Sportpsychologie – Wenn der Kopf entscheidet...
Sportpsychologie? Zauberwort oder Tabu? Während immer mehr Spitzensportler dieses Angebot für sich nutzen, schrecken andere noch davor zurück. Doch dabei ist unbestritten, wie viel im Sport doch Kopfsache ist, dass die mentale Stärke über Sieg oder Niederlage entscheiden kann.
Mentale Stärke und Konzentration wie hier bei Hochsprung-Weltmeisterin Hestrie Cloete spielen ein große Rolle (Foto: Crespel)
Seit den jüngsten Fällen in der Fußball-Bundesliga von den Starspielern Jan Simak, der an einem Erschöpfungssyndrom leidet, und Sebastian Deisler, der vor wenigen Tagen in eine psychiatrische Klinik ging, um sich stationär gegen seine Depressionen behandeln zu lassen, ist die Sportpsychologie mehr denn je in aller Munde. Diplom-Psychologe Dr. Ulrich Kuhl, der auch die Leverkusener Speerwerferin Steffi Nerius vor der WM in Paris betreute, stellte gegenüber der "WAZ" folgende These auf: "Es mangelt an professioneller Hilfe. Der Rat von Psychologen gehört längst nicht zur Routine." Also doch ein Tabu?
Hemmschwelle abbauen
Verschiedene Sportverbände versuchen die Hemmschwelle bei ihren Spitzensportlern immer mehr abzubauen. So bietet etwa das Nationale Olympische Komitee der Schweiz ihren Aushängeschildern kostenlos sechs Stunden sportpsychologische Beratung im Jahr. Das Kursangebot für Aktive, Trainer und Fortgeschrittene wird mit Blick auf die Spiele in Athen im nächsten Jahr sogar erweitert.
Auch der Deutsche Leichtathletik-Verband hat sich das Thema inzwischen auf seine Fahnen geschrieben. Anfang November war beim Nationalmannschaftstreffen in Antalya Walter Wölfle, der seit nunmehr zwölf Jahren als selbständiger Trainer auf mentaler Ebene arbeitet, mit dabei und er stieß auf positive Resonanz bei den Aktiven.
Walter Wölfle unterstützt DLV-Athleten
"Langfristig gesehen möchte ich meine sportpsychologische Arbeit im Rahmen eines gesamten Olympia-Zyklus mit dem DLV implementieren", erklärte er im Gespräch mit leichtathletik.de, "kurzfristig gesehen sollte die begonnene Arbeit mit einzelnen Athleten bereits bei den Olympischen Spielen in Athen erste Früchte tragen."
Diese mentalen Zeichen der Zeit haben auch andere Nationen bereits erkannt. So machte Robert Poirier, der Technische Direktor beim französischen Leichtathletik-Verband, bei manchen seiner Athleten mentale Schwächen aus.
Akzeptanz und Bereitschaft
"Ich wette darauf, dass es ein paar einfach mental nicht packen. Das ist oft ein Schwachpunkt", analysierte er bereits im Sommer. Das Angebot einer Psychologin sei in seiner Organisation von den Athleten im Vorfeld der WM nicht ausreichend in Anspruch genommen worden.
Die Bereitschaft ist sicherlich die Basis und der erste Schritt für eine erfolgreiche Arbeit im mentalen Bereich. Um dorthin zu kommen, wohin Sportler und Psychologe wollen.
Walter Wölfle, der innerhalb des DLV in Kadermaßnahmen und Lehrgänge eingebunden sein wird, hat jedenfalls klare Vorstellungen davon, woran er mit den deutschen Leichtathleten arbeiten will: "Die Hauptfähigkeiten, die ich vermitteln und stärken will, sind eine Balance von Anspannung und Entspannung, mentale Techniken und eine Steuerung der Selbstansprache des Athleten, die den emotionalen Zustand positiv beeinflusst. Der Athlet muss im Wettkampf den Kopf frei bekommen und selbst darauf Einfluss haben."
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