DLV-Leistungssportkonferenz - "Roten Faden finden"
"Es geht bei dieser erstmals stattfindenden Leistungssportkonferenz nicht darum, kurzfristig Veränderungen vor den Olympischen Spielen in Athen vorzunehmen. Vielmehr wollen wir aus konstruktiver Diskussion Lösungsvorschläge für den neuen Olympiazyklus ableiten", sagte DLV-Generalsekretär Frank Hensel am Wochenende in Darmstadt.
Frank Hensel gab das Motto aus:
60 repräsentative Vertreter des Leistungssports im DLV diskutierten über die Zukunft der deutschen Leichtathletik. Gekommen waren unter anderem Präsidenten ausgewählter Landesverbände, Stützpunktleiter, DSB-Koordinator Dr. Arne Güllich, Athletenmanager, Athletenvertreter, Teamleiter, Sportwarte, Landestrainer, Vereinsvertreter sowie Repräsentanten der German Meetings. Auch der ehemalige Cheftrainer Paul Schmidt gehörte zu den Referenten, die mit Impulsreferaten und anschließender Diskussion eine Standortbestimmung der deutschen Leichtathletik vornahmen. "Wir müssen einen roten Faden von unten nach oben finden, um unsere Probleme zu lösen", sagte Karl Rauh, Präsident des Bayerischen Leichtathletik-Verbandes.
Stabile Ergebnisträger fehlten
DLV-Cheftrainer Dr. Bernd Schubert stellte im Rahmen seiner Analyse fest: " Vor der WM in Paris haben wir immer Saisonbestleistungen zum Saisonhöhepunkt gebracht. Dies war bei den Weltmeisterschaften 2003 nicht der Fall. Uns fehlten zuletzt stabile Ergebnisträger, die wir in den Jahren zuvor immer hatten. Im Nachwuchs sind wir Weltspitze, doch beim Übergang ist keine überzeugende Tendenz erkennbar. Deshalb müssen wir unser Ausbildungs-System überdenken." Man müsse sich fragen, ob man künftig Disziplinen, die über zwei Olympiazyklen hinweg keine Ergebnisanteile bringen, noch fördern wolle.
Einig waren sich die Beteiligten darüber, dass sich wesentliche Strukturelemente bewährt haben und künftig stärker in die Talentsichtung und Talentförderung zu investieren ist. Über eine Konzentration der Spitzen-Leichtathletik auf wenige Standorte müsse man ebenso nachdenken wie darüber, dass die besten Athleten bei den besten Trainern trainieren sollten. Schließlich sind die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Leichtathletik in keinem anderen Land so günstig wie in der Bundesrepublik Deutschland. Hier gibt es die meisten Leichtathletik-Hallen, die meisten Tartanbahnen, die meisten Meetings. Allein 2,3 Millionen Euro investiert der DLV jährlich für 61 Trainer, die sich um 700 Kaderathleten kümmern.
Langjährige Erfahrung nötig
Für den ehemaligen Cheftrainer Paul Schmidt gilt es vor allem ein klares Trainerprofil zu erarbeiten, an dem künftig alle Trainer gemessen werden. Ein erfolgreicher Trainer müsse langjährige Erfahrung mitbringen, nachgewiesene Fachkompetenz, überdurchschnittliches Engagement, kommunikations- und kooperationsfähig sein, sowie gegen Widerstand Handlungskompetenz und realistische Zielsetzung beweisen.
Außerdem müsse er Vorbild sein und Loyalität gegenüber dem Verband zeigen. "Bis Anfang der 80er Jahre hatten wir genügend Talente und waren deshalb zu keiner Sichtung gezwungen. Heute ist eine effektive Talentsichtung im DLV unabdingbar. Es gibt keine Helden mehr, sondern nur noch den Chor. Wenn es uns nicht gelingt, Helden und Dirigenten in allen Bereichen zu finden, dann wird es schwer."
