leichtathletik.de-Check - 400 Meter Frauen
Die von internationalen Höhepunkten gespickte Saison 2012 ist Geschichte. Acht Medaillen bei Olympia in London (Großbritannien), einer erfolgreichen EM in Helsinki (Finnland) und einer Hallen-WM in Istanbul (Türkei) als Durchgangsstation sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2012 IM RÜCKBLICK |
Esther Cremer nahm in diesem Jahr das Zepter in die Hand. Bereits im Winter glänzte sie bei der Hallen-DM in Karlsruhe mit ihrer neuen Indoor-Bestzeit von 52,45 Sekunden. In der Freiluftsaison knüpfte die Wattenscheiderin dann nahtlos daran an. Schon zu Beginn des Sommers lief die 24-Jährige in Rehlingen mit 51,76 Sekunden eine neue persönliche Bestleistung. Allerdings konnte sie sich danach nicht mehr steigern.
Der deutsche Meistertitel war der stets forsch angehenden Athletin beim Heimspiel im Lohrheidestadion allerdings nicht von der Magdeburgerin Janin Lindenberg zu nehmen. Bei der Europameisterschaft in Helsinki (Finnland) verpasste Esther Cremer als Halbfinal-Fünfte den Einzug in den Endlauf.
Mit der Staffel, zu der neben Esther Cremer und Janin Lindenberg auch noch Christiane Klopsch (LG OVAG Friedberg/Fauerbach) und Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt/Gambach/Lohr) zählten, sprang im hohen Norden ein fünfter Platz heraus.
Bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) platzten alle Träume der DLV-Staffel, in der Maral Feizbakhsh (TV Wattenscheid 01) für Christiane Klopsch eingewechselt wurde, jäh. Das Quartett blieb in 3:31,06 Minuten deutlich hinter der Helsinki-Leistung (3:27,81 min) zurück. Die Enttäuschung der Viertelmeilerinnen sprach danach Bände. Vor allem Fabienne Kohlmann, die nach Verletzungsproblemen im Vorjahr wieder Anschluss gefunden hatte, brachte die Stimmungslage auf den Punkt: „Ich bin lachend ins Stadion reingegangen und ich komme jetzt weinend wieder raus. So habe ich mir das nicht vorgestellt.“
Claudia Grunwald hatte es erst gar nicht nach London geschafft und wurde schmerzlich vermisst. Die robuste Anführerin der letzten Jahre war nach gesundheitlichen Problemen im Mai nicht richtig in Tritt gekommen und suchte vergeblich ihre Form. Bei der DM in Bochum-Wattenscheid verpasste die Potsdamerin sogar das Finale.
Im U20-Bereich blieben die Düsseldorferin Maike Schachtschneider und die Herkenratherin Sonja Mosler unter 54 Sekunden. Beide führten bei der U20-WM die DLV-Staffel auf Platz fünf.
UNSERE TOP DREI |
| Esther Cremer TV Wattenscheid 01 24 Jahre SB: 51,76 sec PB: 51,76 sec (2012) DM: 1.| EM: Halbfinale (5.) DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Jahresbestenliste: 30. Platz Welt-Jahresbestenliste: 71. Platz |
| Janin Lindenberg SC Magdeburg 25 Jahre SB: 52,29 sec PB: 51,97 sec (2011) DM: 2. Platz DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Jahresbestenliste: 48. Platz Welt-Jahresbestenliste: 107. Platz |
| Fabienne Kohlmann LG Karlstadt/Gambach/Lohr 22 Jahre SB: 52,97 sec PB: 52,30 sec (2010) DM: 3. Platz DLV-Jahresbestenliste: 3. Platz Europa-Jahresbestenliste: 83. Platz Welt-Jahresbestenliste: 203. Platz |
UNSERE HOFFNUNGSTRÄGERIN |
| Maike Schachtschneider ART Düsseldorf 18 Jahre SB/PB: 53,57 sec Mit ihrem überzeugenden Auftritt im Vorlauf der U20-WM (53,57 sec) zeigte Maike Schachtschneider, was in ihr steckt. |
DER PECHVOGEL |
| Claudia Grunwald SC Potsdam 29 Jahre SB: 53,82 sec PB: 51,65 sec (2010) Nach gesundheitlichen Problemen im Mai kam Claudia Grunwald nicht in Schwung und lief ihrer Form hinterher. |
2013 IM AUSBLICK |
In den letzten fünf Jahren rotierten die Jahresbesten durch, aber jeweils nur eine Athletin blieb unter 52 Sekunden. Damit wäre es in der Theorie recht einfach. Das Potenzial, dass sich auch einmal drei Athletinnen in einem Jahr auf einem solchen Niveau präsentieren, wäre in Deutschland da.
