leichtathletik.de-Check - Speerwurf Männer
Die von internationalen Höhepunkten gespickte Saison 2012 ist Geschichte. Acht Medaillen bei Olympia in London (Großbritannien), einer erfolgreichen EM in Helsinki (Finnland) und einer Hallen-WM in Istanbul (Türkei) als Durchgangsstation sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2012 IM RÜCKBLICK |
Im letzten Jahr in dieser Analyse noch als Pechvogel gelistet, schwang sich der Leipziger Tino Häber zu dem Speerwerfer auf, der die deutschen Farben jetzt so gut es ging hoch hielt. Bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) schaffte er es in den Endkampf und wurde Achter, bei der EM in Helsinki (Finnland) kam er als bester Deutscher auf Rang neun. Mit 82,10 Metern führt der 30-Jährige die deutsche Jahresbestenliste an.
Deutscher Meister wurde aber ein anderer. Thomas Röhler nutzte in Wattenscheid die Gunst der Stunde. 78,58 Meter reichten dem Jenaer zum Titelgewinn. Bei der EM sammelte der 21-Jährige nach dieser faustdicken Überraschung internationale Erfahrung. Mit seiner neuen Bestweite (80,79 m) stieß er in den Club der 80-Meter-Werfer vor, in der deutschen Jahresbestenliste liegen aber noch vier Athleten vor ihm.
Drei andere Speerwerfer waren in diesem Jahr nicht vom Glück verfolgt. Weltmeister Matthias de Zordo (SV schlau.com Saar 05) blieben nach einer Kapselverletzung am Wurfarm und der dadurch bedingten ungenügenden Vorbereitung nur drei ungültige Versuche bei Olympia.
Der Rostocker Mark Frank ging hoffnungsfroh in den Sommer, dann bremste den Routinier aber eine Verletzungsmisere aus. Nach dem Quali-Aus bei der EM war die Saison praktisch gelaufen. Bereits im Mai musste U23-Europameister Till Wöschler (LAZ Zweibrücken) wegen einer Ellenbogenverletzung seine Hoffnungen auf eine EM- und Olympiateilnahme begraben.
UNSERE TOP DREI |
| Tino Häber LAZ Leipzig 30 Jahre SB: 82,10 m PB: 83,46 m (2009) DM: 2. Platz | EM: 9. Platz Olympia: 8. Platz DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Jahresbestenliste: 23. Platz Welt-Jahresbestenliste: 33. Platz |
| Matthias de Zordo SV schlau.com Saar 05 24 Jahre SB: 81,62 m PB: 88,36 m (2011) DM: DNS | Olympia: NM (Quali) DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Jahresbestenliste: 28. Platz Welt-Jahresbestenliste: 43. Platz |
| Mark Frank 1. LAV Rostock 35 Jahre SB: 81,50 m PB: 84,88 m (2005) DM: 4. Platz | EM: 16. Platz (Quali) DLV-Jahresbestenliste: 3. Platz Europa-Jahresbestenliste: 29. Platz Welt-Jahresbestenliste: 44. Platz |
DER HOFFNUNGSTRÄGER |
| Bernhard Seifert TuS Jena 19 Jahre SB: 75,84 m | PB: 78,55 m (2011) Als Vierter schrammte Bernhard Seifert bei der U20-WM nur knapp an einer Medaille vorbei. Als Deutscher U20-Meister und Dritter der U23-DM setzte er auch national Akzente. |
DER PECHVOGEL |
| Till Wöschler LAZ Zweibrücken 21 Jahre SB: 79,41 m PB: 84,38 m (2011) Der U23-Europameister wurde schon im Mai aus der Bahn geworfen. Nach einer neuerlichen Ellenbogen-Verletzung war für Till Wöschler die EM- und Olympiasaison sehr früh beendet. |
2013 IM AUSBLICK |
Weltmeister Matthias de Zordo geht mit dem Wechsel zum SC Magdeburg und damit in ein neues Umfeld die Mission Titelverteidigung an. Wenn er wieder topfit zurückkehrt, gehört er zur Weltelite und hat aufgrund seiner ausgesprochenen Wettkampfqualitäten auch immer die Aussicht auf eine vordere Platzierung.
Durch seine Wild Card könnten noch drei weitere Startplätze für die WM in Moskau (Russland) vergeben werden. Auch hier wird gerade nach den jüngsten Erfahrungen zunächst einmal die Gesundheit die Antwort geben müssen. Zumindest an Kandidaten mangelt es nicht, nachdem fünf Athleten in diesem Jahr die 80 Meter übertroffen haben und dahinter mit Till Wöschler noch der U23-Europameister steht.
Überhaupt muss man die Zukunft nicht schwarz malen, wenn die jüngeren Speerwerfer ihre Entwicklung fortführen können. Von den ersten Zehn der aktuellen deutschen Bestenliste sind vier noch U23-Athleten. Für sie ruft die Europameisterschaft in Tampere (Finnland) als nächste Station. Till Wöschler wäre dort seinerseits Titelverteidiger. Ein Fragezeichen steht nach einer Ellenbogen-Operation hinter dem Mannheimer Andreas Hofmann.
DAS SAGT DER BUNDESTRAINER |
Boris Henry, wie fällt Ihre Bilanz für das EM- und Olympiajahr 2012 aus?
