leichtathletik.de-Check - Stabhochsprung Männer
Die Saison 2010 mit einer erfolgreichen EM ist Geschichte. Den guten Leistungen in Barcelona (Spanien), bei der Team-EM in Bergen (Norwegen) und der Hallen-WM in Doha (Katar) sowie anderen Meisterschaften und Meetings standen aber auch Enttäuschungen gegenüber. leichtathletik.de nimmt die einzelnen Disziplinbereiche noch einmal genau unter die Lupe.
2010 IM RÜCKBLICK |
Drinnen top, draußen flop - so die Kurzzusammenfassung der vergangenen Saison für die deutschen Stabhochspringer. Top: Silber und Bronze bei der Hallen-WM in Doha (Katar). Flop: Bei der EM in Barcelona (Spanien) blieben die erfolgsverwöhnten DLV-Athleten ohne Medaille. Aber der Reihe nach.
Zwei Starter, zwei Podiumsplätze: Die Hallen-WM im gar nicht winterlichen Emirat Katar hätte für den DLV nicht besser laufen können. Nur der überragende Olympiasieger und Weltmeister Steven Hooker (Australien; 6,01 m) war nicht zu bezwingen. Den Rest der Welt ließen Malte Mohr (LG Stadtwerke München; 5,70 m) und Alexander Straub (LG Filstal; 5,65 m) hinter sich. „Die komplette Weltspitze war vertreten“, sagt DLV-Disziplintrainer Jörn Elberding anerkennend. „Es ist schade, dass der Wettbewerb in den Medien keine große Rolle spielte.“
Malte Mohr gelang es am besten, den Schwung aus der Halle mit in die Freiluftsaison zu nehmen. Konstant sprang er 5,70 Meter und höher und zeigte mit Siegen in der neu gegründeten Diamond League, dass er mittlerweile auch international zu den Topathleten zählt. Eine neue Bestleistung von 5,90 Metern krönte eine sehr gute Saison mit Schönheitsfehler: „Die EM-Qualifikation von Malte Mohr fiel in diesem Jahr aus dem Rahmen“, bilanziert Jörn Elberding. 5,50 Meter reichten nicht zum Weiterkommen, und so fand das EM-Finale ohne den hoffnungsvollsten DLV-Springer statt.
Besser machten es Fabian Schulze (LG Stadtwerke München) und Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), die mit 5,70 Meter und 5,60 Meter die Plätze sechs und neun belegten. „Für Fabian Schulze freut es mich, dass er wieder den Anschluss geschafft hat“, sagt der Disziplintrainer. „Raphael Holzdeppe ist eine Wundertüte: Er läuft unglaublich schnell an und kann das technisch noch nicht kompensieren.“ Sein Satz über 5,80 Meter, gesprungen Anfang Juli in Rottach-Egern, war ein Ausreißer nach oben, seine Leistung bei der EM blieb im Rahmen der Erwartungen.
So kehrten die deutschen Stabhochspringer zum ersten Mal seit 1994 ohne Medaille von einer EM nach Hause - ein Zeichen dafür, dass im neu formierten deutschen Springerlager vieles nicht nach Wunsch lief. „Für Malte Mohr und Fabian Schulze hat sich der Wechsel nach München positiv ausgewirkt“, sagt Jörn Elberding zur Vereinssituation. „Die Leverkusener Springer haben den Kampf zwar angenommen, wurden aber durch Verletzungen ausgebremst.“
Allen voran Tobias Scherbarth (TSV Bayer 04 Leverkusen): Der hatte sich nach einer Fußverletzung gerade wieder an die deutsche Spitze gekämpft, durfte den DLV sogar bei der Team-EM in Bergen (5,50 m; Platz 5) vertreten, da bremste ihn prompt der nächste Mittelfuß-Bruch. So war seine Freude über die neue Bestleistung von 5,71 Metern und die bewältigte EM-Norm (5,70 m) nur von kurzer Dauer.
Seinen Vereinskameraden Danny Ecker plagten ebenfalls im zweiten Jahr in Folge Verletzungen, der Münchner Routinier Tim Lobinger haderte mit seiner Form und blieb hinter seinen Ansprüchen zurück. Björn Otto (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) und Alexander Straub (LG Filstal), die beide in Leverkusen trainieren, kämpften mit Beschwerden an der Achillessehne. Ihren Ausfall konnten hoffnungsvolle Talente wie Hendrik Gruber (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Karsten Dilla (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) trotz Leistungssteigerung nicht kompensieren.
