leichtathletik.de-Check - Langstrecke Männer
Die von internationalen Höhepunkten gespickte Saison 2012 ist Geschichte. Acht Medaillen bei Olympia in London (Großbritannien), einer erfolgreichen EM in Helsinki (Finnland) und einer Hallen-WM in Istanbul (Türkei) als Durchgangsstation sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2012 IM RÜCKBLICK |
Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat wieder einen Vorzeigeläufer: Arne Gabius (LAV Stadtwerke Tübingen) ist im Alter von 31 Jahren in die europäische Spitze und die erweiterte Weltspitze vorgeprescht. Nachdem er jahrelang deutsche Meistertitel sammelte, international aber nie ganz mithalten konnte, stellte der angehende Arzt das Training um, suchte seinen Weg allein und setzte nochmal alles auf den Sport - mit Erfolg.
Unterm Hallendach begann die Leistungsexplosion mit 7:38,13 Minuten über 3.000 Meter und Platz acht bei der Hallen-WM. Draußen ging es genauso weiter: Bestzeit über 5.000 Meter (13:13,43 min) und EM-Silber. Einziger Wermutstropfen war, dass Arne Gabius im Olympia-Vorlauf nicht mit der Spitzengruppe mithalten konnte und den Endlauf verfehlte.
Dahinter war es Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg), der nach vielen Verletzungsproblemen endlich zeigen konnte, was er drauf hat und nicht nur auf der Straße wie auf der Bahn Deutscher Meister über 10.000 Meter wurde, sondern es über 5.000 Meter auch zur EM schaffte.
Im Marathon wurde es nichts mit dem Unternehmen Olympia. Wieder einmal konnten die deutschen Läufer ihre Hoffnungen auf dieser Strecke nicht in die Tat umsetzen. Jan Fitschen (TV Wattenscheid 01) sorgte mit seiner Zeit in Berlin (2:13:10 h) im Herbst für einen Lichtblick.
UNSERE TOP DREI |
| Arne Gabius LAV Stadtwerke Tübingen; 5.000 Meter 31 Jahre SB: 13:13,43 min PB: 13:13,43 min (2012) DM: 1. Platz | EM: 2. Platz DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Jahresbestenliste: 4. Platz Welt-Jahresbestenliste: 44. Platz |
| Philipp Pflieger LG Telis Finanz Regensburg; 5.000 Meter 25 Jahre SB: 13:31,24 min PB: 13:31,24 min (2012) DM: 1. Platz (10.000 Meter) DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Jahresbestenliste: 24. Platz Welt-Jahresbestenliste: 154. Platz |
| Jan Fitschen TV Wattenscheid 01; Marathon 35 Jahre SB: 2:13:10 h PB: 2:13:10 h (2012) DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Jahresbestenliste: 26. Platz Welt-Jahresbestenliste: 361. Platz |
UNSER HOFFNUNGSTRÄGER |
| Nico Sonnenberg LG Eintracht Frankfurt; 5.000 Meter 21 Jahre SB: 13:55,65 min PB: 13:55,65 min (2012) Nach einer Auszeit hat der Frankfurter zum Laufen zurückgefunden und ist so stark wie nie zuvor. Weitere Steigerungen nicht ausgeshlossen. |
DER PECHVOGEL |
| André Pollmächer Rhein-Marathon Düsseldorf; Marathon 29 Jahre SB: - PB: 2:13:09 h Das Jahr begann mit einer Hiobsbotschaft: Im Trainingslager in Portugal hatte André Pollmächter einen leichten Schlaganfall erlitten. Einen Start in Düsseldorf musste er absagen - der Traum von Olympia war geplatzt. Ein Längsriss der Achillessehne verhinderte einen EM-Start und einen Herbst-Marathon. |
2013 IM AUSBLICK |
Für die Erfüllung des Traums vom Olympia-Finale hat es für Arne Gabius nicht gerreicht. Aber ein WM-Finale wäre doch auch nicht schlecht? Mit seinen Zeiten und der gezielten Vorbereitung hat der Tübinger schon bewiesen, dass er dafür gut ist. Ins Training für die kommende Saison ist der 31-Jährige schon wieder mit Elan eingestiegen. Vielleicht geht es ja sogar noch ein bisschen schneller im nächsten Jahr - in Richtung der Zeiten seines ehemaligen Trainers, fast Nachbarn und immer noch guten Freundes Dieter Baumann.
