8.194 Punkte verbessert und sich somit als Dritter in die deutsche Bestenliste eingereiht.
Davon scheinbar unbeeindruckt verbesserte Arthur Abele in Ratingen sein gutes Ergebnis von Götzis nochmals deutlich und sicherte sich mit neuer Bestleistung von 8.372 Punkten souverän das erste Ticket nach Peking. André Niklaus hatte, wie auf seiner Homepage treffend beschrieben, „über den Kampf zum Sieg“ gefunden und war ebenfalls auf den Olympiazug aufgesprungen.
Beide hatten Pascal Behrenbruchs Leistung von Götzis überboten und ihn in der Bestenliste durchgereicht. Der Frankfurter selbst musste den Wettkampf in Ratingen wegen einer Fußverletzung frühzeitig aufgeben. Beim abschließenden 1.500-Meter-Lauf war er dazu verdammt, zuzuschauen, wie der Aufsteiger Michael Schrader ihn mit einem couragierten Rennen um sechs Punkte vom dritten Olympia-Startplatz verdrängte.
Laut Claus Marek haben „die Jungs in Ratingen einen tollen Wettkampf gezeigt“, bei dem ihn „neben den drei Olympiastartern auch Norman Müller begeisterte.“ Der Hallenser wurde mit 8.032 Punkten Sechster, obwohl er nach einer Lungenverletzung im Frühjahr längere Zeit nur eingeschränkt trainieren konnte. Nach der verpassten Olympia-Qualifikation nutzte er seine Chance beim traditionellen Thorpe Cup in Manhattan/Kansas (USA), gewann die Einzelwertung und verbesserte seine Bestleistung auf 8199 Punkte.
Team-Manager Claus Marek betont, dass der Ländervergleich gegen die US-Amerikaner gerade für diejenigen, die knapp an der Qualifikation zum Saisonhöhepunkt gescheitert sind, eine gute Möglichkeit ist, sich mit international starken Athleten zu vergleichen. „Bei diesem Wettkampf können sich die Athleten Selbstvertrauen und Motivation für die nächsten internationalen Höhepunkte holen“, ist Claus Marek überzeugt.
Beim diesjährigen Saisonhöhepunkt in Peking konnten die drei Deutschen ihre sehr guten Trainingseindrücke aus der unmittelbaren Vorbereitung nicht immer bestätigen. Besonders der Ulmer Arthur Abele erwischte im „Vogelnest“ einen rabenschwarzen ersten Tag. Schon beim Weitsprung kämpfte er mit massiven Anlaufproblemen und auch im Hochsprung ließ er unerwartet viele Punkte liegen, ehe er sich bei einer Steigerung in Vorbereitung auf den 400-Meter-Lauf mit einem Muskelfaserriss aus dem Wettkampf verabschieden musste.
Die beiden verbliebenen deutschen Zehnkämpfer André Niklaus und Michael Schrader hätten mit einem taktisch klugen bzw. engagiertem 1.500-Meter-Lauf „zumindest noch in Richtung Saisonbestleistung“ marschieren können. Während der junge Michael Schrader zu schnell begann und das Tempo nicht halten konnte, ließ sich André Niklaus von seinen Gegnern beeinflussen und „verbummelte“ das Rennen vor allem in der zweiten Runde.
„Trotzdem sind Platz acht und zehn natürlich aller Ehren wert“, sagt Claus Marek, der seinem Job als Team-Manager seit März 2008 wieder hauptamtlich nachgehen kann. „Insgesamt zeigt sich aber, dass vielen unserer Topathleten die technische Sicherheit und Stabilität fehlt, daran werden wir in Zukunft arbeiten, auch und gerade mit dem Nachwuchs.“
Mangelnde Sicherheit hatte der Frankfurter Jan-Felix Knobel bei den U20-Weltmeisterschaften in Bydgoszcz (Polen) nicht zu beklagen. In einem bis zum Schluss spannenden Wettkampf sicherte sich der Schützling von Jörg Graf mit neuer persönlicher Bestleistung von 7.896 Punkten den Weltmeistertitel mit zwei Punkten Vorsprung vor dem Weißrussen Eduard Mihan. Der zweite deutsche Starter, Thorsten Margis (LG Peiner Land; 7.555 Punkte), wurde ebenfalls mit Bestleistung hervorragender Vierter.
