Liu Xiang ist zum Erfolg verdammt
Das Gold von Athen (Griechenland) ist für Liu Xiang längst zur Last geworden. Die Erwartungen von 1,3 Milliarden Chinesen drücken auf die Schultern des Olympiasiegers, wenn er am Montag (18. August) zum Vorlauf über 110 Meter Hürden antritt. Sein erneuter Triumph jetzt bei den Spielen in Peking (China) ist von höchster Stelle zur Verpflichtung erklärt worden, nichts anderes wollen Staats- und Parteiführung offensichtlich hinnehmen.
„Uns ist gesagt worden: Wenn er nicht gewinnt, sind alle seine vorherigen Erfolge wertlos“, hat Trainer Sun Haiping vor Olympia verraten.Chinas größter Sportstar neben dem Basketballer Yao Ming ist zum Erfolg verdammt, bei seinen Landsleuten hat er Sehnsüchte ganz besonderer Art geweckt. Bei einer Umfrage nach ihrem größten Traum sagten jüngst eine Million Chinesen, sie wünschten sich, Liu Xiang im „Vogelnest“ zum Sieg fliegen zu sehen. Im Nationalstadion von Peking werden sich letztlich „nur“ die Emotionen von 91.000 Zuschauern entladen - aber immerhin.
Das Leben des Leichtathleten Liu, dessen Vorname Xiang für „Fliegen“ steht, gleicht seit dem Überraschungs-Coup vor vier Jahren dem eines Popstars. Sein Gesicht ist im ganzen Land zu sehen: auf Werbeplakaten für Sportschuhe, Cola, Autos und Nahrungsmittel. Sogar der umstrittene Zigaretten-Hersteller Baisha wirbt mit ihm. Das Magazin Forbes schätzte sein Einkommen 2007 auf 23,8 Millionen Dollar.
Nachbar des Trainers
Doch trotz seines Reichtums lebt Liu Xiang in einer vergleichsweise kleinen Wohnung in Schanghai als Nachbar seines Trainers und Mentors Sun Haiping. Ihm verdankt er seinen Aufstieg in den vergangenen zwölf Jahren. Der Coach überredete einst die Eltern des Hürdensprinters, ihren Sohn wieder auf die Sportschule zu schicken, nachdem das Kapitel schon beendet schien. Ein anderer Trainer hatte von den Eltern Geld für die Ausbildung verlangt.
Liu Xiang selbst spielt die Erwartungen, die auf ihm lasten, gern herunter: „Ich fühle keinen Druck. Ich bin schon Olympiasieger, und ich habe nicht das Gefühl, als läge etwas Schwieriges vor mir, ich gehe die Sache ganz entspannt an.“ Das rät ihm auch die Australierin Cathy Freeman, vor acht Jahren Symbolfigur der heimischen Sommerspiele von Sydney, wo sie den Erwartungen einer ganzen Nation standhielt und 400-Meter-Gold gewann: „Liu Xiang hat seine Stärke oft bewiesen. Daran muss er sich erinnern und die Aufgabe wie einen weiteren Tag im Büro angehen. Getragen wird er von den Emotionen.“
Starke Konkurrenz
Das Problem für Chinas Liebling könnte jedoch die in diesem Jahr verschärfte Konkurrenzsituation werden. Der 21-jährige Kubaner Dayron Robles entriss Liu Xiang im Juni in 12,87 Sekunden den Weltrekord. Der Amerikaner David Oliver kam der Bestzeit des Weltmeisters (12, 88) im Mai in Doha (Katar) in 12,95 Sekunden ebenfalls bedrohlich nahe. Zudem kämpfte Liu Xiang selbst mit einer Muskelverletzung und bestritt sein letztes internationales Rennen Anfang Juni in den USA, wo er wegen eines Fehlstarts disqualifiziert wurde.
„Dayron ist der beste Hürdentechniker von uns allen, es wird schwer, ihn zu schlagen“, sagte Liu Xiang vor wenigen Tagen, ergänzte aber: „Mein Vorteil ist, dass ich schon einmal Olympiasieger war und den Heimvorteil genieße.“ Liu Xiang könnte zum erst dritten Mann werden, der zweimal in Folge Olympia-Gold über die 110 Meter Hürden gewinnt. Dies gelang bislang nur den US-Amerikanern Roger Kingdom (1984/1988) und Lee Calhoun (1956/1960).
Seit 2003 vorne mit dabei
Der Stern des Chinesen ging bereits 2003 bei der WM in Paris (Frankreich) auf, wo er als damals 20-Jähriger Bronze gewann. Ein Jahr später flog er in Athen in einem nahezu perfekten Rennen mit nur einer leichten Hürdenberührung zu Weltrekord und Olympiagold, dem ersten für einen männlichen chinesischen Leichtathleten.
Damals brach in China das Fieber aus, das beim Olympischen Hürden-Finale am kommenden Donnerstag (21. August) um 21.35 Uhr Ortszeit den Höhepunkt erleben wird.
Quelle: Sport-Informations-Dienst
Alles rund um die Olympische Leichtathletik:
News | Ergebnisse | DLV-Team | Zeitplan | Tippspiel | Podcast