Ein weiterer Schritt nach vorne ist auch Philipp Pflieger zuzutrauen. Er konnte 2012 erstmals eine Saison auf hohem Niveau durchziehen und wird von den schnellen Rennen und der gewonnenen Erfahrung im nächsten Jahr profitieren. Beste Voraussetzungen für neue Bestzeiten - immer vorausgesetzt der 25-Jährige kommt verletzungsfrei durch den Winter.
Ähnliches gilt auch für den Nachwuchs, der bei der U23-EM die Möglichkeit bekommen wird, sich zu profilieren.
Im Marathon bleibt die Hoffnung, dass die Ansätze aus diesem Jahr weitergeführt werden können. Jan Fitschen hat lange gebraucht, um mit der 42,195 Kilometer langen Strecke zurecht zu kommen, auf einen weiteren Schritt nach vorne ist zu hoffen. Marathon-Neulinge wie Jan Simon Hamann (USC Bochum) und Robert Krebs (SCC Berlin) könnten sich ebenfalls weiter nach vorne tasten.
DAS SAGT DER BUNDESTRAINER |
Tono Kirschbaum wird sich im nächsten Jahr ausschließlich um die Athleten des TV Wattenscheid kümmern (Foto: Zarges) Herr Kirschbaum, wie fällt Ihre Bilanz für das EM- und Olympiajahr 2012 aus?
Tono Kirschbaum:
Nur in Teilbereichen der Langstreckendisziplinen konnten die deutschen Läufer international ihre Konkurrenzfähigkeit unter Beweis stellen. Dabei waren es 2012 auf den Strecken von 5.000 Meter bis Marathon immer nur einzelne Personen, die in der Welt- oder zumindest europäischen Spitze mithalten konnten.
2012 hat Arne Gabius eine rasante, explosionsartige Entwicklung vollzogen. Diese fand mit dem Gewinn der Silbermedaille ihren Höhepunkt. Bei den Olympischen Spielen konnte er leider an diese Leistung nicht anknüpfen. Daneben gab es aber auch noch eine Reihe weiterer Leistungssteigerungen unter anderem von Philipp Pflieger, Rico Loy und Richard Ringer, die für die Zukunft hoffen lassen.
Über 10.000 Meter ist leider kein Entwicklungsschritt erkennbar. So konnte sich kein Läufer für die EM qualifizieren. Die Leistungsentwicklung von Phillip Pflieger sowie die Rückkehr von Musa Roba-Kinkal lassen allerdings hoffen, dass der Anschluss an das europäische Niveau gefunden wird.
Im Marathon ist der Abstand zur Weltspitze unverändert groß. Allerdings konnte durch das Ergebnis von Jan Fitschen beim Berlin-Marathon ein wichtiger Schritt in Richtung europäische Spitze erbracht werden. Erfreulich ist auch die Leistung von Sören Kah, der das Potential zu einer weiteren Leistungssteigerung besitzt. Zusammen mit Robert Krebs haben diese drei Läufer immerhin schon die Nominierungskriterien für einen Start beim Weltcup 2013 erfüllt.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Tono Kirschbaum:
Der Gewinn der Silbermedaille von Arne Gabius bei der EM über 5.000 Meter war sicherlich das bemerkenswerteste Ergebnis der Saison 2012. Noch vor einem Jahr hätte man nicht daran geglaubt und eine Medaille für unmöglich gehalten.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Tono Kirschbaum:
Insgesamt verfügt die deutsche Langstreckenszene nur über eine dünne Leistungsspitze. Allerdings gibt es eine Reihe talentierter Nachwuchsathleten, die in den nächsten beiden Jahren den Anschluss an das europäische Niveau schaffen können. Zusammen mit dem IAT in Leipzig ist ein klares trainingsmethodisches Konzept ausgearbeitet worden, um den Abstand zum internationalen Topbereich zu schließen. Dabei wird es entscheidend sein, inwieweit Athleten und Heimtrainer bereit sind, gemeinsam den Weg zu gehen, um die internationale Konkurrenzfähigkeit zu entwickeln. Diese Läufer gilt es optimal zu fördern.
