leichtathletik.de-Check - Hürdensprint Männer
Die von internationalen Höhepunkten gespickte Saison 2012 ist Geschichte. Acht Medaillen bei Olympia in London (Großbritannien), einer erfolgreichen EM in Helsinki (Finnland) und einer Hallen-WM in Istanbul (Türkei) als Durchgangsstation sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2012 IM RÜCKBLICK |
Sechs Normerfüller für die Europameisterschaften, vier Kandidaten für die Olympischen Spiele – im Hürdensprint der Männer ist die Leistungsdichte nach wie vor hoch. Bundestrainer Rüdiger Harksen übergibt eine schlagkräftige Truppe an seinen Nachfolger Jan May, dem viele der Athleten aus seiner Trainingsgruppe beim LAZ Leipzig und in seiner bisherigen Funktion als DLV-Assistenztrainer gut bekannt sind.
Die besten Ergebnisse der Saison gingen auf das Konto des Leipzigers Alexander John: Er feierte in Wattenscheid seinen ersten deutschen Meistertitel, wurde bei der EM in Helsinki mit Saison-Bestzeit von 13,38 Sekunden Vierter und stellte wenig später in Weinheim in 13,35 Sekunden seinen Hausrekord ein. Noch eine Hundertstel schneller war dort Matthias Bühler (LG Offenburg), der in Helsinki allerdings den Sprung ins Finale verpasste hatte.
Alexander John, Matthias Bühler und der zweite Leipziger Erik Balnuweit vertraten den DLV bei den Olympischen Spielen. Alle drei blieben in London deutlich über ihren Jahres-Bestzeiten und schieden bereits im Vorlauf aus – ein Dämpfer in einer sonst guten Saison.
Nur als Zuschauer verfolgte Gregor Traber (LAV Tübingen) den Saison-Höhepunkt in London: Er war in letzter Minute von Erik Balnuweit aus dem Olympia-Aufgebot verdrängt worden. Mit der Verteidigung seines deutschen Hallentitels über 60 Meter Hürden sowie den Starts bei Hallen-WM und Freiluft-EM feierte der 19-Jährige jedoch insgesamt einen gelungenen Wechsel in die Aktivenklasse. In Wattenscheid war er sogar auf dem Weg zum zweiten DM-Gold des Jahres, strauchelte aber an der letzten Hürde und wurde nur Siebter.
Auch zu den U20-Weltmeisterschaften in Barcelona (Spanien) konnte die maximale Anzahl an Athleten entsandt werden. Jonas Christen (TSG Niefern) schrammte als Halbfinal-Dritter in 13,78 Sekunden knapp am Finale vorbei. Sebastian Barth (LG Würm Athletik) blieb im Vorlauf in 13,97 Sekunden unter seinen Möglichkeiten. Beide haben 2012 mit Zeiten von 14,25 und 14,22 Sekunden bereits über die Männerhürden ihr Potenzial angedeutet. Bis zur deutschen Spitze fehlt jedoch noch ein Stück.
UNSERE TOP DREI |
| Alexander John LAZ Leipzig 26 Jahre SB: 13,35 sec PB: 13,35 sec (2009) DM: 1. Platz | EM: 4. Platz | OS: 28. VL DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Jahresbestenliste: 9. Platz Welt-Jahresbestenliste: 31. Platz |
| Matthias Bühler LG Offenburg 26 Jahre SB: 13,34 sec PB: 13,34 sec (2012) DM: 2. Platz | EM: 10. HF | OS: 30. VL DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Jahresbestenliste: 8 Platz Welt-Jahresbestenliste: 29. Platz |
| Gregor Traber LAV Tübingen 19 Jahre SB: 13,47 sec PB: 13,47 sec (2012) DM: 7. Platz | EM: 15. HF | Hallen-WM: 16. VL DLV-Jahresbestenliste: 4. Platz Europa-Jahresbestenliste: 18. Platz Welt-Jahresbestenliste: 52. Platz |
UNSER HOFFNUNGSTRÄGER |
| Jonas Christen TSG Niefern 19 Jahre SB: 14,25 sec (1,05 m) / 13,64 sec (0,99 m) PB: 14,25 sec / 13,65 sec (2012) Jonas Christen war 2012 der schnellste deutsche Jugendliche und schaffte es bei der U20-WM bis ins Halbfinale. |
DER PECHVOGEL |
| Willi Mathiszik TV Wattenscheid 01 28 Jahre SB: 14.25 sec PB: 13,48 sec (2011) Mit einem Bandscheibenvorfall kämpfte sich der WM-Halbfinalist von 2011 durch die Saisonvorbereitung, das große Ziel Olympia immer vor Augen. Nach nur einem Rennen stand fest: Es geht nicht weiter, Willi Mathiszik muss die Saison abbrechen. |
2013 IM AUSBLICK |
Der neue Bundestrainer Jan May kann aus den Vollen schöpfen: In kaum einer Disziplin werden die Tickets zur Hallen-EM in Göteborg (Schweden) sowie zur WM in Moskau (Russland) so hart umkämpft sein wie im Hürdensprint der Männer.
