| Nach Karriere-Ende

Linda Stahl: "Die Sporttasche habe ich immer im Auto"

Nach unzähligen nationalen und internationalen Erfolgen hat Linda Stahl ihre Karriere nach der diesjährigen Sommersaison beendet. Die Speerwurf-Europameisterin von 2010 aus Leverkusen ist fortan als Ärztin tätig und berichtet im Interview vom schönsten Moment ihrer Karriere, wie sie den Übergang ins Berufsleben erlebt und wie oft sie noch sportlich aktiv ist. Die 31-Jährige wurde beim Abtrainieren fälschlicherweise schon mehrmals gefragt, ob sie ihr Comeback plane.
pm/pr

Linda Stahl, wie war der erste Arbeitstag in der Klinik nach Ihrer sportlichen Karriere?

Linda Stahl:

Es hat sich in der Zeit meiner Abwesenheit in der Klinik ein wenig etwas geändert, es gibt eine andere Stationsverteilung, einiges ist neu. Und vor allem war der Tag etwas länger als sonst: Früher bin ich mittags gegangen, jetzt bleibe ich noch zur Visite und gehe erst, wenn der letzte Patient versorgt und visitiert ist. Es macht aber Spaß und man lernt ja schnell.

Haben Sie jetzt komplett mit dem Training aufgehört?

Linda Stahl:

Nein, ich gehe zwei bis drei Mal pro Woche auf die Anlage zum Training. Einige haben mich schon gefragt, ob ich mein Comeback plane. Aber es ist schon wichtig, gut abzutrainieren, das Herz-Kreislauf-System kann nicht auf einmal auf null schalten, das gibt auf Dauer Probleme. Aber es macht mir weiterhin auch Spaß, mich zu bewegen. So bin ich ja auch früher zum Sport gekommen.

War es für Sie schwierig, die Sportsachen gegen die Arbeitskleidung einzutauschen?

Linda Stahl:

Ich habe mich ja seit zwei Jahren damit auseinander gesetzt, dass ich dieses Jahr aufhören werde, und die Silbermedaille bei der EM war auch ein toller Abschluss. Mir fehlt bisher nichts und bewegen kann ich mich auch ohne den Anspruch, nächstes Jahr weit werfen zu wollen.

Wie verläuft Ihr Arbeitstag als Ärztin? Wann geht es morgens los?

Linda Stahl:

Wir fangen um 7:30 Uhr in der Klinik an mit der Kurzvisite. Danach teilen wir uns auf für den OP, die Aufnahme oder für die Station. Da ich jetzt häufiger und länger da bin, kann ich auch mehr im OP selbst machen. Es ist natürlich toll, viel zu lernen und auch den Fortschritt zu sehen. Nach der Mittagsbesprechung geht es gegen 14:30 Uhr entweder mit Notfällen oder Visite weiter, je nachdem, wer am nächsten Tag Dienst hat. Um 16:30 Uhr oder manchmal auch etwas später ist dann Feierabend. Manchmal fahre ich nach Hause, manchmal halte ich auf dem Weg dorthin auf der Anlage und trainiere ein wenig. Die Sporttasche habe ich immer im Auto, denn wenn ich einmal auf dem Sofa sitze, komme ich nicht mehr hoch.

Wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken: Was war Ihr schönster Moment als Athletin?

Linda Stahl:

Ich denke, der schönste Moment war, als ich die Bronzemedaille in London sicher hatte. Ich weiß noch, wie ich vor der Bank gekniet habe und Helge [Anm. d. Red.: Trainer Helge Zöllkau] gesagt hat, dass ich bei den Beiden, die mich noch hätten verdrängen können, nicht hingucken konnte. Worüber ich aber ein wenig traurig bin, ist, dass die Reihenfolge im letzten Versuch nicht gedreht wurde. Hätte ich Bronze sicher gehabt und noch einen Wurf machen dürfen, dann wäre es etwas zum Genießen gewesen.

Haben Sie alle Ihre persönlichen Ziele im Sport erreicht?

Linda Stahl:

Ich glaube, man hat immer etwas, wo es hätte besser laufen können, wie dieses Jahr in Rio. Ich hatte ein Pfund drauf und kann mich dann zum Finale nicht bewegen wegen einer Kleinigkeit. Das ist sehr schade, aber das ist auch der Sport. In der Vergangenheit ist es bei anderen Wettbewerben auch oft besser gelaufen, als ich mir das erhofft hatte, da muss man es dann auch verkraften, wenn es eben mal nicht so läuft oder man nicht zeigen kann, was man drauf hat und wofür man so lange trainiert hat. Fünf internationale Medaillen können sich aber durchaus sehen lassen, das können nicht viele von sich behaupten.

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