ZAHLEN UND FAKTEN |
Die Jahresbesten5.000 m:13:13,43 - Arne Gabius (LAV Stadtwerke Tübingen)
13:31,24 - Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg)
13:40,03 - Rico Loy (LG Baden. Nordschwarzwald)
13:43,07 - Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen)
13:43,50 - Tufa Alemu Tirfesa (LG Hof)
13:55,65 - Nico Sonnenberg (LG Eintracht Frankfurt)
14:00,97 - André Pollmächer (rhein-marathon Düsseldorf)
14:05,81 - Rico Schwarz (ASV Erfurt)
14:08,72 - Sven Praetorius (ASV Erfurt)
14:09,12 - Tobias Gröbl (LG Zusam)
10.000 m:
28:45,76 - Philipp Pflieger (LG Telis Finanz Regensburg)
28:59,67 - Hagen Brosius (SCC Berlin)
29:18,25 - Fabian Clarkson (SCB Berlin)
29:22,85 - Christian Glatting (TV Wattenscheid)
29:47,78 - Vitaliy Rybak (ART Düsseldorf)
29:50,45 - Sebastian Hallmann (LG Stadtwerke München)
29:52,31 - Tim-Arne Sidenstein (SG Wenden)
29:54,35 - Timo Göhler (LAV Stadtwerke Tübingen)
29:55,44 - Sebastian Reinwand (LG Telis Finanz Regensburg)
29:57,60 - Jan Simon Hamann (USC Bochum)
Marathon:
2:13:10 - Jan Fitschen (TV Wattenscheid)
2:14:25 - Sören Kah (LG Lahn/Aar/Esterau)
2:16:38 - Robert Krebs (SCC Berlin)
2:17:18 - Marian Blazinski (SG Schramberg)
2:18:52 - Falk Cierpinski (SG Spergau)
2:19:36 - Markus Weiß-Latzko (LAV Stadtwerke Tübingen)
2:19:46 - Jan Simon Hamann (USC Bochum)
2:20:59 - Uli Steidl (SSC Hanau-Rodenbach)
2:21:57 - Sven Weyer (SG Spergau)
2:22:22 - Benedikt Hoffmann (PTSV Jahn Freiburg)
Internationale Endkampf-Platzierungen 2012
Olympia: Keine
EM: 2. Platz Arne Gabius (5.000 Meter: 13:31,83 min)
U20-WM: keine
Hallen-WM: 8. Platz Arne Gabius (3.000 Meter: 7:45,01 min)
Entwicklung des Spitzenniveaus (5.000 m)
Athleten < 13:30,00 min | Schnitt Top 10 | |
2005 | Jan Fitschen (13:29,37) | 13:51,84 |
2006 | Jan Fitschen (13:27,48) | 13:50,71 |
2007 | Jan Fitschen (13:14,85), Arne Gabius (13:27,48) | 13:53,90 |
2008 | Arne Gabius (13:26,69) | 13:56,52 |
2009 | Arne Gabius (13:28,45) | 13:59,29 |
2010 | Keiner | 13:56,23 |
2011 | Keiner | 13:55,34 |
2012 | Arne Gabius (13:13,43) | 13:49,15 |
Entwicklung des Spitzenniveaus (10.000 m)
Athleten <28:30 min | Schnitt Top 10 | |
2005 | Keiner | 29:49,62 |
2006 | Jan Fitschen (28:10,94); André Pollmächer (28:22,56) | 29:34,00 |
2007 | André Pollmächer (27:55,56) | 29:37,34 |
2008 | Jan Fitschen (28:02,55) | 29:37,17 |
2009 | Keiner | 29:55,04 |
2010 | Keiner | 29:11,04 |
2011 | Keiner | 29:46,11 |
2012 | Keiner | 29:34,45 |
Athleten <2:14 h | Schnitt Top 10 | |
2005 | Keiner | 2:24:33 |
2006 | Keiner | 2:21:43 |
2007 | Keiner | 2:19:44 |
2008 | Falk Cierpinski (2:13:30) | 2:17:48 |
2009 | André Pollmächer (2:13:09), Martin Beckmann (2:13:42) | 2:17:52 |
2010 | Keiner | 2:22:06 |
2011 | Keiner | 2:19:37 |
2012 | Jan Fitschen (2:13:10) | 2:18:12 |
Entwicklung Jahresbestleistungen 5.000 m
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 13:29,37 (J. Fitschen) | 13:07,63 (Bakken/NOR) | 21,74 | 12:40,18 (Bekele/ETH) | 49,19 |
