Mainzer Mikrokosmos - DLV-Auslandstrainer I
Elf Leichtathletikbegeisterte aus aller Welt haben das Abenteuer gewagt: Ohne Deutschkenntnisse kamen sie im Sommer 2009 an die DLV-Auslandstrainerschule in Mainz. Zurzeit bereiten sie sich auf ihre Abschlussprüfung zum Leichtathletiktrainer vor und haben viel mehr gelernt als nur eine neue Sprache.
Florence Correa aus dem Senegal muss lachen, wenn sie an ihre ersten Wochen in Deutschland zurück blickt. „Am Anfang habe ich mich gefragt, ob ich die deutsche Sprache jemals lernen würde“, berichtet sie. Die Speerwerferin und die meisten ihrer zehn Mitstudenten waren zuvor noch nie in Europa gewesen. Denn für die Trainerschule werden ausschließlich Teilnehmer aus Südamerika, Asien und Afrika ausgewählt.„Entwicklungshilfe für die Leichtathletik“ könnte der inoffizielle Titel des Programms lauten, das 1978 von Berno Wischmann ins Leben gerufen wurde. Der Gründer und langjährige Dekan des Fachbereichs Sport der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wollte Athleten, Sportlehrern und Trainern die Möglichkeit geben, sich außerhalb ihrer Landesgrenzen von Experten zu Leichtathletiktrainern ausbilden zu lassen.
Empfehlungen und Mundpropaganda
Der Sportlehrer José Carlos Rosell aus Peru (Lima) erfuhr durch zwei Kollegen von der DLV-Auslandstrainerschule. Sie hatten das zweisemestrige Studium absolviert, und so bewarb sich auch José Rosell für das Programm. Innocent Asiimwe (Uganda) wurde vom deutschen Leichtathletikexperten Günter Lange, der in Uganda ein Langzeitprojekt leitet, auf die Schule aufmerksam gemacht.
So wie die beiden diesjährigen Teilnehmer verschlägt es die meisten Studenten nach Mainz: durch Empfehlungen und Mundpropaganda. „Die Lebensläufe der Bewerber sind oft in der Landessprache verfasst“, erklärt Dr. Wolfgang Killing, Leiter der DLV-Trainerschule und Ausbilder an der Auslandstrainerschule. „Deswegen können wir sie schwer nachvollziehen und sind auf Empfehlungen Dritter angewiesen.“
Die Ausbildung an der Schule wird vom Auswärtigen Amt finanziert und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), dem DLV und dem Mainzer Sportinstitut betreut. Voraussetzung für die Aufnahme sind Kenntnisse in der Leichtathletik und Erfahrungen als Athlet oder Trainer. Außerdem müssen die Bewerber sportlich fit und gesund sein.
Am Anfang steht der Sprachkurs
Die Studenten des 32. Jahrgangs bezogen im Mai 2009 ihre Zimmer auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Während ihre Vorgänger ihre Abschlussprüfungen ablegten lag vor den Neuankömmlingen ein viermonatiger Sprachkurs. Mehrere Stunden täglich paukten sie mit Dr. Thomas Bleicher, der als gute Seele der Schule und Ansprechstation Nummer eins für die Teilnehmer gilt, die deutsche Sprache.
Die Sprachkompetenz ist nicht nur ein zentraler Faktor für die Verständigung der Auszubildenden untereinander, sondern auch die wichtigste Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluss: Der Unterricht findet ausschließlich auf Deutsch statt, und auch die Prüfungen müssen auf Deutsch abgelegt werden.
Theorie und Praxis
Auf den viermonatigen Sprachkurs folgt die zehnmonatige Trainerausbildung. „Um Viertel nach Acht beginnt der Unterricht, um 16 Uhr haben wir Schluss“, berichtet Florence Correa. Auf dem Stundenplan stehen unter anderem die Grundlagen und disziplinspezifischen Besonderheiten der Leichtathletik, Sportmedizin, -anatomie und -psychologie sowie Bewegungs- und Trainingslehre.