In der Praxis gilt es aber den Fokus zunächst nüchtern auf die Staffel-Qualifikation für die WM in Moskau (Russland) zu richten. Nach den Leistungen dieser Saison ist für Esther Cremer ein Einzel-Startplatz zum Greifen nah, wenn sie sich noch ein wenig steigert.
Die anderen Athletinnen müssten den nächsten Leistungssprung machen. Positiv stimmt mit Blick auf die weitere Entwicklung, dass die sechs schnellsten Deutschen ein bemerkenswert niedriges Durchschnittsalter von 22,3 Jahren aufweisen. Da darf man von einem Perspektivkader sprechen, der sich gegenseitig nach vorne pushen könnte.
Maike Schachtschneider ist im Nachwuchsbereich erste Kandidatin für die U20-EM in Rieti (Italien). Für die noch jüngeren Ann-Kathrin Kopf (TSV Otterndorf) und Lisa-Marie Jacoby (Erfurter LAC) ist die U18-WM in Donezk (Ukraine) durchaus in Reichweite.
DAS SAGT DER BUNDESTRAINER |
Tobias Kofferschläger:
Das Abschneiden der Staffel bei Olympia war enttäuschend. Das hatten wir uns anders vorgestellt. Nach dem Finalergebnis der EM war ich auch überzeugt, dass wir eine andere Leistung abliefern. Das Training hatte angedeutet, dass wir noch einen Schritt nach vorne hätten machen können. Ob es dann zum Finale gereicht hätte, ist eine andere Frage. Wir haben aber taktische Fehler gemacht, die bei Olympia gnadenlos bestraft werden. Bei der Europameisterschaft ist Esther Cremer als Einzelstarterin zwar nicht an ihre Bestzeit herangekommen, sie war aber in der Lage, an fünf Tagen vier Rennen auf ähnlichem Niveau zu absolvieren. Die Finalleistung der EM-Staffel fand ich durchaus gut. Wir waren in diesem Jahr auch verletzungs- und krankheitsbedingt gebeutelt. Claudia Grunwald und auch Lena Schmidt, die alles Pech der Welt gepachtet hatte, konnten dadurch nicht die gewünschte Leistung entwickeln.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Tobias Kofferschläger:
Esther Cremer hat sich als Nummer eins klar etabliert. Das hat mich gefreut. Sie ist stabiler geworden und hat sich als Athletin weiterentwickelt. In der Staffel ist sie jetzt eine feste Größe. Sie hat im Staffelteam Aufgaben übernommen und gemeinsam mit Janin Lindenberg eine Doppelspitze gebildet.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Tobias Kofferschläger:
Die Zielstellung muss es sein, in der Einzelleistungsfähigkeit einen Schritt nach vorne zu machen. Das gilt für die Spitze ebenso wie für die Breite. Der Kader wird derselbe sein, aber das Potenzial ist da. Ziel ist es auch, wieder in den Bereich von 2010 zu kommen. Das muss der Anspruch sein. Wir haben damals gezeigt, dass es funktionieren kann. Ich würde mir auch wünschen, dass Esther Cremer und Janin Lindenberg über die Einzelnorm an das Tor zur WM anklopfen können.
