Luminita Zaituc - Ihr neues Leben in Rumänien
Sie gehörte zur Elite der deutschen Langstreckenläuferinnen. Luminita Zaituc war Vize-Europameisterin im Marathon, steht mit ihrer Bestzeit von 2:26:01 Stunden auf Platz vier der Ewigen Deutschen Bestenliste. Heute ist die vielfache Deutsche Meisterin 45 Jahre alt, Mutter einer kleinen Tochter und lebt in Rumänien. Dem Laufen ist sie aber treu geblieben. Ein Besuch in ihrer neuen, alten Heimat.
Die Laufschuhe stehen noch im Flur. „Da standen sie doch immer“, sagt Luminita Zaituc. Sie steht im Hausflur ihres Einfamilienhauses in Brasov, ihre zweijährige Tochter Alice auf dem Arm und sieht tatsächlich so aus, wie sie immer aussah. Zierlich, drahtig, lächelnd. Immer – das sind die letzten dreißig Jahre ihres Lebens. Und doch ist heute alles ganz anders als es „immer“ war.Vor vier Jahren schloss Luminita Zaituc, die in Läuferkreisen immer nur „Lumi“ genannt wurde („Das ist einfacher als Luminita“), das Lebenskapitel Leistungssport für sich ab. Es war das Ende einer erfolgreichen Karriere. Mehrere deutsche Meistertitel, Teilnahme bei Europa-, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen.
Ihr größter Erfolg: Marathon-Silber bei der Heim-EM in München 2002. Noch heute ist sie mit ihrer Bestzeit von 2:26:01 Stunden die viertschnellste deutsche Marathonläuferin aller Zeiten. Und doch hatte ihre Karriere ihre Schattenseite. Die schmerzhafte Erinnerung: Bei der WM 2009 in Berlin bekam sie eine falsche Flasche, musste mit Magenkrämpfen das Rennen vorzeitig beenden.
EM-Medaille auf dem Regal
Die schönen Erinnerungen an ihr altes Leben stehen heute in Form von Medaillen und Pokalen auf Regalen und Schränken unterm Dach im ausgebauten Dachboden eines schicken Einfamilienhauses im rumänischen Brazov. „Das sind doch alles schöne Erinnerungen, die kann ich nicht in den Keller packen“, sagt Luminita Zaituc und steigt mit Alice an der Hand die breite Treppe zum Dachboden hinauf. „Hier, die EM-Medaillen zum Beispiel“, sagt Luminita Zaituc und nimmt einen kleinen Kasten vom Regal. „Ich werde nie vergessen, wie wir mit der Mannschaft Gold gewonnen haben und die Nationalhymne gespielt wurde.“
In das Haus in Brazov in Transsilvanien, unweit des weltberühmten Dracula-Schlosses, ist sie mit ihrem Lebensgefährten und früheren Trainer Dimitru Dobre vor drei Jahren gezogen. Es war eine Rückkehr in ihre alte Heimat, die so gar nicht geplant war. „Eigentlich wollten wir ein Haus in Düsseldorf kaufen, weil wir dort einen Laufladen übernehmen wollten“, sagt Luminita Zaituc.
Dem Bauch gefolgt
Doch statt Unmengen von Laufschuhen hat sie nun jede Menge Natur um sich herum. Nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Haus beginnen die Karpaten. Es war ein Bauchgefühl, dem sie folgten, als sie auf Heimatbesuch bei der Familie waren und dabei dieses Haus sahen. „Es stand zum Verkauf und wir wussten beide plötzlich, das ist es.“
Ihrem Bauchgefühl hat Luminita Zaituc schon immer vertraut. Als 14-Jährige verließ sie ihr Dorf in Transsilvanien, zog gegen den Willen des Vaters („Viel zu klein und zart zum Sporttreiben“) ins Sportinternat der Großstadt Deva, stellte sich der Herausforderung von teilweise drei Trainingseinheiten am Tag. „Ich war oft so fertig, dass ich mich während des Trainings im Wald versteckt habe.“
Laufen, um zu leben
1990, zur Zeit der rumänischen Revolution, immigrierte sie nach Deutschland. Es war ein Sturz ins Bodenlose. „In Rumänien hatte ich eine eigene Wohnung, wurde von meinem Verein finanziell und materiell unterstützt. In Deutschland hatte ich nichts.“ Und doch blieb sie („Ich wusste, dass es richtig ist“), lief, um zu leben, teilweise bis zu drei Wettkämpfe in der Woche. „Mit dem Wochenendticket bin ich oft durch ganz Deutschland zu Wettkämpfen getingelt. 13 Stunden Zugfahrt, ein Rennen gewinnen, 13 Stunden Zug zurück.“
Und auch Jahre später, als ihr viele zum frühen Umstieg von der Mittelstrecke auf die Marathondistanz rieten, ließ sich Luminita Zaituc, damals war sie inzwischen Deutsche, nicht reinreden. „Wahrscheinlich wäre es finanziell sinnvoll gewesen, schon eher Marathon zu laufen, aber ich habe mich noch nicht danach gefühlt.“ So lief sie ihren ersten Marathon 2001 in Frankfurt und gewann diesen prompt.
Laufen zum Spaß
In die Gegend, wo sie als 14-Jährige die Grundsteine ihres Erfolgs legte, ist Luminita Zaituc nun zurückgekehrt. „Da oben haben wir früher trainiert“, sagt sie vor ihrem Haus stehend und zeigt auf eine Alm im Hochgebirge. Alice sitzt inzwischen wieder auf ihrem Arm, spielt an ihren Haaren und sagt etwas auf Rumänisch. „Ja, Alice, da oben ist die Mama mal gelaufen“, antwortet Luminita Zaituc ihr auf Deutsch.
Alice wächst zweisprachig auf und weiß noch nichts von der Lebensgeschichte ihrer Mutter. „Aber sie wird dennoch mit dem Sport groß“, sagt Luminita Zaituc. Die Kleine sitzt oft im Kindersitz, der inzwischen an Dimitri Dobres Fahrrad angebracht ist, wenn er neben seiner laufenden Lebensgefährtin her radelt. So hat er es schon immer gemacht. Im Training und im Wettkampf. Alles wie immer eben, nur dass heute Alice mit dabei ist. Denn Luminita Zaituc trainiert immer noch. „Zum Spaß, das ist eigentlich kein Training mehr.“
Immer noch auf dem Treppchen
Drei Mal die Woche läuft sie eine kleine Runde, knapp 30 Minuten. Und manchmal startet sie auch noch bei Wettkämpfen. Fünf Kilometer, zehn Kilometer oder doch noch bei dem ein oder anderen Berglauf, der dann auch schonmal 21 Kilometer lang werden kann, und landet dabei immer auf dem Treppchen. „Auf die Uhr schaue ich dabei aber nicht mehr. Das schönste Kompliment ist heute, wenn Alice sagt ‚Mama, das sieht aber schön aus, wie du läufst‘.“
Ihren eleganten, raumgreifenden Schritt hat die 45-Jährige nicht verloren. Und auch der ortsansässige Uni-Sportclub ist schon auf die neue Einwohnerin aufmerksam geworden, wollte sie für sein Laufteam gewinnen. Und bekam eine freundliche Absage. „Bei mir geht jetzt die Familie vor.“
Alles habe seine Zeit. Knapp dreißig Jahre Leistungssport liegen hinter ihr, ihr neues Leben als Mutter hat gerade erst begonnen. Aber das Zwischenfazit ihres gesamten Lebens könnte nicht zufriedener ausfallen: „Ich würde alles genau so wieder machen.“