Helge Schwarzer (Hamburger SV) und Marlon Odom (LAZ Zweibrücken), die trotz erfüllter Norm nicht im EM-Aufgebot standen, werden Alexander John, Matthias Bühler und Co. das Leben schwer machen. Zudem wollen sich Willi Mathiszik (TV Wattenscheid 01) und Jens Werrmann (LAZ Leipzig) nach einer Verletzungspause wieder zurück melden. Ein spannender Konkurrenzkampf, der die Athleten zu neuen Höchstleistungen anspornt, ist vorprogrammiert.
Eine internationale Medaille ist besonders Gregor Traber zuzutrauen, der ein heißer Kandidat für die U23-EM in Tampere (Finnland) ist. Begleiten könnten ihn dorthin der gleichaltrige Chemnitzer Martin Vogel oder der ein Jahr ältere Julian Marquart (Hallesche Leichtathletik-Freunde), der bereits 2011 bei der Veranstaltung einen achten Platz belegt hatte.
Die besten U20-Athleten wechseln 2013 in die Aktivenklasse. Hinter ihnen klafft eine Lücke: Kein Athlet des Jahrgangs 1994 konnte 2012 über die 99 Zentimeter hohen Jugendhürden die 14-Sekunden-Marke unterbieten. Für ein Ticket zur U20-EM in Rieti (Italien) müssen sich die Nachwuchs-Hürdensprinter steigern.
DAS SAGT DER BUNDESTRAINER |
Herr May, wie fällt Ihre Bilanz für das EM- und Olympiajahr 2012 aus
Der Hürdensprint stellt sich in seiner Breite an guten Ergebnissen mit vier Normerfüllern für die Olympischen Spiele positiv dar. Auch Athleten, die in diesem Jahr aufgrund von Verletzungen oder mangelnder Stabilität den Sprung nach London nicht geschafft haben, haben erhebliches Potenzial. Sie werden die Disziplin weiter nach vorne treiben. Hier verspreche ich mir auch für die Zukunft weitere Impulse. Die EM in Helsinki hat gezeigt, das wir international durchaus konkurrenzfähige sind, aber dennoch konsequent den gemeinsamen Weg der Zusammenarbeit brauchen, um in die absolute Weltklasse vorzustoßen.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Das kann ich gar nicht so genau sagen, denn jeder Wettkampf birgt in sich ein Highlight. Da waren die Finals bei den Deutschen Meisterschaften und den Europameisterschaften: Alle Athleten hatten eine tolle Form und die Klasse, die ein Hürdenrennen spannend macht. Der neue Weltrekord von Aries Merritt hat mir einige schlaflose Nächte beschert. Aber auch kleine Dinge – wenn zum Beispiel Athleten nach schweren Verletzungen wieder Wettkämpfe bestreiten oder im Training überraschen – waren für mich emotionale Highlights.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Die Qualität in unserem Kader und die altersmäßige Konstellation zeigen außergewöhnliche Perspektiven im olympischen Zyklus bis Rio de Janeiro 2016. Das kommende Jahr bietet uns mit der Hallen-EM und der WM interessante und motivierende Ziele auf dem Weg dahin. Auch für die jüngeren Athleten gibt es mit der U23-EM in Tampere eine tolle Möglichkeit, ihr Können zu zeigen.
