leichtathletik.de-Check - Stabhoch Männer
Die von internationalen Höhepunkten gespickte Saison 2012 ist Geschichte. Acht Medaillen bei Olympia in London (Großbritannien), einer erfolgreichen EM in Helsinki (Finnland) und einer Hallen-WM in Istanbul (Türkei) als Durchgangsstation sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2012 IM RÜCKBLICK |
Es war ein Jahr der Superlative für die deutschen Männer im Stabhochsprung - oft waren sie in der Vergangenheit bei großen Meisterschaften zu den Medaillenkandidaten gezählt worden und gingen dann doch - gerade im Freien - meist leer aus. Dieses Jahr war es ganz anders: Bei den drei Jahreshöhepunkten sahnten sie fünf Medaillen ab.
Allein dreimal Silber - bei Hallen-WM, EM und Olympia ging auf das Konto von Björn Otto (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen), der schon mit dem Gedanken gespielt hatte, den Stab bei Seite zu legen und sich hinters Steuer eines Flugzeugs zu setzen. Stattdessen startete er sportlich noch einmal durch und krönte sein Super-Jahr mit dem deutschen Rekord (6,01 m) in Aachen, nachdem er in seiner Karriere zwischenzeitlich von vielen Verletzungen gebeutelt war.
Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) hatte trotz Bestleistung bei der Hallen-DM in einem packenden Wettkampf das Ticket zur Hallen-WM verpasst. Im Sommer war er wieder pünklich zur DM fit, als es um die Qualifikation für EM und Olympia ging. Platz zwei mit Norm reichte, um für die Jahreshöhepunkte zu buchen. Die Bronzemedaille bei der EM zwei Wochen später war schon etwas überraschend. Auf den Punkt topfit war der U20-Weltrekordler bei Olympia, als er den Franzosen Renaud Lavillenie gemeinsam mit Björn Otto an den Rande einer Niederlage brachte und sich mit Bestleistung wieder Bronze sicherte.
Unglücklich bei den internationalen Höhepunkten verlief die Saison für Malte Mohr (TV Wattenscheid 01), der immer wieder angeschlagen war. Nach jeweils Platz vier bei Hallen-WM und EM sollte es bei Olympia endlich mit einer Medaille klappen - aber diese Mission ging nach hinten los und endete mit Rang neun.
Karsten Dilla (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) konnte seine verbesserten Zubringerleistungen noch nicht zu einer neuen Bestleistung nutzen, steht aber an der Schwelle zur absoluten Weltspitze. Dort waren auch Fabian Schulze (LG Stadtwerke München) und Alexander Straub (LG Filstal) schonmal. Verletzungen verhinderten aber, dass sie an diese Leistungen anknüpfen konnten.
UNSERE TOP DREI |
| Björn Otto LAV Bayer Uerdingen/Dormagen 35 Jahre SB: 6,01 m PB: 6,01 m (2012) DM: 4. Platz | Hallen-WM: 2. Platz Olympia und EM: 2. Platz DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Bestenliste: 1. Platz Welt-Jahresbestenliste: 1. Platz |
| Raphael Holzdeppe LAZ Zweibrücken 23 Jahre SB: 5,91 m PB: 5,91 m (2012) DM: 2. Platz | Olympia/EM: 3. Platz DLV-Jahresbestenliste: 3. Platz Europa-Bestenliste: 4. Platz Welt-Jahresbestenliste: 4. Platz |
| Malte Mohr TV Wattenscheid 01 26 Jahre SB: 5,91 m PB: 5,91 m (2012) DM: 1. Platz | Hallen-WM/EM: 4. Platz DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Bestenliste: 3. Platz Welt-Jahresbestenliste: 3. Platz |
DER HOFFNUNGSTRÄGER |
| Jonas Efferoth TSV Bayer 04 Leverkusen 19 Jahre SB: 5,25 m PB: 5,31 m (2011) Auch wenn es in diesem Sommer nicht zu einer neuen Bestleistung gereicht hat, Jonas Efferoth gehört zu den Hoffnungsträgern, von denen es im DLV noch mehr gibt. Bei der U20-WM erreichte er Rang neun. |
DER PECHVOGEL |
| Fabian Schulze LG Stadtwerke München 28 Jahre SB: - PB: 5,81 m (2006) Die Achillessehne machte es Fabian Schulze unmöglich, an frühere Leistungen heranzukommen. Statt um Olympia-Tickets zu springen, musste er unters Messer. |
2013 IM AUSBLICK |
Selten bleiben keine Wünsche offen. Doch bei den Stabhochspringern trifft das für das zurückliegende Jahr zu. Da bleibt nur der Wunsch, dass es im kommenden Jahr so weiter geht. Bei Deutschen Meisterschaften, aber auch den internationalen Höhepunkten war der Stabhochsprung der Männer 2012 immer ein Highlight - Hochklasse und Spannung garantiert, internationale Medaillen für den DLV inklusive. So kann es weitergehen.
Malte Mohr, der die Jahre zuvor national dominiert hatte, braucht den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Dass er genauso das Potential hat, international auf dem Treppchen zu stehen, hat er oft genug bewiesen. Die starke nationale Konkurrenz sollte ihm Motivation geben, weiter dafür zu arbeiten.
Der Kampf um die WM-Tickets könnte sich jenseits der Norm abspielen. Neben Karsten Dilla können auch Fabian Schulze, Alexander Straub, Hendrik Gruber und Tobias Scherbath (beide TSV Bayer 04 Leverkusen) zu den Top drei vorstoßen.
DAS SAGT DER BUNDESTRAINER |
Wie fällt Ihre Bilanz für das EM- und Olympiajahr 2012 aus?
