Marathon ist kein Kinderspiel
Jeder glaubt, Marathon laufen zu können. Michael Brinkmann, der als Gastredner auf der Lauftagung des Fußball- und Leichtathletik-Verbandes Westfalen im SportCentrum Kaiserau zum Thema „Organisation und Sorgfaltspflichten eines Ausrichters für Laufveranstaltungen am Beispiel des Münster-Marathons“ sprach, sieht darin eine große Gefahr.
So fragte ihn vor kurzem eine junge Dame, wo man sich für den Münster-Marathon, der am kommenden Sonntag (12. September) stattfindet, anmelden könne. Bei dem anschließenden Gespräch stellte sich heraus, dass sich die Hobby-Sportlerin bereits nach der Mini-Vorbereitungszeit von zwei Monaten erstmalig in das Ausdauer-Abenteuer stürzen wollte.„Ich habe ihr geraten, es erst einmal mit einem 10-Kilometer-Lauf oder einem Halbmarathon zu versuchen und frühestens in zwei Jahren bei einem Marathon zu starten“, berichtete der Cheforganisator des Münster-Marathons. Marathon-Novizen erleben oft zwischen 30 und 40 Kilometern die „Hölle“ und gehen dann nie wieder über die 42,195-Kilometer-Distanz an den Start. Zudem bringen sie sich unnötig in Gefahren und damit einen Veranstalter in Schwierigkeiten.
Nicht mehr der billigste Sanitätsdienst
Inzwischen hat sich bei den Marathon-Veranstaltern jedoch einiges geändert. „Früher wurde der Sanitätsdienst genommen, der den günstigsten Kostenvoranschlag machte“, erinnerte sich Michael Brinkmann. „Die zuständigen Mitarbeiter bekamen dann einen Streckenplan in die Hand gedrückt, und damit meinte ein Veranstalter, seine Sorgfaltspflicht erfüllt zu haben.“
Doch weit gefehlt: Jeder Veranstalter hat Verkehrssicherungspflichten. Wenn diese missachtet werden, drohen Schadensersatzansprüche. Es besteht mit den Teilnehmern eine vertragliche Haftung nach §280 BGB. „Wir können nicht generell unsere Haftung ausschließen“, betonte Michael Brinkmann. „Denn, wenn wir fahrlässig handeln, haften wir trotzdem. Der Hinweis auf den Haftungsausschluss in der Ausschreibung ist kein Freifahrtschein.“
Aggressivität steigt
Jeder Veranstalter einer großen Straßenlauf-Veranstaltung schafft den Zustand einer Gefahr – nicht nur für die Läuferinnen und Läufer, sondern auch für die Zuschauer, die manchmal dicht gedrängt am Straßenrand oder im Zielbereich stehen. Michael Brinkmann beobachtete in den letzten Jahren, dass die Aggressivität einiger Leute, vor allem auch die der Anwohner an einer Strecke, immer größer wird, so dass es zunehmend schwieriger wird, ehrenamtliche Streckenposten zu finden.
Die Organisatoren des Münster-Marathons haben im Vorfeld der Veranstaltung in den letzten Tagen bereits 51.000 Info-Blätter und 30.000 Streckenpläne verteilt sowie eine professionelle Hotline geschaltet, um die Zahl der Probleme bereits im Vorfeld zu minimieren.
Besprechungen mit vielen Teilnehmern
Zur Gefahrenabwehrplanung bei einem Straßenlauf zählen unter anderem auch die technische Vor- und Nachbesprechungen, an denen die Polizei, die Feuerwehr, das Ordnungsamt, die Sanitäts- und Rettungsdienste, die Stadtwerke und die Mitarbeiter des Orga-Teams teilnehmen. „Aus dieser technischen Vorbesprechung gehen wir erst heraus, wenn wir uns alle einig sind“, erläuterte Michael Brinkmann.
Nach der Katastrophe bei der Loveparade in Duisburg ist man in vielen Bereichen wesentlich sensibler geworden. Daher müssen – so Michael Brinkmann – die Hinweise der Polizei, des Ordnungsamtes und der Rettungsdienste ernster genommen werden als je zuvor.