2006 | 13:27,48 (J. Fitschen) | 13:08,97 (Cragg/IRL) | 18,51 | 12:48,09 (Bekele/ETH) | 39,39 |
2007 | 13:14,85 (J. Fitschen) | 13:07,00 (Farah/GBR) | 7,85 | 12:49,53 (Bekele/ETH) | 25,32 |
2008 | 13:26,69 (A. Gabius) | 13:04,06 (Rizki/BEL) | 22,63 | 12:50,18 (Bekele/ETH) | 36,51 |
2009 | 13:28,45 (A. Gabius) | 13:09,14 (Farah/GBR) | 19,31 | 12:52,32 (Bekele/ETH) | 36,13 |
2010 | 13:31,86 (A. Gabius) | 12:57,25 (Bezabeh/ESP) | 34,61 | 12:51,21 (Kipchoge/KEN) | 40,65 |
2011 | 13:32,08 (A. Gabius) | 12:53,11 (Farah/GBR) | 38,97 | 12:53,11 (Farah/GBR) | 38,97 |
2012 | 13:13,43 (A. Gabius) | 12:56,98 (Farah/GBR) | 16,45 | 12:46,81 (D. Gebremeskel/ETH) | 26,62 |
Entwicklung Jahresbestleistungen 10.000 m
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 29:10,54 (A. Pollmächer) | 27:42,90 (Martinez/ESP) | 1:27,64 | 26:17,53 (Bekele/ETH) | 2:53,01 |
2006 | 28:10,54 (J. Fitschen) | 27:50,11 (De la Ossa/ESP) | 20,43 | 26:35,63 (Kogo/KEN) | 1:34,91 |
2007 | 27:55,56 (A. Pollmächer) | 27:39,55 (Cragg/IRL) | 16,01 | 26:46,19 (Bekele/ETH) | 1:09,37 |
2008 | 28:02,55 (J. Fitschen) | 27:29,33 (Bayrak/TUR) | 33,22 | 26:25,97 (Bekele/ETH) | 1:36,58 |
2009 | 29:40,06 (F. Ghirmai) | 27:48,80 (Castillejo/ESP) | 1:51,26 | 26:46,31 (Bekele/ETH) | 2:53,25 |
2010 | 28:32,20 (J. Fitschen) | 27:28,86 (Farah/GBR) | 1:03,34 | 26:56,74 (Menjo/KEN) | 1:35,45 |
2011 | 28:39,57 (A. Pollmächer) | 27:46,57 (Farah/GBR) | 1:53,00 | 26:43,16 (Bekele/ETH) | 1:56,41 |
2012 | 28:45,76 (P. Pflieger) | 27:30,42 (Farah/GBR) | 1:15,34 | 26:51,16 (E. Bett / KEN) | 1:54,60 |
Entwicklung Jahresbestleistungen Marathon
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 2:18:43 (U. Steidl) | 2:07:38 (Rey/ESP) | 11:05 | 2:06:20 (Gebrselassie/ETH) | 12:23 |
2006 | 2:16:02 (U. Steidl) | 2:06:52 (Rey/ESP) | 9:10 | 2:05:56 (Gebrselassie/ETH) | 10:06 |
2007 | 2:15:22 (M. Beckmann) | 2:07:33 (Kuzin/UKR) | 7:49 | 2:04:26 (Gebrselassie/ETH) | 10:56 |
2008 | 2:13:30 (F. Cierpinski) | 2:07:33 (Röthlin/SUI) | 5:57 | 2:03:59 (Gebrselassie/ETH) | 9:31 |
2009 | 2:13:09 (A. Pollmächer) | 2:09:53 (Pertile/ITA) | 3:16 | 2:04,27 (Kibet/KEN) | 9:42 |
2010 | 2:17:18 (F. Cierpinski) | 2:08:32 (Musinschi/MDA) | 8:46 | 2:04:48 (Makau/KEN) | 12:30 |
2011 | 2:15:40 (J. Fitschen) | 2:09:26 (Sitkovskyy/UKR) | 6:14 | 2:03:38 (Makau/KEN) | 12:02 |
2012 | 2:13:10 (J. Fitschen) | 2:07:30 (P. Tambwé/FRA) | 5:40 | 2:04:16 (G. Mutai/KEN) | 8:54 |
WAS AUFFÄLLT |
- Im Olympia-Jahr ist der 10er Schnitt auf allen drei Langstrecken im Vergleich zum Vorjahr gedrückt worden. Besonders über 5.000 Meter konnte der beste Schnitt der letzten Jahren erreicht werden
- Mit Arne Gabius ist wieder ein Läufer in die internationale Spitze vorgedrungen
- International hat Äthiopien im Marathon wieder zu Kenia aufgeschlossen. Im letzten Jahr kamen die schnellsten 20 Läufer aus Kenia, in diesem Jahr haben sich darunter wieder 12 Äthopier gemischt