| Interview der Woche

Malte Mohr: "Ich habe nichts verlernt"

Malte Mohr (TV Wattenscheid 01) greift wieder an. Nach zwei durchwachsenen Jahren hat der 30-Jährige am Sonntag in Leverkusen das traditionelle „Season Opening“ der deutschen Stabhochspringer mit 5,50 Metern gewonnen – aus verkürztem Anlauf und mit deutlich Luft nach oben. Im Interview erzählt der zweimalige Hallen-Vize-Weltmeister, warum er seinen Lebensmittelpunkt von München zurück nach Bochum verlegt hat, was ihm die Zusammenarbeit mit seinem neuen Trainer Michael Kühnke bringt und warum er Gedanken ans Aufhören kategorisch ablehnt.
Harald Koken

Malte Mohr, nach einem Wettkampf hat man Sie schon lange nicht mehr so strahlen sehen wie am Sonntag. Darf man dies als Ausdruck von Zufriedenheit deuten?

Malte Mohr:

Ja, ich war sehr zufrieden. Da es erst Anfang Januar und somit sehr früh in der Saison ist, bin ich absolut im Soll. Mit dem nächsten Stab wären vielleicht sogar 5,60 Meter drin gewesen. Technisch sieht das alles gut aus, der Anlauf passt sehr gut. Da ich aus 14 Schritten Anlauf gesprungen bin, ist da auf jeden Fall noch Potenzial. Vom Trainingsstand her sind wir noch nicht da, dass wir schon aus 16 Schritten springen wollen. Ich bin also auf einem guten Weg.

Zwei Jahre lang hat wenig hingehauen. Woran lag's?

Malte Mohr:

Das waren verschiedene Dinge. 2014 habe ich mich ausgebrannt gefühlt. Ich hatte fünf Jahre auf absolut höchstem Niveau gearbeitet, bin bei jeder Meisterschaft dabei gewesen. Das ist mental sehr hart, wenn man permanent an seine Grenzen geht, um zu beweisen, was man drauf hat. Wir hatten voll den Fokus auf die Hallen-Weltmeisterschaften gelegt und es dann zum Sommer hin ein bisschen schleifen lassen, um den Druck rauszunehmen. Das hat sich allerdings sehr negativ ausgewirkt, weil komplett die Spannung raus war. Ich bin dann nicht mehr so richtig ins Rollen gekommen.

Hat die Psyche den hohen Erwartungen Tribut gezollt?

Malte Mohr:

Es kamen auch Verletzungen hinzu. Als es in der Vorbereitung auf die Hallensaison 2015 sehr gut lief, habe ich mir einen Muskelfaserriss und einen Anriss in der Achillessehnen-Platte zugezogen. Das hat mich eineinhalb Jahre gekostet. Ich habe immer wieder Probleme damit gehabt. Ich habe zwar viel trainiert und auch Sprünge machen können. Aber immer wieder Abbruch, immer wieder dass die Wade zugegangen ist. Jetzt allmählich kann ich wieder hundert Prozent belasten.

Warum haben Sie im letzten Jahr in München Ihre Zelte abgebrochen?

Malte Mohr:

Wenn es zwei Jahre wirklich gar nicht läuft, muss man über einen Wechsel des Umfeldes, eine neue Trainingsgruppe nachdenken. Erst waren da ja noch Raphael Holzdeppe und Fabian Schulze. Dann habe ich aber zwei Jahre komplett alleine gearbeitet. Das hieß immer wieder, sich selbst zu motivieren. Vor allem wenn es nicht läuft, ist es schwierig, in jedem Training voll an die Grenzen zu gehen. Im Stabhochsprung gibt es leider nichts Lockeres, da geht es nur mit 100 Prozent. Das ist immer schwieriger geworden, auch weil die Erfolge ausgeblieben sind. Wenn zwischendurch mal ein Erfolgserlebnis da gewesen wäre, hätte man vielleicht wieder einen Schalter umlegen können und dann wäre es wieder gelaufen. Aber so? Ich habe mich mit mehreren Leute beraten und bin zu der Erkenntnis gekommen: In einer Trainingsgruppe geht’s einfach leichter, da hat man Konkurrenz, man motiviert sich gegenseitig. Das gilt nicht nur für eine Technikeinheit, sondern fürs Krafttraining und für Laufeinheiten. Da werden in der Gruppe mehr Körner freigesetzt, man bringt einfach mehr. Und das bringt die Fitness auf einen Stand, mit dem man dann im Wettkampf angreifen kann.

Wie ist ihr Verhältnis zu Chauncey Johnson, der sie einige Jahre in München trainiert hat, heute?