ZAHLEN UND FAKTEN |
Die Jahresbesten
51,76 - Esther Cremer (TV Wattenscheid 01)
52,29 - Janin Lindenberg (SC Magdeburg)
52,97 - Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt/Gambach/Lohr)
53,04 - Maral Feizbakhsh (TV Wattenscheid 01)
53,42 - Christiane Klopsch (LG OVAG Friedberg/Fauerbach)
53,57 - Maike Schachtschneider (ART Düsseldorf)
53,69 - Wiebke Ullmann (TSV Bayer 04 Leverkusen)
53,82 - Claudia Grunwald (SC Potsdam)
53,87 - Julia Förster (TSV Bayer 04 Leverkusen)
53,95 - Anja Bork (TSV Gomaringen)
Internationale Endkampf-Platzierungen 2012
Olympia: keine
EM: 5. Platz (Staffel)
U20-WM: 5. Platz (Staffel)
Hallen-WM: keine
Entwicklung des Spitzenniveaus
Athletinnen < 52 sec | Schnitt Top 10 | |
2005 | keine | 53,47 |
2006 | Claudia Hoffmann (51,79), Claudia Marx (51,96) | 53,02 |
2007 | Claudia Hoffmann (51,98) | 53,49 |
2008 | Jonna Tilgner (51,90) | 53,00 |
2009 | Sorina Nwachukwu (51,53) | 53,13 |
2010 | Claudia Hoffmann (51,65) | 52,80 |
2011 | Janin Lindenberg (51,97) | 53,18 |
2012 | Esther Cremer (51,76) | 53,24 |
Entwicklung Jahresbestleistungen (400 m)
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 52,07 (C. Marx) | 49,80 (Pospelova/RUS) | 2,27 | 48,92 (Richards/USA) | 3,15 |
2006 | 51,79 (C. Hoffmann) | 49,49 (Zaytseva/RUS) | 2,30 | 48,70 (Richards/USA) | 3,09 |
2007 | 51,98 (C. Hoffmann) | 49,61 (Ohuruogu/GBR) | 2,37 | 49,27 (Richards/USA) | 2,71 |
2008 | 51,90 (J. Tilgner) | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 |
2009 | 51,53 (S. Nwachukwu) | 49,29 (Krivoshapka/RUS) | 2,24 | 48,83 (Richards/USA) | 2,70 |
2010 | 51,65 (C. Hoffmann) | 49,89 (Foriva/RUS) | 1,76 | 49,64 (Dunn/USA) | 1,95 |
2011 | 51,97 (J. Lindenberg) | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 |
2012 | 51,76 (E. Cremer) | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 |
Entwicklung Jahresbestleistungen (4x400 m)
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 3:27,94 (DLV) | 3:20,32 (RUS) | 7,62 | 3:20,32 (RUS) | 7,62 |
2006 | 3:28,01 (DLV) | 3:21,21 (RUS) | 6,80 | 3:19,84 (AME) | 8,17 |
2007 | 3:29,52 (DLV) | 3:20,04 (GBR) | 9,48 | 3:18,55 (USA) | 10,97 |
2008 | 3:25,55 (DLV) | 3:18,82 (RUS) | 6,73 | 3:18,54 (USA) | 7,01 |
2009 | 3:25,08 (DLV) | 3:21,64 (RUS) | 3,44 | 3:17,83 (USA) | 7,25 |
2010 | 3:24,07 (DLV) | 3:21,26 (RUS) | 2,81 | 3:21,16 (RUS) | 2,81 |
2011 | 3:27,31 (DLV) | 3:19,36 (RUS) | 7,95 | 3:18,09 (USA) | 9,22 |
2012 | 3:27,81 (DLV) | 3:20,23 (RUS) | 7,58 | 3:16,87 (USA) | 10,94 |
WAS AUFFÄLLT |
- Mit Maike Schachtschneider hat sich eine U20-Athletin in die Top Sechs gelaufen.
- Esther Cremer und Janin Lindenberg führen die Konkurrenz deutlich an.
- Der Top 10-Schnitt hat sich nur geringfügig verändert, trotzdem ist er im dritten Jahr in Folge rückläufig und der schwächste seit 2007.
- Auch in diesem Jahr gab es nur eine DLV-Viertelmeilerin unter 52 Sekunden. In den letzten fünf Jahren waren es fünf verschiedene Athletinnen.
- Der Abstand der DLV-Jahresbesten zur Europa- und Weltjahresbesten hat sich minimal verringert.
- Die US-Staffel ist den Russinnen enteilt.
- Die DLV-Staffel konnte im Jahresvergleich trotz der schwächsten Saisonbestzeit der letzten fünf Jahre