Liu Xiang in Stuttgart gefeiert
28.000 Zuschauer erlebten am Samstag beim Weltfinale in Stuttgart eine hochklassige erste Hälfte, die auch für den Sonntag einiges verspricht. Höhepunkt waren dabei aber nicht etwa die 100 Meter mit Weltrekordhalter Asafa Powell (Jamaika), sondern vielmehr die 110 Meter Hürden.
Liu Xiang trumpfte in Stuttgart auf (Foto: Chai)
Dort brillierte der Olympiasieger Liu Xiang (China), unterstützt von einer bemerkenswerten chinesischen Fankolonie, in 12,93 Sekunden mit einer absoluten Weltklassezeit. Hinter ihm kam in einem starken Lauf der 19-jährige Kubaner Dayron Robles (13,00 sec), der den viermaligen Weltmeister Allen Johnson (USA; 13,01 sec) um den Hauch einer Hundertstel bezwang, zu einem Landesrekord. Der Leipziger Thomas Blaschek kam trotz für ihn guten 13,38 Sekunden über Rang acht nicht hinaus.Liu Xiang sagte: "Das fantastische Publikum und die tolle Atmosphäre haben mir sehr viel Selbstsicherheit gegeben. Ich wusste, dass ich gut in Form war und deshalb überraschte mich diese Zeit nicht wirklich."
Tote erste Hälfte von Asafa Powell
Asafa Powell stand mit seinen 9,89 Sekunden über 100 Meter auf der nun grünen, aber nicht minder schnellen Bahn des Gottlieb-Daimler-Stadions dieser Leistung kaum nach, vom erhofften Weltrekord (bisher 9,77 sec) war er letztlich aber doch ein Stück entfernt. Nur knapp schrammte er dabei sogar an einer Niederlage vorbei, die US-Boys Leonard Scott (9,91 sec) und Tyson Gay (9,92 sec) forderten ihn bis zur Ziellinie.
"Ich habe mich auf der ersten Hälfte des Rennens tot gefühlt, aber dann habe ich mir gesagt, dass ich genauso schnelle wie die anderen Jungs laufen kann, habe ins Rennen gefunden und es durchgezogen", erklärte der Jamaikaner.
Tirunesh Dibaba nimmt Revanche
Bei den Frauen konnten vor allem ein spannendes 5.000-Meter-Rennen sowie der Speer- und Hammerwurf das Publikum begeistern. Zur Revanche von Tirunesh Dibaba an ihrer Landsfrau Meseret Defar kam es nach der Niederlage vor einer Woche in Berlin auf der Langstrecke. Wieder war es ein Zweikampf auf der Zielgeraden, den diesmal die Golden-League-Jackpotgewinnerin bei einer Zeit von 16:04,77 Minuten in einem echten Fotofinish um eine winzige Hundertstel für sich entschied.
Gleich zwei Landesrekorde fielen im Frauen-Speerwurf. Diese Bestmarken gingen auf die Konten der siegreichen Tschechin Barbora potáková (66,21 m) und der Dänin Christina Schwerin (64,83 m). Dazwischen schob sich die Leverkusenerin Steffi Nerius. Die Europameisterin erzielte ihre beste Weite von 65,06 Metern im zweiten Versuch. "Dass ich nur Zweite geworden bin, ist nicht so tragisch. Heute habe ich aber keinen einzigen guten Wurf rausbekommen", meinte Steffi Nerius. Die Vize-Weltmeisterin Christina Obergföll (LG Offenburg; 60,63 m) wurde Fünfte.
Neben dem zweiten Platz von Steffi Nerius war der Sieg im Hammerwurf durch die Frankfurterin Betty Heidler (75,44 m; wir berichteten) aus deutscher Sicht das Glanzlicht der ersten Halbzeit des Weltfinales.
Jeremy Wariner gefordert
In vielen der anderen Entscheidungen bestimmten die Favoriten und bekannten Namen das Geschehen bei dem Ereignis ansprechenden Leistungen.
Jeremy Wariner, der Weltmeister und Olympiasieger aus den USA, konnte auf den 400 Metern seine weiße Weste in diesem Jahr behalten. Mit einer Zeit von 44,02 Sekunden schrammte er nur knapp an seinem vierten Rennen in dieser Saison unter 44 Sekunden vorbei. Dabei fand er diesmal in Gary Kikaya (Kongo; 44,10 sec) und LaShawn Merrit (USA; 44,14 sec) zwei Gegner, die ihm starke Gegenwehr boten. Kurzfristig war noch der Deutsche Meister Kamghe Gaba ins Feld gerutscht. Mit der drittschnellsten Zeit seiner noch jungen Laufbahn (45,96 sec) enttäuschte er auch als Achter nicht. "Man nimmt von solchen Rennen viel Erfahrung mit", stellte er heraus.
Über 800 Meter verkaufte sich der Europameister Bram Som (Niederlande) in einem taktischen Rennen glänzend. Der Niederländer musste sich in einer Zeit von 1:47,10 Minuten nur dem Südafrikaner Mbulaeni Mulaudzi (1:46,99 min) geschlagen geben. Der siegreiche Olympia-Zweite sagte: "Es war ein sehr leichtes, aber auch sehr langsames Rennen. Meine Taktik war darauf ausgelegt, auf der Zielgerade anzugreifen."