Jörn Elberding:
Es war das erfolgreichste Jahr, das der deutsche Stabhochsprung jemals gesehen hat. Soviele Medaillen bei den großen Meisterschaften drinnen und draußen, dazu der deutsche Rekord, das gab es noch nie.
Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?
Jörn Elberding:
Müsste ich mich für eins entscheiden, wären es die Olympischen Spiele. Für Björn Otto war der Olympiasieg zum Greifen nahe. Die Silbermedaille war ein phänomenaler Erfolg, auch im Angesicht der Vorgeschichte mit Jahren mit Verletzungsproblemen.
Raphael Holzdeppe hat in London endlich das umgesetzt, was den deutschen Stabhochspringern sehr lange verwehrt geblieben ist: Er hat seine Bestleistung im absolut entscheidenden Moment gesteigert und das zweimal in einem Wettkampf. Dafür muss alles zusammenpassen.
Der deutsche Rekord war allerdings auch sehr emotional und auch der Wettkampf bei den Europameisterschaften war packend: Im Publikum haben wir zwischen Deutschen und Franzosen nicht mehr unterschieden. Alle haben sich gefreut, dass es immer noch weiterging.
Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?
Jörn Elberding:
Vorne versuchen wir, das Niveau zu halten und in Nuancen auch noch zu verbessern. Was mir fehlt, ist der Anschluss an die großen Drei Otto-Holzdeppe-Mohr. Wir müssen sehen, dass wir zwei, drei weitere Springer in die Region um 5,80 Meter bringen. Das wäre traumhaft. Unmöglich ist das nicht. Karsten Dilla und Hendrik Gruber klopfen an die Tür. Auch die zuletzt verletzten Fabian Schulze, Alexander Straub und Tobias Scherbarth haben die Möglichkeit, in diese Region zu springen. Noch ein Wunsch ist, dass die Athleten aus dem Junior-Elite Team den Anschluss an die Spitze im Erwachsenenbereich schaffen.
ZAHLEN UND FAKTEN |
6,01 - Otto, Björn (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen)
5,91 - Mohr, Malte (TV Wattenscheid)
5,91 - Holzdeppe, Raphael (LAZ Zweibrücken)
5,72 - Dilla, Karsten (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen)
5,61 - Scherbarth, Tobias (TSV Bayer Leverkusen)
5,56 - Konrad, Tom (Schweriner SC)
5,55 - Gruber, Hendrik (TSV Bayer Leverkusen)
5,52 - Reitze, Marvin (TSV Bayer Leverkusen)
5,52 - Frauen, Michel (TSV Bayer Leverkusen)
5,51 - Straub, Alexander (LG Filstal)
Internationale Endkampf-Platzierungen 2012 Olympia: 2. Björn Otto (5,91 m); 3. Raphael Holzdeppe (5,91 m)
EM: 2. Björn Otto (5,92 m); 3. Raphael Holzdeppe (5,77 m); 4. Malte Mohr (5,77 m)
U20-WM: Keine
Hallen-WM: 2. Björn Otto (5,80 m); 4. Malte Mohr (5,75 m)
Entwicklung des Spitzenniveaus
Athleten > 5,80 m | Schnitt Top 10 | |
2005 | Tim Lobinger (5,93 m), Björn Otto (5,80 m) | 5,66 m |
2006 | Tim Lobinger (5,90 m), Danny Ecker (5,86 m), Björn Otto (5,85 m), Fabian Schulze (5,81 m), Lars Börgeling (5,80 m) | 5,73 m |
2007 | Björn Otto (5,90 m), Danny Ecker (5,87 m), Tim Lobinger (5,83 m) | 5,68 m |
2008 | Alexander Straub (5,81 m), Raphael Holzdeppe (5,80 m) | 5,73 m |
2009 | Alexander Straub (5,81 m), Malte Mohr (5,80 m) | 5,70 m |
2010 | Malte Mohr (5,90 m), Raphael Holzdeppe (5,80 m) | 5,66 m |
2011 | Malte Mohr (5,85 m) | 5,65 m |
2012 | Björn Otto (6,01 m), Malte Mohr (5,91 m), Raphael Holzdeppe (5,91 m) | 5,68 m |
Entwicklung Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 5,93 (T. Lobinger) | 5,93 (T. Lobinger) | 0,00 | 6,00 (Burgess/AUS) | 0,07 |
2006 | 5,90 (T. Lobinger) | 5,90 (T. Lobinger) | 0,00 | 6,00 (Walker/USA) | 0,10 |
2007 | 5,90 (B. Otto) | 5,90 (B. Otto) | 0,00 | 5,95 (Walker/USA) | 0,05 |
2008 | 5,81 (A. Straub) | 6,01 (Lukyanenko/RUS) | 0,20 | 6,04 (Hooker/AUS) | 0,23 |
2009 | 5,81 (A. Straub) | 6,01 (Lavillenie/FRA) | 0,20 | 6,01 (Lavillenie/FRA) | 0,20 |
2010 | 5,90 (M. Mohr) | 5,94 (Lavillenie/FRA) | 0,04 | 5,95 (Hooker/AUS) | 0,05 |
2011 | 5,85 (M. Mohr) | 5,90 (Lavillenie/FRA) | 0,05 | 5,90 (Lavillenie/FRA) | 0,05 |
2012 | 6,01 (B. Otto) | 6,01 (B. Otto) | 0,00 | 6,01 (B. Otto) | 0,00 |
WAS AUFFÄLLT |
- In der Spitze waren die deutschen Stabhochspringer noch nie so stark
- In der Breite gab es keinen Schub - trotz der besten Leistung der Top 3 ist der Zehnerschnitt ähnlich wie in den Jahren zuvor
- Bei EM und Olympia standen jeweils die selben Athleten auf dem Treppchen
- Unter die besten Zehn der Welt haben es neun Europäer geschafft