Lilli Schwarzkopf - "Ein Stück aus dem Leben"
Am Tag nach Olympia-Silber im Siebenkampf und den Ereignissen um ihre zurückgenommene Disqualifikation waren Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf Erleichterung und Freude deutlich mehr ins Gesicht geschrieben, als noch am stressigen Abend davor. Im Deutschen Haus in London (Großbritannien) stellte sich die Athletin der LG Rhein-Wied am Sonntagmorgen noch einmal den Fragen der Presse.
Lilli Schwarzkopf, legt sich inzwischen Ihre Anspannung?Lilli Schwarzkopf:
Ich habe heute Nacht zwei Stunden geschlafen, nachdem ich runter gekommen war. Momentan kann ich schon merken, dass ich wesentlich gelassener bin. Ich muss heute keine Disziplinen mehr absolvieren. Mein Körper tut schon noch sehr, sehr weh. Im Kopf ist noch eine gewisse Spannung drin. Es fühlt sich trotzdem sehr, sehr erleichternd an.
Wie haben Sie die Situation mit Ihrer Disqualifikation erlebt?
Lilli Schwarzkopf:
Das war nicht nur die Hölle. Nach der Ehrenrunde hat mir der Schiedsrichter gesagt, du bist disqualifiziert, weil Du übergetreten bist. Das glaubt man im ersten Moment nicht. Das passiert ja ziemlich selten. Dann sollte mir das bei Olympia passieren. Das ist eine Horrorvorstellung. Ich habe gedacht, es schlägt mich von den Hacken. Endloses Warten: Jahre, Jahre, Jahre vergehen. Man möchte es nicht wahrhaben. Man steht da, hat den Siebenkampf seines Lebens gemacht. Die Emotionen kommen hoch. Man ist erleichtert und in der anderen Situation sofort geschockt. Damit rechnet man nicht. Man rechnet vielleicht, dass man über die Hürden fällt oder drei Ungültige im Weitsprung hat. Die Ehrenrunde wurde mir leider geklaut.
War Ihnen sofort klar, dass es nicht Sie sein konnten, die übergetreten war?
Lilli Schwarzkopf:
In dem Moment war ich so durcheinander. Die Nerven liegen sowieso blank. Man ist ja schon lange, lange davor angespannt. Man kann schon sehr schlecht schlafen. Für den Kopf ist das immer eine schwierige Situation. Da ist nicht viel mit nüchternem Nachdenken. Eigentlich war ich mir schon recht sicher, dass ich da nicht draufgetreten bin. Deshalb wollte ich unbedingt die Videoaufnahmen sehen, bevor sie mir das ankreiden.
Hat sich jemand entschuldigt?
Lilli Schwarzkopf:
Offiziell hat sich bei mir niemand entschuldigt. In dem Augenblick war mir das auch ganz egal. Ich wusste, dass Fehler passieren, dass es menschlich ist. Dass so ein Irrtum vorliegt, dürfte eigentlich nicht sein. Ich bin froh, dass ich nicht die Leidtragende bin. Es ist okay so. Ich bin jetzt einfach nur glücklich über die Entscheidung. Es hätte auch anders ausgehen können.
Wann konnten Sie sich zum ersten Mal freuen?
Lilli Schwarzkopf:
Ich habe das noch gar nicht realisiert. Ich bin einfach nur froh über den Wettkampf. Es ist bei mir schon Jahre her, dass ein Siebenkampf rund gelaufen ist. Und ausgerechnet bei Olympia kann ich mit mir zufrieden sein. Ich bin unheimlich froh, dass ich diese Leistung erbracht habe. Am zweiten Tag war ich richtig mürbe. Der Speerwurf hat mich wahnsinnig viel Kraft gekostet. Ich dachte nicht, dass ich über 800 Meter was reißen kann. Dann hieß es, ich kämpfe um eine Olympische Medaille. So eine Chance bekommt man nie mehr im Leben. Wenn man sich dann hinstellt, denkt man nur: Hoffentlich halten die Beine. Bronze wäre schon unnormal und super gewesen. Erst bei der Siegerehrung habe ich es realisiert. Dann kam die Erlösung.
Es herrschte im Olympiastadion eine magische Atmosphäre. Wie war es für Sie bei der Siegerehrung?
Lilli Schwarzkopf:
Diese gigantische Atmosphäre in sich aufzusaugen und dann endlich loszulassen, das war gigantisch. Das ist das, wovon ein kleiner Sportler so insgeheim träumt. Für mich habe ich das erst in dem Augenblick begriffen, dass ich eine Silbermedaille geholt habe. Klar hat man als Sportler Träume. Wenn man kurz davor steht, denkt man aber: da gibt es bestimmt noch jemanden, der noch besser laufen kann.
Wie fällt Ihr Vergleich zur Stimmung bei den Spielen 2008 und der Heim-WM 2009 aus?
Lilli Schwarzkopf:
London ist für mich jetzt ein ganz besonderes Pflaster. Hier habe ich mein Ziel erreicht. Peking waren meine ersten Olympischen Spiele. In Berlin war ich nicht durchgekommen, deshalb konnte ich so ein Stadion auch gar nicht genießen. In dem Augenblick war ich nicht bereit, ich war verletzt. Das tut unheimlich weh. Ich musste Abstriche machen und habe ein Jahr pausiert, um jetzt endlich dieses Gefühl zu genießen.
Sie haben eine neue Bestleistung abgeliefert. Wie haben Sie es hingekriegt, das so zu timen?
Lilli Schwarzkopf:
Ich habe einen großartigen Trainer. Ich trainiere schon seit Ewigkeiten mit meinem Papa. Wir haben ein normales Arbeitsverhältnis, aber die Beziehung ist ein bisschen intensiver. Er hat mir jetzt schon sehr gefehlt. Es wäre hier schön gewesen, wenn ich eine Schulter gehabt hätte, an die ich mich legen kann. Wir haben ganz bewusst 2010 auf intensives Training verzichtet. Mein Trainer wusste schon, was er macht. Seine Religion ist der Mehrkampf. Es gibt nur wenige, die den Sport so leben. Ihm habe ich zu verdanken, dass ich mich jetzt auf der Bahn verwirklichen kann. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie das ist, an so einem Ziel angekommen zu sein. Mehrkampf ist nun mal ein Stück aus dem Leben gegriffen.
Gab es schon Reaktionen Ihrer Siebenkampf-Kolleginnen?
Lilli Schwarzkopf:
Ich habe sie noch gar nicht gesehen. Es tut mir wahnsinnig leid, dass Jenny ausgestiegen ist. Sie hat gezeigt, dass sie eine großartige Athletin ist. Wenn es darauf ankam, hat sie auch Medaillen geholt. Man muss auch erkennen, dass man dem Körper seinen Tribut zollt. Ich hoffe, dass sie schnell gesund wird. Es tut mir auch leid für Julia. Da spielt auch die Betreuung mit. Ich würde mir wünschen, dass man doch im Mehrkampf eine Lösung findet, um die eigenen Heimtrainer einzubinden.
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