Die Chancen 2009
Für die drei Startplätze bei der Weltmeisterschaft in Berlin kommen mindestens fünf Athleten in Frage. Dazu gehören vor allem die drei Olympiastarter, deren Vorbereitung unter unterschiedlichen Voraussetzungen steht: Arthur Abele beginnt mit dem Training verspätet, da er im Rahmen seiner Ausbildung wichtige Prüfungen zu absolvieren hat. Außerdem gab der derzeit beste deutsche Zehnkämpfer vor kurzem seinen Wechsel zum VfL Sindelfingen und die Zusammenarbeit mit Martin Seeger als verantwortlichen Trainer bekannt.
Der Berliner André Niklaus beginnt die Vorbereitung auf die neue Saison besonders motiviert und will als Lokalmatador in Berlin groß auftrumpfen.
Newcomer Michael Schrader „muss diese Saison erst einmal verarbeiten und lernen, im nächsten Jahr einer der Gejagten zu sein“, glaubt Claus Marek, der neben den drei Olympia-Startern auch mit Norman Müller und Pascal Behrenbruch als Kandidaten für die WM in Berlin rechnet. „Die beiden werden im nächsten Jahr voll angreifen und es den anderen Jungs schwer machen.“
Zu denen, die es den anderen schwer machen werden, könnten auch Universiade-Sieger Jacob Minah, der in Zukunft zusammen mit Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf in Paderborn trainieren wird, und Lars Albert (LAC Elm) gehören. Beide sind in der Lage, die Norm für die Weltmeisterschaften in Berlin zu übertreffen.
Ein weiterer Hoffnungsträger im Bereich der Aktiven ist der Erfurter Dennis Leyckes, der sich in diesem Jahr beim Thorpe-Cup in den Dienst der Mannschaft gestellt und laut Claus Marek gezeigt hat, dass „in ihm auf jeden Fall Potential steckt, wenn er gesund bleibt“.
Für die Weltmeisterschaft in Berlin, dem nächsten „ganz großen Höhepunkt“ ein Jahr nach den Olympischen Spielen, rechnen sich also einige deutsche Athleten Chancen aus. „2009 sollen die 8.500 Punkte fallen, dann ist in Berlin auch eine Medaille möglich“, blickt Team-Manager Claus Marek auf die nächste Saison. „Dazu müssen wir im Vorfeld, den Austausch unter den Trainern weiter forcieren und durch verschiedene Maßnahmen mit Spezialtrainern ergänzen.“
Dafür dienen in erster Linie die Lehrgänge, bei denen zum Beispiel durch gezielte Analysen verstärkt an der Sicherheit der Athleten gearbeitet werden soll. Das hauptamtliche Engagement des Team-Managers hilft dabei ungemein: „Wir können diese Maßnahmen jetzt wieder ausbauen und somit eine höhere Qualität zurückholen.“
Langfristig verfolgt der Team-Manager das Ziel, „Mehrkampfzentren“ in Deutschland aufzubauen, in denen „die besten Athleten mit den besten Trainern“ arbeiten können. „Auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2012 ist das für uns besonders wichtig.“
Die Hoffnungsträger
Im Hinblick auf die drei internationalen Nachwuchsmeisterschaften sieht Claus Marek in allen drei Altersklassen „gutes Potential“. Jan-Felix Knobel und Thorsten Margis sind nach den guten Ergebnissen in diesem Jahr die ersten Kandidaten für die U23-Europameisterschaften. Aber auch Matthias Prey (Hamburger SV), Rico Freimuth (Hallesche LF) und Simon Hechler (Leichtathletik-Team Saar) möchten nach Verletzungsproblemen wieder angreifen.
„Insgesamt verfügen wir über eine ganz gute Breite im Nachwuchs, hier zahlt sich auch die sehr gute Arbeit von Nachwuchs-Bundestrainer Lothar Schmitt aus“, lobt Claus Marek und ergänzt: „In den nächsten Jahren muss es uns gelingen, unsere Talente bis in die Männerklasse zu bringen.“
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