
Marco Schmidt - Kugel-Aus zugunsten des Jobs
Er legt die Kugel beiseite. Während Weltmeister David Storl (LAC Erdgas Chemnitz) als einziger Deutscher am Freitag bei der Hallen-WM in Sopot (Polen) in den Ring stieg, verabschiedet sich Marco Schmidt (SR Yburg Steinbach) für immer vom Kugelstoßen. Es ist ein plötzlicher Abschied, doch ein gut überlegter.
„Zwölf Jahre lang habe ich nur für den Leistungssport gelebt, jetzt ist die Zeit für ein Leben ohne Leistungssport gekommen“, sagt Marco Schmidt. Ende Januar stand er noch im Ring, in diesem Winter stieß er die Kugel noch auf 19,43 Meter. Das ist Platz zwei in der Deutschen Bestenliste gemeinsam mit Tobias Dahm (VfL Sindelfingen), der exakt die gleiche Weite gestoßen hat. „Ist okay“, sagt Marco Schmidt zu dieser Leistung. Aber okay reicht einem Athleten, der zu seinen besten Zeiten reihenweise über 20 Meter stieß, eben nicht.
Sein bestes Jahr war ohne Zweifel 2011. Sieben seiner zehn weitesten Stöße stammen aus dieser Zeit. Um acht Zentimeter verpasste er damals nur den Einzug ins WM-Finale von Daegu (Südkorea). „Ärgerlich“, findet Marco Schmidt das noch heute. Eine euphemistische Bezeichnung, zieht man in Betracht, dass einer der zwölf Athleten, die vor ihm ins Finale einzogen, im Nachhinein des Dopings überführt wurde. Der damals drittplatzierte Andrei Mikhnevich (Weißrussland) wurde 2013 lebenslänglich gesperrt, seine Ergebnisse seit 2005 annulliert und Schmidt rutschte damit in der WM-Wertung 2011 auf den zwölften Platz vor.
Bei Europameisterschaften schaffte er es dagegen in den letzten drei Jahren regelmäßig ins Finale. 2011 wurde er Fünfter bei der Hallen-EM in Paris (Frankreich), 2012 Achter bei der EM in Helsinki (Finnland) und im vergangen Winter landete er bei der Hallen-EM in Göteborg (Schweden) auf dem siebten Platz.
Schleichender Prozess
Als er am 30. Januar in Düsseldorf im Ring stand, ahnte er noch nicht, dass es sein letzter Wettkampf sein würde. „Der Gedanke vom Karriere-Ende kam schleichend, aber dann ging plötzlich doch alles ganz schnell.“ Sein Arbeitgeber, die AOK in Pforzheim, bot ihm eine gute berufliche Perspektive. Marco Schmidt arbeitet dort im Forderungseinzug, hat Aufstiegschancen und will seinen Betriebswirt machen. „Der Job macht mir Spaß“, sagt er. „Vorher habe ich meine ganze Energie ins Kugelstoßen gesteckt. Diese Energie will ich jetzt auch in meinen Beruf zeigen.“
Einfluss auf das Karriere-Ende hatten aber auch die zahlreichen Verletzungen, die in den letzten Jahren zum ständigen Begleiter des Kugelstoßers geworden waren. 2012 musste er zweimal am Knie operiert werden, ein Knorpel wurde transplantiert, im vergangenen Sommer musste er die Saison aufgrund eines Mittelfußbruchs vorzeitig beenden. „Schmerzfrei bin ich bis heute nicht.“
Zukunft als Trainer und Footballer
Doch auch im Leben nach dem Kugelstoßen wird es ohne Sport nicht gehen. In seinem Heimatverein, der TSG Niefern, wo sein Sportlerleben als Handballer begann, wurde er am Mittwoch zum Vizepräsident Leistungssport gewählt, soll als Botschafter den Wettkampfsport des Vereins vorantreiben und auch eine Wurfgruppe aufbauen und trainieren. „Das sind ganz neue Aufgaben für mich, auf die ich mich aber sehr freue.“
Und auch selber wird er weiterhin sportlich aktiv bleiben. Als Footballer bei den Pforzheimer Wilddogs. „Den Sport fand ich schon immer toll und jetzt habe ich die Zeit, ihn auszuprobieren.“ Fünf Mal trainiert er auch heute noch in der Woche. Im Fitnessstudio, bei den Footballern oder auch auf der Laufrunde. Eine Kugel hat der 1,99-Meter-Mann dagegen seit einigen Wochen nicht mehr angefasst. „Bis jetzt vermisse ich es nicht.“ Bei dem Tempo, das sein neues Leben gerade aufnimmt, bleibt ohnehin keine Zeit für Wehmut.