| Jubiläum

Ludwig Müller – „Der Held von Augsburg“ feiert 85. Geburtstag

Am 20/21. September 1958 feierte die deutsche Mannschaft vor 85.000 Zuschauern in Augsburg einen sensationellen Länderkampf-Sieg über die favorisierte Sowjetunion. Langstrecken-Doppelsieger Ludwig Müller wurde zum „Helden von Augsburg“. Am Mittwoch (25. Januar) feierte der Olympia-Sechste von 1960 seinen 85. Geburtstag.
Martin Neumann

Augsburg, 21. September 1958. Zehntausende Leichtathletik-Fans stehen vor dem Rosenaustadion Schlange. Der Andrang ist am zweiten Tag des Länderkampfs so groß, dass Tausende beim Anblick der schon proppenvollen Tribünen kehrt machten. Sie verpassen die Geburtsstunde des „Helden von Augsburg“. So wird seit diesem Tag Ludwig Müller genannt. Der Läufer vom Weseler TV hatte mit seinen Triumphen über 5.000 Meter (14:06,8 min) und 10.000 Meter (29:52,6 min) beim Länderkampf gegen die Sowjetunion (20./21. September 1958) einen entscheidenden Anteil am Gesamtsieg gegen den scheinbar übermächtigen Favoriten. Am Mittwoch (25. Januar) ist der „Held von Augsburg“ 85 Jahre alt geworden.

Insgesamt 85.000 Zuschauer kamen an beiden Tagen zum Länderkampf gegen die Sowjetunion. Es sollten historische Tage werden. Denn was niemand für möglich gehalten hatte: Die deutsche Mannschaft setzte sich mit 115:105 Punkten durch. Ein Erfolg, der mit dem „Wunder von Bern“, dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1954, auf eine Stufe gestellt wurde. Vier Wochen zuvor hatte die Sowjetunion bei der EM in Stockholm (Schweden) die Nationenwertung mit 113 Punkten vor Großbritannien (87), Polen (72) und einer gesamtdeutschen Mannschaft (71) klar gewonnen.

Zweimal im Spurt nicht zu schlagen

Eine Hochrechnung der 1958 erzielten Leistungen versprach eine klare 91:121-Niederlage für die Mannschaft um die späteren Sprint-Weltrekordler Armin Hary, Manfred Germar und Martin Lauer in Augsburg. Es sollte anders kommen: Wie am Vortag über 5.000 Meter zog Ludwig Müller am 21. September 1958 rund 300 Meter vor dem Ziel des 10.000-Meter-Rennens seinen Schlussspurt an. Die russischen Konkurrenten waren geschlagen. Er konnte es sich sogar erlauben, auf den letzten 100 Metern mehrmals seine Arme hochzurecken. <link https: www.filmothek.bundesarchiv.de video>(Dieses Wochenschau-Video zeigt ab etwa 8:00 Minuten eine Zusammenfassung des legendären Länderkampfs.)

Dabei sollte der damals 26-Jährige auf der längsten Bahn-Distanz gar nicht eingesetzt werden. Ludwig Müller erinnert sich: „Ich war nur als Zuschauer ins Stadion gekommen. Eigentlich sollte Herbert Schade laufen. Doch er fühlte sich nach einer Wettkampfpause nicht in Form. Daher lief ich mit einer Hose von Schade und in den mir zu kleinen Spikes von Paul Schmidt.“ 800-Meter-Meister Schmidt sollte später über Jahrzehnte als Bundestrainer die deutschen Läufer zu zahlreichen Erfolgen führen.

„So viel wert wie Olympiagold oder Weltrekord“

Für Ludwig Müller war der Länderkampf in Augsburg trotz Rang sechs bei den Olympischen Spielen 1960 über 3.000 Meter Hindernis der wichtigste Wettkampf seiner Karriere: „Die Siege von Augsburg sind mir genau so viel wert wie Olympiagold oder ein Weltrekord.“ Noch heute wird der Jubilar auf die Rennen in Augsburg angesprochen. In den Tagen nach dem Rennen musste die Weseler Post Schwerstarbeit leisten. Glückwünsche en masse erreichten den Langstreckenläufer.

Dabei war er nur über Umwege zur Leichtathletik gekommen. Da er aufgrund einer Handgreiflichkeit mit einem Schiedsrichter während eines Fußballspiels für ein Jahr gesperrt worden war, begann er erst mit 21 Jahren mit dem Laufen: „Am Morgen von fünf bis sieben und am Abend von fünf bis sieben.“ Dazwischen arbeitete der gelernte Maurer auf dem Bau. Später sattelte er um, zog in die Nähe von Kassel, arbeitete im Tiefbauamt, wurde Masseur, betreute unter anderem die Fußballer von Hessen Kassel.

Vier Starts an einem Tag

Ludwig Müller war – selbst für damalige Verhältnisse – ein Vielstarter. 45 Länderkämpfe bestritt er zwischen 1955 und 1964. Und kam dort wie in Augsburg oft mehrmals zum Einsatz: In Tokio (Japan) 1959 startete er an einem (!) Tag über 800, 1.500, 5.000 und 3.000 Meter Hindernis. Ein Mammut-Programm.

Im selben Jahr lernte er seine Frau Karin kennen. Die war als Zuschauerin zu einem Sportfest ins Berliner Mommsenstadion gekommen. „Die Frau war so schön, dass ich mich unbedingt mit ihr verabreden wollte. Aber gleich sollte das 5.000-Meter-Rennen beginnen. Ich habe ihr dann meine Sporttasche gegeben und sie gebeten, darauf aufzupassen. Nach dem Rennen haben wir uns dann verabredet“, verriet er der <link https: www.hna.de sport regionalsport sport-kassel-sti248130 weltklasse-leichtathleten-ludwig-mueller-wird-heute-7321846.html>„HNA“. Mittlerweile ist Karin Müller seit 55 Jahren mit Ludwig verheiratet. Beide leben seit vielen Jahren in Fuldabrück bei Kassel.

Seinen letzten von sieben Deutschen Meistertiteln gewann Ludwig Müller 1963. Über 3.000 Meter Hindernis setzte er sich in 8:57,6 Minuten durch. Natürlich im Augsburger Rosenaustadion, wo fünf Jahre zuvor der „Held von Augsburg“ geboren wurde.

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