In diesen Fächern werden die Studenten am Ende der Ausbildung geprüft. Außerdem müssen sie in Lehrproben zeigen, dass sie Inhalte nicht nur verstanden haben, sondern auch vermitteln können.
Die Liste der Dozenten ist ebenso lang wie namhaft: Experten des Fachbereichs Sport der Universität Mainz, des DLV und verschiedene Partner sorgen für eine qualifizierte und fundierte Ausbildung. Geleitet wird die Auslandstrainerschule von PD Dr. Werner Steinmann, der auch als Lehrkraft am Lehrstuhl für Trainings- und Bewegungswissenschaft beschäftigt ist.
Eine Küche für alle
Untergebracht sind die Auslandstrainer im ersten Stock des Berno-Wischmann-Hauses, das auf dem Gelände des Fachbereichs Sport liegt. Hier treffen zahlreiche unterschiedliche Kulturen auf engstem Raum aufeinander: Jeder Student hat sein eigenes kleines Zimmer, das Bad teilen sich jeweils zwei Personen, die Küche nutzen alle zusammen.
In der Küche finden Geburtstagsfeiern statt, ein gemeinsames Kochen ist allerdings eher selten. „Florence isst Kartoffeln - ich nicht!“, erklärt Innocent Asiimwe, und schnell wird deutlich, dass die Herausforderungen für die Studenten nicht im Unterrichtsraum enden.
Unterstützung für den USC Mainz
Praktisch ist es da, dass die Leichtathletik-Anlage des USC Mainz direkt vor der Haustür liegt. Hier findet rund ein Drittel der Teilnehmer eines jeden Jahrgangs schnell Anschluss und Abwechslung vom Studienalltag.
Die Mainzer Leichtathleten helfen den ausländischen Trainern sich zu integrieren und profitieren selbst von den neuen Vereinsmitgliedern. Denn ähnlich wie der 37-jährige Rusli aus Indonesien, der einige Hürdenläufer betreut, engagieren sich viele von ihnen als Trainer oder verstärken die Mannschaften des Traditionsvereins.
Karriere in der Heimat
Die DLV-Auslandstrainerschule hat in den vergangenen 32 Jahren mehr als 350 Absolventen aus über 80 Ländern hervorgebracht. Einige von ihnen bleiben nach dem Abschluss in Deutschland und finden hier Arbeit. So zum Beispiel Dr. Luis Mendoza, der am Olympiastützpunkt in Frankfurt als Trainingswissenschaftler beschäftigt ist.
Die meisten Absolventen kehren zurück in ihre Heimat und engagieren sich dort häufig erfolgreich in den Bereichen Sportpolitik, Sportorganisation oder Sportausbildung. Viele Leichtathletik-Landestrainer in Südamerika, Afrika und Asien verdanken ihr Wissen der Ausbildung an der Mainzer Trainerschule.
Der Jahrgang 2009/2010
Die folgenden Studenten haben nach mehr als zwölfmonatiger Ausbildung den Abschluss als Leichtathletiktrainer fest im Blick:
Charles Akena Omoya (Uganda, 44)
Innocent Asimwe (Uganda, 28)
Aboubacar Camara (Guinea, 36)
Florence Correa (Senegal, 28)
Akuvi Seenam Degbotse-Goe (Togo, 28)
Sulayman Jobe (Gambia, 32)
José Luis Jessinau (Mosambik, 35)
Ana Laura Leite Cardozo (Uruguay, 23)
Ibrahim Soumah (Guinea, 38)
José Carlos Rosell (Peru, 33)
Rusli (Indonesien, 36)
Wie kamen sie zur Leichtathletik und warum nach Mainz? Welche Aufgaben haben sie in der Heimat zurück gelassen, und welche Ziele wollen sie nach ihrer Rückkehr erreichen? leichtathletik.de stellt einige der Auslandstrainer in den kommenden Tagen genauer vor.