Maria Mutola ist UN-Sonderbotschafterin
Auf der Kunststoffbahn, wenn es hart auf hart geht, hat sie keine Gnade mit ihren Gegnerinnen. Da nimmt sie, was sie kriegen kann. Aber im realen Leben ist Maria de Lourdes Mutola, die ihren Namen der barmherzigen Mutter Gottes verdankt, eine mildtätige Frau mit einem großen Herz für sozial schwache Kinder. Sie hat gelernt zu teilen und wurde gestern in Maputo, ihrer Heimatstadt, von den Vereinten Nationen zur Sonderbotschafterin zum Wohle der Jugend ernannt.
Maria Mutola ist UN-Sonderbotschafterin (Foto: Schröder)
Die Ausnahmeläuferin aus Mosambik, die noch vor wenigen Wochen bei der WM im "Stade de France" von Paris die Goldmedaille über 800 Meter gewonnen hat, war in dieser Saison die absolute Großverdienerin. Alle sechs Rennen der lukrativen Golden League-Serie hat sie in einer Art und Weise dominiert, dass sich ihrer Wegbegleiterinnen wie bloße Statisten gefühlt haben. Mit einer Million US-Dollar (880.000 Euro) war der Jackpot angefüllt, der ihr am Ende einer turbulenten Saison ganz allein gehörte.Bewusstsein schärfen
Die Verantwortlichen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, "PNUD" genannt, "Programme des Nations Unies pour le Développement", das sich weltweit für die Erziehung und Sicherheit sozialschwacher Kinder einsetzt, waren eigens nach Maputo gereist, um Maria Mutola in einer Feierstunde zur Sonderbotschafterin zu ernennen. "Mit meiner ganzen Kraft werde ich mich dafür einsetzen, dass die Menschen auf die Aids-Gefahr hingewiesen werden", sagte sie unter anderem in ihrer Ansprache, "in meinem Land, in Afrika und in der gesamten Welt muss das Bewusstsein für die Gefahren, die von dieser Krankheit ausgehen, geschärft werden."
Die UN hat Maria Mutola aus gutem Grund für diese Rolle ausgesucht. Denn in Mosambik wird sie wie eine Nationalheldin verehrt. Ihr Wort hat Gewicht. Maria Mutola ist ein Star, aber einer, der bei allen Erfolgen schön auf dem Teppich geblieben ist. Sie hebt nicht ab und fällt nicht auf. "Nach wie vor habe ich eine enge Beziehung zu meiner Heimat", erklärte Maria Mutola, "auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dort wieder zu leben."
Häufige Besuche
Wann immer sie die Chance hat, nimmt sie den Flieger und jettet nach Maputo, in die Kapitale von Mozambik. Dort ist die Schule, die sie einst besucht hat, nach ihr benannt worden, auch eine Straße trägt ihren Namen. "Weil mich meine Eltern bloß im Fernsehen sehen", meinte Maria Mutola mit einem strahlenden Lächeln, "muss ich sie halt häufiger besuchen." Leben möchte sie nicht mehr in diesem kargen Land, in dem 38 Prozent der Bevölkerung ein trauriges Dasein unter der Armutsgrenze fristen und 72 Prozent der Frauen zu den Analphabeten zählen.
In Maputo liegen ihre Wurzeln. Da ist sie aufgewachsen gemeinsam mit ihren fünf Geschwistern. José Craverinha, ein bekannter Dichter, entdeckte Maria Mutola auf der Straße, wo sie mit den Jungs Fußball spielte. Er und sein Sohn, ein Leichtathletik-Coach, redeten damals unaufhörlich auf sie ein, bis die kleine Maria ein wenig traurig von der Lederkugel abließ und sich dem schnellen Laufen widmete. "Ohne ihr Reden wäre ich wohl in irgendeinem portugiesischen Fußballteam gelandet", schaute sie zurück, "mit gerade mal sechzehn Jahren bin ich dann in die USA geflogen."
Eigene Stiftung
Die Eltern wollten anfangs nicht, dass ihr jüngstes Kind, das "Nesthäkchen", im Land der unbegrenzten Möglichkeiten studiert. Doch ein Stipendium des Olympischen Solidarität-Komitees garantierte ihr eine grundsolide Ausbildung und obendrein hervorragende Trainingsmöglichkeiten. Damit auch andere Nachwuchstalente genauso wie sie gefördert werden, hat die 30-jährige Mittelstrecklerin die "Maria Mutola Stiftung" ins Leben gerufen, in die zehn Prozent ihres Einkommens fließen. Dadurch wird alljährlich vier Jugendlichen die Chance gegeben, in Eugene Sport und Studium zu kombinieren.
Das hat auch Maria Mutola erfolgreich praktiziert. Denn im US-Bundesstaat Oregon studierte sie Englisch und wurde auf der Laufbahn von Jeff und Margo Fund betreut. Olympiasiegerin war sie, Weltmeisterin sowohl fünf Mal in der Halle als auch drei Mal im Freien. Maria Mutola, die Unersättliche, hat aber nie vergessen, aus welch ärmlichen Verhältnissen sie gekommen ist. Mit ihr als Sonderbotschafterin haben die Vereinten Nationen eine vorzügliche Wahl getroffen.