Medaillenlos verlief aus DLV-Sicht auch die U20-WM in Moncton (Kanada). Tom Konrad (Schweriner SC) belegte mit 5,20 Metern Platz fünf, Pascal Koehl (LC Rehlingen) blieb im Finale ohne gültigen Versuch. Mit ihren Bestleistungen von 5,35 und 5,30 Metern konnten sie im Vorfeld durchaus auf einen Podiumsplatz spekulieren. Bei den Olympischen Jugendspielen der bis zu 18-Jährigen landete Jonas Efferoth (TSV Bayer 04 Leverkusen) auf dem undankbaren vierten Platz (4,85 m).
UNSERE TOP DREI |
| Malte Mohr LG Stadtwerke München 24 Jahre SB: 5,90 m PB: 5,90 m (2010) DM: 1. Platz | EM: 17. Platz DLV-Jahresbestenliste: 1. Platz Europa-Bestenliste: 2. Platz Welt-Jahresbestenliste: 3. Platz |
| Fabian Schulze LG Stadtwerke München 26 Jahre SB: 5,70 m PB: 5,81 m (2006) DM: 3. Platz | EM: 6. Platz DLV-Jahresbestenliste: 4. Platz Europa-Bestenliste: 12. Platz Welt-Jahresbestenliste: 20. Platz |
| Raphael Holzdeppe LAZ Zweibrücken 21 Jahre SB: 5,80 m PB: 5,80 m (2008) DM: 2. Platz | EM: 9. Platz DLV-Jahresbestenliste: 2. Platz Europa-Bestenliste: 3. Platz Welt-Jahresbestenliste: 5. Platz |
DER HOFFNUNGSTRÄGER |
| Daniel Clemens LAZ Zweibrücken 18 Jahre SB: 5,32 m PB: 5,46 m (2009) Weltweit sprang 2010 kein 18-Jähriger so hoch wie Daniel Clemens. Auch wenn er seine Bestleistung aus dem Vorjahr nicht erreichen konnte, stellte er unter Beweis, dass in der Zweibrücker Trainingsgruppe nach Raphael Holzdeppe das nächste große Talent heranwächst. |
DER PECHVOGEL |
| Tobias Scherbarth TSV Bayer 04 Leverkusen 25 Jahre SB: 5,71 m PB: 5,71 m (2010) Tobias Scherbarth behält den unbeliebten Titel „Pechvogel des Jahres“. Nachdem ihn 2009 ein Bruch des rechten Fußes von der WM-Teilnahme abhielt, verletzte er sich in diesem Jahr den linken Fuß. Trotz neuer Bestleistung fand der Saisonhöhepunkt erneut ohne ihn statt. |
2011 IM AUSBLICK |
Mit den Worten „Ich traue es mich ja kaum zu sagen...“ beginnt Disziplintrainer Jörn Elberding seinen Ausblick auf das Jahr 2011. Denn: „Eine Medaille ist für uns nach wie vor das Ziel!“ Auf dem Podest will er die deutschen Stabhochspringer also wieder sehen, sowohl bei der Hallen-EM in Paris (Frankreich) als auch bei den Weltmeisterschaften in Daegu (Südkorea). Minimalziel: drei Springer im Finale.
Welche Athleten den DLV bei den Saisonhöhepunkten vertreten werden, war selten so schwer vorherzusagen wie jetzt. Denn der Generationenwechsel ist in vollem Gange. Lars Börgeling und Richard Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen) haben ihren Rücktritt verkündet. Björn Otto und Danny Ecker, beide 33 Jahre, und Tim Lobinger (LG Stadtwerke München), 38 Jahre alt, konnten zuletzt nicht mehr an die Erfolge vergangener Jahre anknüpfen.
„Ich würde die Drei aber nicht abschreiben“, sagt Jörn Elberding. „Allerdings hängt bei ihnen viel von der Gesundheit ab. Deswegen denke ich schon, dass sich im nächsten Jahr eher die jungen Springer durchsetzen werden.“ Voraussetzung: „Sie dürfen sich nicht mehr mit 5,70 Meter zufrieden geben! Denn das können die Älteren auf jeden Fall noch springen.“
5,80 Meter sind der Maßstab, und die konnte Malte Mohr 2010 gleich dreimal überqueren. Auf ihm ruhen die größten Hoffnungen für 2011. Von Raphael Holzdeppe, Alexander Straub und Fabian Schulze wünscht sich der Disziplintrainer ebenfalls wieder Sprünge über diese Höhe. Auf der Rechnung hat er auch Tobias Scherbarth: „Tobias ist ein großer Kämpfer und mit großem Herzblut dabei. Seine Verletzungen waren ein herber Schlag für ihn. Für ihn wünsche ich es mir mehr als für alle anderen, dass er 2011 vorne mit dabei ist.“
In den Startlöchern stehen der 24-jährige Hendrik Gruber, der 2010 zum ersten Mal über 5,70 Meter sprang, und Karsten Dilla, den Jörn Elberding seit kurzem auch wieder als Heimtrainer betreut. Der Fokus des 21-Jährigen wird jedoch auf der U23-EM in Ostrava (Tschechische Republik) liegen. Startberechtigt wäre dort auch noch Raphael Holzdeppe. „Ich würde ihm aber von einem Doppelstart abraten“, sagt der Disziplintrainer, der ihn eher als WM-Kandidaten sieht.
