Lena Urbaniak - In der Ruhe liegt die Kraft
Wie das so ist, wenn man bei einem Großereignis die Goldmedaille gewinnt, durfte eine deutsche Kugelstoßerin in dieser Woche schon einmal erleben und in vollen Zügen auskosten. Lena Urbaniak von der LG Filstal gewann bei der U18-WM in Brixen (Italien) den ersten Titel der Veranstaltung und dann brach das volle Programm über sie herein: Ehrenrunde, Hektik in der Mixed Zone, Siegerehrung und internationale Pressekonferenz auf Englisch.
Die erst 16-Jährige schlug sich dort genauso wacker und meisterlich wie zuvor im Ring. Trotzdem stellte sie fest: „Das war für mich alles etwas ganz Neues, deshalb war ich auch ein bisschen nervös. Dabei ist mir ganz viel durch den Kopf gegangen. Es waren Emotionen, die über einen kommen. Man kann es aber schlecht in Worte fassen.“Im Vorfeld hatte sie noch Scherze mit dem Augenblick gemacht, in dem sie auf dem Podest ganz oben stehen könnte. Am Ende ließ Lena Urbaniak die Nationalhymne aber einfach auf sich zukommen, ohne dafür zu üben. „Das macht man impulsiv.“ Gerade diese Impulsivität, verbunden mit einer gewissen Ruhe und Besonnenheit, scheint die kecke Weitenjägerin auszuzeichnen.
So nahm sie auch das Kugelstoßen bei der U18-WM in Angriff, obwohl sie in der eindeutigen Favoritenrolle war. „Ich habe versucht mir einzureden, dass nicht von vornherein alles klar ist. Es fängt im Wettkampf jeder bei Null an. Ich wollte so ruhig wie möglich bleiben. In der Qualifikation habe ich noch einen Sicherheitsstoß gemacht, im Finale habe ich dann schon zeigen wollen, was ich drauf habe.“ Das gelang, mit 15,28 Metern setzte sie den einzigen 15-Meter-Stoß der Konkurrenz.
Entspannt in den Diskusring
Mit dieser Einstellung und im Bewusstsein ihrer Stärken will Lena Urbaniak nun in Brixen ein zweites Mal angreifen. Das Diskuswerfen ruft als zweite Disziplin, auch dort ist die Medaillenchance intakt. Allerdings scheint es den Vorleistungen nach um ein Stück schwieriger zu sein, wieder nach Gold zu greifen. „Ins Diskuswerfen gehe ich ganz relaxt ohne große Erwartungen. Durch das gute Kugelstoßen ist natürlich schon ganz schön Druck abgefallen.“
Zu der offensichtlichen Ruhe der Stoßerin und Werferin scheint auch das beschauliche Brixen einen Teil beizutragen. „Man fühlt sich hier wie daheim“, bemerkte Lena Urbaniak. Ein italienisches Wörterbuch hatte sie für Südtirol eingepackt. Umsonst, wie sich herausstellte. „Man kommt mit Deutsch und Englisch ganz gut durch. Italienisch braucht man eigentlich nicht.“
Immer schon Talent im Wurf
Aufgewachsen ist die aus einer sportlichen Familie kommende Schülerin auf der Schwäbischen Alb, in der kleinen Gemeinde Böhmenkirch zwischen Göppingen und Heidenheim. Dort machte sie in der ortsansässigen TG ihre ersten sportlichen Schritte. Beim Mutter-Kind-Turnen bekam sie eine erste Ausbildung, die später dann in der Leichtathletik vertieft wurde. „Ich habe als B-Schülerin Mehrkampf gemacht, doch schon immer meine Stärken und das meiste Talent im Wurf gehabt“, berichtet sie.
Bereits 2004 zog es sie an die Johann-Friedrich-Cotta-Schule, die zu einem Verbund der Eliteschulen des Sports in Stuttgart gehört. Mit dem Umzug wechselte sie auch den Verein, startet seitdem für die LG Filstal.
Im Internat
Zugleich bedeutete es für die junge Sportlerin auch einen Auszug von zu Hause in ein Internat. Dort findet sie sich gut zu Recht. Im straff organisierten Alltag, der am Morgen Schule, am Nachmittag Training und am Abend Hausaufgaben vorsieht, ist die „Freizeit jedoch sehr begrenzt“, wie sie erzählt.
Dort wird im September auch ihre sportlich nicht weniger ambitionierte Schwester, die in zwei Jahren ebenfalls bei der U18-WM dabei sein will, einziehen. „Wir sind dann zu zweit auf dem Zimmer. Ich denke, das wird ganz cool. Das wird eine tolle Sache.“
Ohne Vorbild
Trainiert wird sie seit 2007 von Peter Salzer, der auch schon Hallen-Europameisterin Petra Lammert vor ihrem Wechsel nach Neubrandenburg formte. Er war es auch, der ihr vorgeschlagen hat, es im Kugelstoßen mal mit der Drehstoßtechnik zu probieren. Das mit viel Erfolg, bis heute ist sie dieser Technik treu geblieben.
Und auch wenn sie keine Vorbilder hat, so bewundert sie die US-Drehstoßer Reese Hoffa und Christian Cantwell. „Ein persönliches Vorbild habe ich nicht, weil ich versuche, mein eigenes Ding zu machen und eine eigene Schiene zu machen.“ In Brixen ist ihr das mit all der Ruhe in ihrer Kraft schon einmal prächtig gelungen.
Ehrenrunde unter dem Jubel des DLV-Teams (Foto: Möldner)
U18-WM in Brixen:
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