Marc Schuh - Physiker, Tüftler, Goldkandidat
Marc Schuh (TV Herkenrath) ist ein Superhirn. Abi mit 17, Bachelor mit 1,0, Promotion folgt. Doch der Rollstuhl-Sprinter ist auch ein hervorragender Sportler.
Viele Jahre war Marc Schuh ein mittelmäßiger Schüler gewesen. Die Zulassung fürs Gymnasium hat er nur auf Druck der Eltern bekommen, bis zur 6. Klasse tat er nur das Nötigste. Dann sagte seine Mutter den entscheidenden Satz: "Dein Bruder war aber besser." Das hat meinen Ehrgeiz angestachelt", sagt der 23 Jahre alte Rollstuhl-Sprinter im SID-Interview.Denn von da an startet das Superhirn durch, in der Schule wie im Sport. Die elfte Klasse überspringt Marc Schuh, das Abitur macht er trotzdem mit 1,3, seinen Bachelor der Kernphysik in Heidelberg mit 1,0.
Extrem intelligent, strebsam und erfolgreich - Marc Schuh war jemand, den Mitschüler im Teenie-Alter oft schräg von der Seite anschauen. "Eigentlich war ich jemand, der auf dem Schulhof hätte verprügelt werden müssen", sagt er schmunzelnd: "Aber beim einzigen Rollstuhlfahrer haben sie es sich zum Glück nicht getraut."
Hobbys zum Beruf gemacht
Marc Schuh, mit einer Fehlbildung der Wirbelsäule geboren, hat seinen Weg gemacht. Doktor-Titel und Paralympics-Gold, beides scheint für ihn durchaus möglich. "Ich habe meine beiden Hobbys zum Beruf gemacht", sagt er. "Deshalb brauche ich keine Hobbys mehr."
Seine beiden Schwerpunkte fließen bei dem gebürtigen Bergisch-Gladbacher, der über 100 Meter Fünfter wurde und über 400 Meter am Mittwoch (5. September) Medaillendandidat ist, immer wieder ineinander. "Vor allem ist es aber so, dass mir meine Physik-Kenntnisse im Sport nutzen", erklärt er.
Gemeinsam mit seinem Vater, einem Mathematik-Professor, hat er ein Messgerät entwickelt, das die Leistungsfähigkeit von Rennrollstühlen analysiert. "Bis zu 1,5 Millionen Datenpunkte pro Tag" erhält er dadurch als Information, sagt er.
Tüftelei am Rollstuhl
Kurz vor den Paralympics hat er auf diesem Weg auch etwas an seinem Rollstuhl gefunden, dessen Lösung ihm den entscheidenden Schub geben könnte. "Es war ein garstiges Materialproblem", erklärt er. "Lange dachten wir, es liegt an der Form, dass die Ergebnisse in diesem Jahr nicht so gut waren. Irgendwann war klar, dass es das Material sein muss, aber seitdem gab es keine Rennen mehr, um nach der Änderung zu testen."
Deshalb ist er sehr gespannt, ob sich die Tüfteleien ausgezahlt haben. Was genau das Problem war, will er nicht sagen, "denn es ist ein dummer Fehler, der günstig zu beheben ist und der anderen vielleicht auch gerade passiert." Und Anleitungen will er der Konkurrenz nicht geben.
Natürlich will ein strebsamer Mensch wie er am liebsten auch Gold gewinnen. Das grundsätzliche Potenzial dazu hat er. Er ist Europarekord-Halter, war in den vergangenen drei Jahren immer der Schnellste in Europa und hat als Junior zehn WM-Titel eingefahren. Doch die Konkurrenz, vor allem aus China, wird stark sein. "Und ich weiß: Es gibt im Leben immer einen, der noch besser ist als du", sagt Marc Schuh: "Aber es reizt mich rauszufinden, wer das ist und wie nahe ich an ihn herankomme."
Materialintensive Sportart
Eigentlich will er nach den Spielen von London noch weitermachen bis Rio 2016. Sein sportliches Talent und sein physikalisches Verständnis garantieren schließlich weiteres Entwicklungspotenzial: "Aber finanziell wird es ohne Top-Team-Förderung schwierig", erzählt er: "Es ist immerhin eine sehr materialintensive Sportart."
Existenzbedrohend werde der Engpass freilich nicht. "Ich habe noch die Physik", sagt er. "Und arbeitslose Physiker gibt es kaum." Sein Wunsch wäre "ein Entwicklerjob mit schönen Projekten. Vor Arbeit scheue ich mich nicht." Dies könnte ihm auch bei den Paralympics den entscheidenden Vorteil verschaffen. Gold und Doktor-Titel: Für Marc Schuh scheint beides möglich.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)