Für die U20-EM in Tallinn (Estland) hat der DLV gleich mehrere heiße Eisen im Feuer. Mit Carlo Paech (SV electronic Hohen Neuendorf) und Daniel Clemens (LAZ Zweibrücken) sind die Zweit- und Drittplatzierten der letzten U18-WM startberechtigt. Daniel Clemens war 2010 zum zweiten Mal in Folge der weltweit beste Springer seines Jahrgangs.
ZAHLEN UND FAKTEN |
5,90 m - Malte Mohr (LG Stadtwerke München)
5,80 m - Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken)
5,71 m - Tobias Scherbarth (TSV Bayer 04 Leverkusen)
5,70 m - Fabian Schulze (LG Stadtwerke München)
5,70 m - Hendrik Gruber (TSV Bayer 04 Leverkusen)
5,61 m - Richard Spiegelburg (TSV Bayer 04 Leverkusen)
5,60 m - Alexander Straub (LG Filstal)
5,55 m - Karsten Dilla (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen)
5,50 m - Tim Lobinger (LG Stadtwerke München)
5,50 m - Michel Frauen (TSV Bayer 04 Leverkusen)
Internationale Endkampf-Platzierungen (Top 8)
EM: 6. Platz (Fabian Schulze, 5,70 m)
U20-WM: 5. Platz (Tom Konrad; 5,20 m)
Olympische Jugendspiele: 4. Platz (Jonas Efferoth; 4,85 m)
Hallen-WM: 2. Platz (Malte Mohr; 5,71 m) und 3. Platz (Alexander Straub; 5,65 m)
Entwicklung des Spitzenniveaus
Athleten > 5,80 m | Schnitt Top 10 | |
2005 | Tim Lobinger (5,93 m), Björn Otto (5,80 m) | 5,66 m |
2006 | Tim Lobinger (5,90 m), Danny Ecker (5,86 m), Björn Otto (5,85 m), Fabian Schulze (5,81 m), Lars Börgeling (5,80 m) | 5,73 m |
2007 | Björn Otto (5,90 m), Danny Ecker (5,87 m), Tim Lobinger (5,83 m) | 5,68 m |
2008 | Alexander Straub (5,81 m), Raphael Holzdeppe (5,80 m) | 5,73 m |
2009 | Alexander Straub (5,81 m), Malte Mohr (5,80 m) | 5,70 m |
2010 | Malte Mohr (5,90 m), Raphael Holzdeppe (5,80 m) | 5,66 m |
Entwicklung Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
2005 | 5,93 (T. Lobinger) | 5,93 (T. Lobinger) | 0,00 | 6,00 (Burgess/AUS) | 0,07 |
2006 | 5,90 (T. Lobinger) | 5,90 (T. Lobinger) | 0,00 | 6,00 (Walker/USA) | 0,10 |
2007 | 5,90 (B. Otto) | 5,90 (B. Otto) | 0,00 | 5,95 (Walker/USA) | 0,05 |
2008 | 5,81 (A. Straub) | 6,01 (Lukyanenko/RUS) | 0,20 | 6,04 (Hooker/AUS) | 0,23 |
2009 | 5,81 (A. Straub) | 6,01 (Lavillenie/FRA) | 0,20 | 6,01 (Lavillenie/FRA) | 0,20 |
2010 | 5,90 (M. Mohr) | 5,94 (Lavillenie/FRA) | 0,04 | 5,95 (Hooker/AUS) | 0,05 |
WAS AUFFÄLLT |
- Im Freien flattern die Nerven: Zwei Hallen-WM-Medaillen steht Platz 6 bei der Freiluft-EM gegenüber. Auch im Vorjahr gab’s bei der Hallen-EM Edelmetall und bei der WM draußen nur Platz 7.
- Erstmals seit 1994 blieben die deutschen Stabartisten bei einer EM ohne Medaille.
- Nach zwei Jahren ohne 5,90-Meter-Sprung gelang einem Deutschen 2010 wieder ein Satz über diese Höhe. Die Leistungen in der Breite waren aber so gering wie zuletzt 2005.
- Apropos Generationenwechsel: Seit 2001 befindet sich zum ersten Mal kein Springer über 30 Jahre in den Top 5 der deutschen Bestenliste.
- Auf einen 6-Meter-Sprung wartete man 2010 weltweit vergeblich. So ist die Distanz der deutschen Athleten zur Weltspitze auf nur 5 Zentimeter geschrumpft - der beste Wert seit 2007.