Zu hohe Belastung führt zum Ausfall
Für Herbert Czingon, Teamleiter Stabhochsprung, werden zu oft bewährte Trainings-Schemata übernommen. Oft behindere ein ungünstiger Einsatz von Wettkämpfen den Leistungsaufbau. "Zu hohe Belastung führt häufig zum Ausfall. Statt um den Athleten zu konkurrieren, müssen Heimtrainer und Bundestrainer intensiver als bisher zusammen arbeiten. Letztlich brauchen wir eine effektivere zentrale Steuerung. Viele Leistungsträger haben den Zenit des Alters überschritten und die Nachrückergeneration kann bisher noch keine stabile Leistungskette vorweisen."
Als ein Hauptproblem der derzeitigen schwierigen Situation in der Leichtathletik sieht Martin Sanne vom Olympiastützpunkt Magdeburg die mangelnde Streitkultur über trainingsmethodische Fragen. "An vielen Stellen stimmt ganz einfach die Trainings-Strategie nicht."
Zum Abschluss der Leistungssportkonferenz stellte Frank Hensel fest: "Der Leistungssport hat immer Hochs und Tiefs, in jeder Sportart. Im jetzigen Tief, in dem wir uns befinden, liegt es an uns, aus der Komplexität der Fragestellungen das Richtige und Machbare für eine erfolgreiche Zukunft abzuleiten. Bei der Spitzensportkonferenz im September in Kienbaum werden konkrete Beschlüsse folgen."
STIMMEN VON DER LEISTUNGSSPORTKONFERENZ
Frank Hensel, DLV-Generalsekretär: Im Hochleistungssport gibt es Hoch und Tiefs, in allen Sportarten. Wir müssen uns fragen: Ziehen beim Leistungs-Anspruch und Leistungs-Maßstab alle an einem Strang?
Dr. Bernd Schubert, DLV-Cheftrainer: Im Leistungssport darf man nie zufrieden sein, vielleicht kurz drei Tage nach dem Olympia-Sieg, dann muss die Arbeit weitergehen.
Herbert Czingon, Teamleiter Stabhochsprung: Nicht überall haben wir Know-how für Spitzenleistungen. Wir brauchen Trainer mit Erfahrung, die Visionen haben. Föderale Strukturen führen zu Zersplitterung der Zuständigkeiten bei Konzeption und Mitteleinsatz.
Martin Sanne, Olympiastützpunkt Magdeburg: Als Verein habe ich mich von bestimmten Disziplinen verabschiedet.
Dr. Arne Güllich, DSB-Koordinator: Jede Form von Konzentration führt zu einer Erhöhung der drop-out-Problematik
Eberhard König, DLV-Teamleiter Staffel: Nicht nur der Athlet, auch die Trainer müssen mobil sein.
Uli Hobeck, German Meetings: Wir sollten daran arbeiten, erzieherisch wertvoller mit den Athleten umzugehen.
Paul Schmidt, ehemaliger Cheftrainer: Wir überschätzen maßlos das Kaderpotential, was wir in den einzelnen Ebenen haben. Wer es nicht schafft, zwischen 18 und 23 den Fuß in der Weltklasse zu haben, der wird es nicht schaffen.
Uwe Hakus, DLV-Teamleiter Sprint: Über 50 Prozent des Ergebnisanteils stammt von Trainern, die direkt beim DLV angestellt sind.
Heiner Jank, Koordinator Bundesstützpunkt Neubrandenburg: Das Wissen von verdienten Trainern, die aufhören, muss weiter genutzt werden.
Jürgen Mallow, Landestrainer Bayern: Wir brauchen keine veränderten Kaderstrukturen. Wir brauchen keinen früheren Zugriff der Bundestrainer auf junge Talente. Kaum eine Sportart stellt derart hohe Anforderungen wie die Leichtathletik.
Dr. Wolfgang Killing, Teamleiter Hochsprung: Wir müssen den Dialog mit den Partnern zurückgewinnen.