Richtlinien bieten Hilfestellungen
Das Gefahrenpotential einer Veranstaltung ergibt sich aus den Teilnehmern, den Zuschauern sowie aus der Art, dem Ort und den äußeren Umständen einer Veranstaltung (u.a. Hitze). Konkrete Hilfen bieten u.a. die IAAF-Richtlinien, die bei Läufen über 10 Kilometern und mit mehr als 500 Teilnehmern einen Rennarzt, der mit laufassoziierten Krankheiten vertraut ist, vorschlagen.
Jeder Sanitätsposten sollte mit einem Arzt besetzt sein. Pro 1.000 Läufer empfiehlt es sich, fünf bis zehn medizinische Kräfte sowie ebenso viele nichtmedizinische Helfer einzusetzen.
Um schnell und überall eingreifen zu können, haben sich beim Münster-Marathon Notärzte auf Fahrrädern hervorragend bewährt. Diese Mediziner können auch „angeschlagene Läufer“ auf mögliche Gesundheitsgefahren ansprechen und sie eventuell aus dem Rennen nehmen. Der Sanitätsdienst muss so organisiert werden, dass die Einsatzzeiten unter vier und erforderliche Rettungsmaßnahmen unter acht Minuten liegen.
Startnummern geben Hinweise
Um im Notfall keine Zeit zu verlieren, haben die Organisatoren des Münster-Marathons in Zusammenarbeit mit ihrem Rennarzt Dr. Ralph Schomaker eine Startnummern-Rückseite entwickelt, auf der alle Vorerkrankungen der Läuferinnen und Läufer sowie alle notwendigen medizinischen Hinweise verzeichnet sind. Bewährt haben sich auch im Hinblick auf zukünftige Veranstaltungen die Notfall-Protokolle der Rettungsdienste, die seit 2008 beim Münster-Marathon eingesetzt werden.
Aus bisherigen Aufzeichnungen geht hervor, dass auf den ersten 10 Kilometern meist nicht allzu viel passiert, während sich die Vorfälle nach 30 Kilometern häufen, wenn der „Mann mit dem Hammer“ zuschläg. Aufgrund dieser Erfahrungen wird beim Münster-Marathon die Dichte der „medical points“ mit zunehmender Strecke immer größer.
Umfassende Läuferaufklärung
Zur Gefahrenvermeidung gehört beim Münster-Marathon auch eine umfassende Läuferaufklärung im Vorfeld. Dazu zählen unter anderem die Broschüre von Dr. Ralph Schomaker „42 Tipps für 42 Kilometer“, das Marathon-Mentorenprogramm des FLVW für Marathon-Novizen, das Projekt „Geh`aufs Ganze“, bei dem erfahrene Trainer Fragen rund ums Laufen beantworten, und die Homepage des Münster-Marathons, auf der man sich ebenfalls umfassend über das Ausdauer-Abenteuer informieren kann.
Zur optimalen Vorbereitung auf einen Marathonlauf zählt auch die Auswahl eines optimalen Laufschuhs. So haben nach Aussage von Lauftrainer und Orthopädie-Schuhmachermeister Christian Wortmann die Füße Tag für Tag Schwerstarbeit zu leisten. So lasten auf ihnen innerhalb von 24 Stunden mehrere Tonnen.
Zahlen bleiben stabil
Zurzeit gibt es zwischen 500 und 600 verschiedene Laufschuh-Modelle auf dem Markt. Da ist es schwierig, die Übersicht zu behalten. Christian Wortmann riet den Anwesenden mehr auf die Führung als auf die Dämpfung zu achten. Zudem sollte jeder Läufer den Schuh, den er kaufen möchte, einmal im Laden oder auf der Straße ausprobieren. Darüber hinaus sollte jeder Käufer auf entsprechendes Fachpersonal achten.
Im Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen nahmen im vergangenen Jahr 153.947 Läuferinnen und Läufer an 332 Veranstaltungen teil. Gegenüber 2008 ergaben sich somit nur geringfügige Veränderungen (324/156.215).