Weitspringerin Malaika Mihambo hat eine Bilderbuch-Saison hingelegt. Gleich zu Beginn kratzte die 24-Jährige an der Sieben-Meter-Marke. In Berlin flog sie zu EM-Gold. Mit zwei Siegen in der Diamond League etablierte sie sich in der Weltspitze – und strich schließlich auch beim Continental Cup eine ordentliche Prämie ein.
Unvergessliche Momente und die erfolgreichste Saison überhaupt liegen hinter Malaika Mihambo. 6,86 Meter und damit die zweitbeste Weite der Konkurrenz am Sonntag beim Continental Cup in Ostrava (Tschechien) – ein blendender Jahresabschluss für die 24-Jährige von der LG Kurpfalz, die nun dreieinhalb Wochen in Indien Urlaub macht. „Das Land reizt mich, die Leute, die Kultur, die Sehenswürdigkeiten, das besondere Feeling, das man dort hat“, erklärt die in diesem Sommer zweitbeste Weitspringerin der Welt.
Malaika Mihambo hatte gleich zu Saisonbeginn in Weinheim das erste Ausrufungszeichen gesetzt und ihre persönliche Bestleistung auf 6,99 Meter geschraubt. Damit avancierte die einstige U20- und U23-Europameisterin zur achtbesten Deutschen aller Zeiten. Es sollte keine Eintagsfliege bleiben: Schon im darauf folgenden Wettkampf beim Diamond League Meeting in Stockholm (Schweden) wurde sie mit 6,85 Metern Zweite. Anfang Juli folgte in Lausanne (Schweiz) mit 6,90 Metern und dem ersten Sieg in der höchsten Meetingserie der Welt der "Ritterschlag". Mit 6,96 Metern setzte sie später auch in Birmingham (Großbritannien) ein Glanzlicht.
Nach 20 Jahren wieder eine deutsche Europameisterin
Ihr absoluter Gänsehaut-Moment aber: Jener Samstagabend im August, als das Berliner Olympiastadion einem Glutofen glich. Als zunächst der Leverkusener Hochspringer Mateusz Przybylko und wenige Minuten später auch sie den Europameister-Titel holte, umjubelt von 60.500 Zuschauern.
Malaika Mihambo setzte sich mit 6,75 Metern durch und verwies damit Maryna Bech (Ukraine; 6,73 m) und Shara Proctor (Großbritannien; 6,70 m) auf die Plätze zwei und drei. 20 Jahre nach Heike Drechsler, die als Kampfrichterin dabei war, holte eine Deutsche wieder EM-Gold. „Ich wollte den Wettkampf eigentlich nicht mit dieser Weite beenden, aber das war doch sehr schwierig", spielt Malaika Mihambo auf die Windlotterie von Berlin an.
Mal gab es eine Brise von hinten, mal störte eine lästige Luftbewegung von vorn – Verhältnisse, die Hoffnungen auf eine Bestleistung ausradierten. „Die sieben Meter sind wie eine magische Grenze, die ich gerne überwinden würde. Aber ich denke nicht permanent daran, sonst würde ich vielleicht verkrampfen. Und dann klappt es sowieso nicht“, ist Malaika Mihambo stets um Lockerheit bemüht.
Frühere Verletzungen abgehakt
Sie hat lernen müssen, dass Bäume nicht in den Himmel wachsen und der Erfolg Grenzen hat. Denn immer wieder wurde Malaika Mihambo, deren Vater von der Insel Sansibar im Indischen Ozean stammt und deren Mutter Deutsche ist, durch Verletzungen ausgebremst. 2016 stieg sie aufgrund von Oberschenkelproblemen erst eine Woche vor den Deutschen Meisterschaften in die Saison ein, ließ dann aber EM-Bronze und Platz vier bei Olympia folgen. 2017 musste sie wegen eines Knochenödems am Fuß wochenlang einen Spezialschuh tragen und beendete die Saison nach nur drei Wettkämpfen.
Mit Ehrgeiz, Fleiß und Durchsetzungsvermögen hat sie sich immer wieder zurückgekämpft. Mehr als einmal hat sie ihr Image als akribische Arbeiterin bestätigt. Und das nicht nur im Sport. Ihr Bachelor-Studium in Politikwissenschaften schloss die gebürtige Heidelbergerin, die 2014 von der Deutschen Sporthilfe als "Sportstipendiatin des Jahres" ausgezeichnet wurde, mit Bestnoten ab. Nach den Olympischen Spielen in Rio fing Malaika Mihambo mit dem Klavierspielen an. Inzwischen spielt sie richtig gut und mit Begeisterung, zum Beispiel Stücke von Chopin und Debussy.
Klavierspielen als Ausgleich
Ein Jammer, dass während der EM-Vorbereitung im Bundesleistungszentrum Kienbaum und im Hotel der deutschen Mannschaft in Berlin kein Klavier stand. „Wenn ein Klavier dagewesen wäre, hätte ich definitiv gespielt“, bekräftigt Malaika Mihambo. „Das ist ein Ausgleich, obwohl es mich enorm fordert. Wie man sich im Sport fordert, so muss man sich auch am Klavier fordern. Vielleicht macht es mir deshalb so viel Spaß."
Den Spaß an der Leichtathletik bewahrt sich die Weltklasse-Athletin schon seit eineinhalb Jahrzehnten. Alles hat angefangen, als sie mit acht Jahren an einem Ferienprogramm ihres Stammvereins TSV 1895 Oftersheim teilnahm. Der Verein, ihre Heimatgemeinde und rund 500 Schaulustige haben ihr und ihrem langjährigen Trainer Ralf Weber vier Tage nach dem EM-Coup einen glanzvollen Empfang beschert. Im offenen Oldtimer fuhr das Erfolgsduo auf dem Rathausplatz vor, wo auch der Eintrag in das Goldene Buch der 12.000-Seelen-Gemeinde anstand. Für die hochtalentierte Malaika Mihambo der nächste unvergessliche Moment. Aber ganz sicher nicht der letzte.
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