Ich werde den Hürdensprint nicht neu erfinden. Idriss Gonschinska und Rüdiger Harksen haben die Disziplin in den letzten Jahren beispielhaft entwickelt und Akzente gesetzt. Als übergeordnetes Ziel sehe ich eine weitere Entwicklung und Ausprägung in der Spitze. Ich möchte Athleten, Trainer und Teampartner einladen den Mut zu haben, diesen Weg zielstrebig und mit dem zur Verfügung stehenden "Know-how" weiterzugehen. Gelingt es uns auf höchstem Niveau Leistung und Technik zu stabilisieren, haben wir das Potenzial, in den nächsten Jahren bei internationalen Finals dabei zu sein.
ZAHLEN UND FAKTEN |
Die Jahresbesten
13,34 – Matthias Bühler (LG Offenburg)
13,35 – Alexander John (LAZ Leipzig)
13,46 – Erik Balnuweit (LAZ Leipzig)
13,47 – Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen)
13,59 – Marlon Odom (LAZ Zweibrücken)
13,61 – Helge Schwarzer (Hamburger SV)
13,69 – Paul Dittmer (MTV Hanstedt)
13,79 – Rico Freimuth (Hallesche LAF)
13,92 – David Filipowski (TV Wattenscheid 01)
13,93 – Martin Vogel (LAC Erdgas Chemnitz)
Internationale Endlauf-Platzierungen 2012
OS: keine EM: 4. Platz (Alexander John; 13,38 sec) U20-WM: keine Hallen-WM: keine
Entwicklung des Spitzenniveaus
Athleten < 13,50 | Schnitt Top 10 | |
2005 | Thomas Blaschek (13,31) | 13,66 |
2006 | Thomas Blaschek (13,33) | 13,74 |
2007 | Thomas Blaschek (13,33) | 13,71 |
2008 | Thomas Blaschek (13,49) | 13,67 |
2009 | Alexander John (13,35), Matthias Bühler (13,36), Helge Schwarzer (13,39), Willi Mathiszik (13,49) | 13,53 |
2010 | Alexander John (13,47) | 13,62 |
2011 | Alexander John (13,45), Willi Mathiszik (13,48), Erik Balnuweit (13,49) | 13,66 |
2012 | Matthias Bühler (13,34), Alexander John (13,35), Erik Balnuweit (13,46), Gregor Traber (13,47) | 13,62 |
Entwicklung Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 13,31 (T. Blaschek) | 12,97 (Doucouré/FRA) | 0,34 | 12,97 (Doucouré/FRA) | 0,34 |
2006 | 13,33 (T. Blaschek) | 13,15 (Olijars/LAT) | 0,18 | 12,88 (Liu/CHN) | 0,45 |
2007 | 13,33 (T. Blaschek | 13,22 (Demydyuk/UKR) | 0,11 | 12,92 (Liu/CHN) | 0,41 |
2008 | 13,49 (T. Blaschek) | 13,22 (Doucouré/FRA) | 0,19 | 12,87 (Robles/CUB) | 0,44 |
2009 | 13,35 (A. John) | 13,30 (Turner/GBR) | 0,05 | 13,04 (Robles/CUB) | 0,31 |
2010 | 13,47 (A. John) | 13,27 (Svoboda/CZE) | 0,20 | 12,89 (Oliver/USA) | 0,58 |
2011 | 13,45 (A. John) | 13,22 (Turner/GBR) | 0,23 | 12,94 (Oliver/USA) | 0,51 |
2012 | 13,34 (M. Bühler) | 13,09 (Shubenkov/RUS) | 0,25 | 12,80 (Merritt/USA) | 0,54 |
WAS AUFFÄLLT |
- Alexander John blieb als einziger deutscher Athlet im vierten Jahr in Folge unter 13,50 Sekunden. Diese Konstanz wurde 2012 mit dem DM-Titel und Platz vier bei der EM belohnt.
- Die Topathleten haben sowohl im europäischen Raum als auch weltweit einen Schritt nach vorne gemacht. Dieser Leistungssprung blieb in Deutschland aus, sodass die Lücke zur internationalen Spitze größer wurde.
- Olympiasieger und Hallen-Weltmeister Aries Merritt stellte mit acht Zeiten unter 13 Sekunden, den sechs besten Zeiten des Jahres sowie dem neuen Weltrekord von 12,80 Sekunden die gesamte Weltelite in den Schatten.
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