Tariku Bekele legt vor
Ein Äthiopier, gefolgt von gleich sieben Kenianern auf einen Schlag, so skizzierte sich das Bild beim Zieleinlauf über 3.000 Meter. Der Sieger war kein Geringerer als Junioren-Weltmeister Tariku Bekele, der damit seinem größeren Bruder Kenenisa Bekele (5.000 m) für den Sonntag im familieninternen Vergleich einen Sieg vorlegte.
Als einziger Kugelstoßer, der die 21 Meter übertraf, feierte der Hallen-Weltmeister Reese Hoffa (USA; 21,05 m) einen verdienten, vor seinem Landsmann Christian Cantwell, der im letzten Durchgang noch 20,94 Meter erzielte, allerdings knappen Erfolg. Europameister Ralf Bartels (SC Neubrandenburg) hatte Mühe und überbot nur einmal und das im dritten Versuch, die 20 Meter (20,19 m): "Die Spannung ist raus. Ich bin nicht ganz zufrieden, die Weite war ein bisschen wenig."
Paul Burgess verdienter Stabhochsprung-Sieger
Sehr eng war die Entscheidung im Stabhochsprung. Drei Athleten überflogen 5,82 Meter, Paul Burgess (Australien) holte sich dabei den Sieg, während sich der Kölner Tim Lobinger mit dem US-Amerikaner Toby Stevenson Platz zwei teilte. Der deutsche Vize-Europameister meinte: "Es war denkbar knapp, der Sieg von Paul Burgess geht aber in Ordnung, nachdem er den saubersten Wettkampf zeigte."
Lokalmatador Fabian Schulze (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg; 5,75 m) wurde Vierter und meinte, er könne auch damit leben. "Der erste Versuch bei 5,82 Metern war denkbar knapp. Aber ich bin mit dem vierten Platz zufrieden." Der Deutsche Meister Lars Börgeling (TSV Bayer 04 Leverkusen) kam über 5,50 Meter, für die er drei Anläufe benötigte, nicht hinaus.
Knappe Diskus-Entscheidung
Den Dreisprung gewann der Kubaner Yoandri Betanzos (17,29 m). Europameister Christian Olsson (Schweden) war dort verletzungsbedingt nicht dabei.
Winzige 16 Zentimeter entschieden im Diskuswerfen über Sieg und Niederlage und letztlich im Duell mit dem Esten Gerd Kanter, der Anfang der Woche noch mehr als 73 Meter geworfen hatte (wir berichteten), zugunsten des Olympiasiegers, Welt- und Europameisters Virgilijus Alekna (Litauen; 68,63 m). Der Wattenscheider WM-Dritte Michael Möllenbeck (61,75 m) wurde Siebter.
Allyson Felix (22,11 sec) und Sanya Richards (22,17 sec) sorgten bei den Frauen über 200 Meter für einen US-Doppelsieg und zugleich auch für das schnellste Rennen auf dieser Strecke, das beim seit vier Jahren ausgetragenen Weltfinale bisher gelaufen werden konnte.
Maryam Jamal vor den Russinnen
Die Hallen-WM-Dritte Maryam Jamal (Bahrain) zeigte über 1.500 Meter mit ihrem Sieg in 4:01,58 Minuten gute Form und konnte die Konkurrenz aus Russland, die ihr in diesem und dem letzten Jahr schon so manchen Streich gespielt hatte, diesmal bei einem hochkarätigen Wettkampf hinter sich lassen und dabei auch ihren Vorjahreserfolg wiederholen.
Vize-Weltmeisterin LaShinda Demus (USA) feierte über 400 Meter Hürden in 53,42 Sekunden einen ungefährdeten Sieg. Die Erfurterin Claudia Marx (55,98 sec) wurde Siebte. "Das ist nicht schlimm", sagte die EM-Vierte und verwies auf eine anstrengende Saison, "ich habe darauf hintrainiert, vor vier Wochen fit zu sein. Ich bin lahm, es fehlt der Druck."
Kajsa Bergqvist siegt wieder
Durch den Sieg der Europameisterin Alesia Turova (Weißrussland) blieb über 3.000 Meter Hindernis die Siegprämie trotz der gut aufgelegten Konkurrenz aus Kenia im Kontinent. Nach vorsichtigem Beginn kam sie am Ende doch noch zu einer akzeptablen Siegerzeit von 9:27,08 Minuten.
Im Weitsprung gab die Olympiasiegerin Tatyana Lebedeva mit 6,97 Metern den Ton an. Nach drei Niederlagen in Folge konnte sich im Hochsprung die Weltmeisterin Kajsa Bergqvist mit 1,98 Metern nun in Stuttgart zum Saisonausklang wieder gegen ihre EM-Rivalinnen Tia Hellebaut (Belgien) und Venelina Veneva (Bulgarien), die ebenfalls diese Höhe überquerten, durchsetzen.
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