Malte Mohr:

Das Verhältnis ist gut. Wir haben uns im Guten getrennt und weiterhin Kontakt. Meine Verlobte lebt in München und arbeitet dort, das heißt ich bin auch häufiger dort und mache dann auch noch die Technikeinheiten mit Chauncey Johnson. Wir sind nach wie vor Freunde. Er unterstützt mich weiter in dem Maße, in dem es möglich ist.

Ihr neuer Trainer ist Michael Kühnke. Was zeichnet ihn aus?

Malte Mohr:

Jeder Trainer hat seine Eigenarten. Kühni ist jemand, der dir Ruhe verleiht. Er strahlt etwas aus, das dir Sicherheit gibt. Er schürt keine großen Erwartungen. Er sagt nicht, dass du unbedingt etwas bringen musst. Er gibt dir Leichtigkeit. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr, sehr gut für mich.

Michael Kühnkes Schützling Björn Otto musste auch ständig Rückschläge wegstecken, hat aber dann doch Olympia-Silber geholt – und den Deutschen Rekord. Baut Sie das auf?

Malte Mohr:

(lacht) Ich will jetzt nicht über Medaillen und internationale Meisterschaften reden, dazu ist es viel zu früh. Aber klar hat man diese Erfolge im Hinterkopf. Michael Kühnke hat mit Sicherheit auf Björn Otto sehr positiv gewirkt. Carlo Paech kam auch bei ihm nach vielen Rückschlägen wieder ins Rollen. Ich glaube, Kühni hat da einfach ein gutes Händchen.

Was läuft im Training jetzt anders?

Malte Mohr:

An sich hat sich viel verändert, was die Trainingsinhalte angeht, aber das Grundkonzept ist sehr ähnlich geblieben. Darin enthalten sind Elemente, die ich in München von Tim Lobinger gelernt habe oder von Okkert Brits in Südafrika. Natürlich ist auch für mich einiges Neues dabei. Es sind andere Übungen, das Krafttraining ist anders organisiert, Dinge, die einen anderen Reiz setzen, der sich gerade bei mir sehr positiv auswirkt. Aber es ist nicht so, dass wir alles neu und alles anders machen.

Wie geht es in diesem Winter weiter?

Malte Mohr:

Ich gucke, dass ich jede Woche einen Wettkampf mache. Am Samstag in Merzig, dann die Westfälischen Hallenmeisterschaften in Dortmund. Ich will reinkommen, über die Wettkampfpraxis die Sicherheit für die Stäbe finden. Und dann mal schauen. Riesenziele wie die Teilnahme an internationalen Meisterschaften habe ich mir gar nicht gesetzt. Ich glaube, nach den zwei Jahren ist es ratsamer, auf dem Boden zu bleiben und Schritt für Schritt zu planen. Die 5,50 Meter zum Auftakt waren super. Die 5,60 Meter kann man vielleicht in Merzig wieder angreifen, vielleicht bleibt die Latte dann sogar liegen. Das sind meine Vorsätze für die nächste Zeit.

Nach der Hallen-EM brauche ich also gar nicht zu fragen?

Malte Mohr:

Nein, momentan noch nicht. Darüber können wir reden, wenn ich die Norm gesprungen bin.

Aber die WM in London ist doch sicherlich Thema, oder?!

Malte Mohr:

Ja klar, London ist das große Ziel in diesem Jahr. Mit einem Start bei den Weltmeisterschaften plane ich auf jeden Fall. Ich springe jetzt im Training nicht niedriger als ich das früher zum gleichen Zeitpunkt gemacht habe. Trotzdem sind die Höhen, die man braucht, um dort Erfolge zu feiern, momentan noch ein bisschen weg. Aber bis zum Sommer ist es noch lange hin. Da kann sich noch sehr, sehr viel entwickeln, sehr viel passieren. Ich habe nichts verlernt, es ist alles noch da, muss halt nur abgerufen werden.

Und wenn es nicht klappt?

Malte Mohr:

Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.

Können Sie sich ein Leben ohne Stabhochsprung vorstellen?

Malte Mohr:

Momentan könnte ich mir das nicht vorstellen. Gut, ich bin jetzt über 30, aber ich habe überhaupt noch keine Altersbeschwerden. Ich würde es für mich persönlich auch nicht einsehen, warum ich den Stab zur Seite legen sollte. Ich verbessere mich noch in so vielen Sachen, ich werde immer noch schneller und stärker. Solange das nicht bergab geht, denke ich überhaupt nicht ans Aufhören.

Mehr:

<link news:52811>Malte Mohr meldet sich mit 5,50 Metern zu Wort

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