Boris Henry:
Die Bilanz ist ein bisschen durchwachsen. Wir hatten leider zu viele Verletzungen in diesem Jahr. Es waren mit Matthias de Zordo, Mark Frank und Till Wöschler gleich drei meiner Kandidaten für die EM und Olympia davon betroffen. Tino Häber ist durchgekommen, konnte aber nicht zu hundert Prozent sein Vermögen abrufen. Der achte Platz bei Olympia ist für ihn aber ein toller Erfolg. Es war aber sehr schade, dass wir bei unserem Potenzial nur einen fitten Starter und mit Matthias de Zordo einen zwischenzeitlich Verletzten nach London bringen konnten. So leicht wie in diesem Jahr wird es wahrscheinlich nie mehr werden, eine Medaille zu gewinnen. Neben Tino Häber und Mark Frank war mit Thomas Röhler ein U23-Athlet bei der EM dabei. Er hat sich gut verkauft, aber auch Pech gehabt. Mit zwei Zentimetern mehr wäre er im Finale gewesen.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Boris Henry:
Mein ganz persönliches Highlight war, dass meine Freundin (Anm. Christina Obergföll) Silber geholt hat. Da ist uns allen ein Riesenstein vom Herzen gefallen. In meinem Disziplinbereich freue ich mich vor allem darüber, dass sich der Speerwurfkader in diesem Jahr insgesamt nach vorne entwickelt hat. Bis auf die Verletzten haben sich alle weiterentwickelt. Ich sehe, dass meine Arbeit Früchte trägt. Als ich vor vier Jahren angefangen hatte, war der Speerwurf am Boden. Jetzt haben wir wieder fünf, sechs Werfer, die über 80 Meter liegen. Das macht mich stolz und ich blicke positiv in die Zukunft.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Boris Henry:
Im nächsten Jahr haben wir die einmalige Chance mit vier Leuten nach Moskau zu reisen. Es ist immer mein Ziel, mit der maximalen Zahl an Athleten zum Höhepunkt zu fahren. Das ist mir bislang noch nicht gelungen, aber das wäre das Ziel für das nächste Jahr. Wenn das klappt, würde ich gerne zwei oder drei Athleten ins Finale bringen. Arbeiten müssen wir in den nächsten Jahren vor allem an der Gesundheitsprophylaxe, nachdem durch die besondere Belastung im Speerwurf öfter Verletzungen im Schulter- und Armbereich auftreten können. Für 2016 ist es das Ziel, dass bei den Olympischen Spielen in Rio eine starke Truppe aufläuft und wir bei den Männern wie bereits jetzt bei den Frauen wieder eine Macht sind.
ZAHLEN UND FAKTEN |
82,10 - Häber, Tino (LAZ Leipzig)
81,62 - De Zordo, Matthias (SV schlau.com Saar 05)
81,50 - Frank, Mark (1. LAV Rostock)
80,81 - Hofmann, Andreas (MTG Mannheim)
80,79 - Röhler, Thomas (LC Jena)
79,55 - Hamann, Lars (Dresdner SC 1898)
79,41 - Wöschler, Till (LAZ Zweibrücken)
78,53 - Lange, Björn (SC Magdeburg)
77,33 - Golling, David (LC Cottbus)
75,84 - Seifert, Bernhard (LC Jena)
Internationale Endkampf-Platzierungen 2012 (Top 8)
Olympia: 8. Platz (Tino Häber; 81,21 m)
EM: keine
U20-WM: 4. Platz (Bernhard Seifert; 75,84 m)
Entwicklung des Spitzenniveaus
Athleten > 82,00 m | Schnitt Top 10 | |
2005 | Mark Frank (84,88), Christian Nicolay (83,20), Stefan Wenk (83,07) | 79,71 |
2006 | Peter Esenwein (85,30), Stefan Wenk (83,94), Christian Nicolay (83,72) | 79,48 |
2007 | Peter Esenwein (82,78), Stephan Steding (82,46), Mark Frank (82,23) | 80,05 |
2008 | Stephan Steding (83,50), Alexander Vieweg (83,27), Peter Esenwein (82,72), Matthias de Zordo (82,51) | 79,90 |
2009 | Mark Frank (83,86), Tino Häber (83,46) | 79,67 |
2010 | Matthias de Zordo (87,81), Till Wöschler (82,52) | 79,02 |
2011 | Matthias de Zordo (88,36), Till Wöschler (84,48), Mark Frank (82,54) | 79,94 |
2012 | Tino Häber (82,10) | 79,75 |
Entwicklung Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 84,88 (Frank) | 91,53 (Pitkämäki/FIN) | 6,65 | 91,53 (Pitkämäki/FIN) | 6,65 |
2006 | 85,30 (Esenwein) | 91,59 (Thorkildsen/NOR) | 6,29 | 91,59 (Thorkildsen/NOR) | 6,29 |
2007 | 82,78 (Esenwein) | 91,23 (Pitkämäki/FIN) | 8,45 | 91,29 (Greer/USA) | 8,51 |
2008 | 83,50 (Steding) | 90,57 (Thorkildsen/NOR) | 7,07 | 90,57 (Thorkildsen/NOR) | 7,07 |
2009 | 83,86 (Frank) | 91,28 (Thorkildsen/NOR) | 7,42 | 91,28 (Thorkildsen/NOR) | 7,42 |
2010 | 87,81 (M. de Zordo) | 90,37 (Thorkildsen/NOR) | 2,56 | 90,37 (Thorkildsen/NOR) | 2,56 |
2011 | 88,36 (M. de Zordo) | 90,61 (Thorkildsen/NOR) | 2,25 | 90,61 (Thorkildsen/NOR) | 2,25 |
2012 | 82,10 (T. Häber) | 88,34 (Vesely/CZE) | 6,24 | 88,34 (Vesely/CZE) | 6,24 |