Maria Mutola - Power auf Dauer
Sie trommelt mit ihren Beinen so kraftvoll um die Bahn, dass der rote Kunststoffbelag unter ihren Füßen wegzutauchen scheint. Und Maria de Lourdes Mutola weiß, dass in jedem Schritt, der sie vorwärts bringt, die Kraft eines Turboladers steckt. Fußball hat sie einst gespielt. "Mein Traum war früher immer, in einer Profi-Mannschaft mein Geld zu verdienen", erzählt die "Power-Frau" aus Mozambique, die mit 1:55,19 Minuten (Zürich 1994) auf Platz sieben in der ewigen Weltbestenliste geführt wird, "doch dann bin ich bei der Leichtathletik gelandet." Was für eine glückliche Fügung des Schicksals, denn auf der klassischen Mittelstrecke über 800 Meter sammelt sie die Titel wie andere Leute Briefmarken.
Maria Mutola ist die amtierende 800-Meter-Weltmeisterin (Foto: Kiefner)
Aber sie steckt noch immer voller Pläne. Am Montagabend will Maria Mutola den Weltrekord über 1000 Meter in Linz attackieren. Den hält die Russin Svetlana Masterkova seit sechs Jahren. Ihre Zeit, aufgestellt in Brüssel, liegt bei 2:28,98 Minuten. Mutolas Bestleistung ist unwesentlich langsamer. 2:29:34 lautet ihre Marke, die sie beim Gugl-Meeting in Linz brechen möchte. Mit dabei ist auch die Slowenin Jolanda Ceplak, ihre Dauer-Rivalin, in dieser Saison die Schnellste über 800 Meter mit 1:55,19 Minuten.Maria Mutola, die Unersättliche
Ein Weltrekord würde sich in ihrer stattlichen Sammlung gut machen! Was hat sie nicht schon alles erlebt in ihrer unvergleichlichen Karriere. Olympiasiegerin war sie, Weltmeisterin sowohl vier Mal in der Halle als auch zwei Mal im Freien. Maria Mutola, die Unersättliche, strotzt vor Ehrgeiz. Verlieren? Kann sie nicht. Gewinnen? Will sie so oft wie nur möglich. "Momentan", sagt sie, "bin ich prima in Form." In der Tat! Erfolge bei den Commonwealth-Games in Manchester und anschließend auch bei den Africa-Games in Tunis sorgen für eine prächtige Sommer-Ausbeute.
Im Zürcher Letzigrund, Etappenort der lukrativen "Golden-League-Serie", setzte sie noch am Freitagabend ihre eindrucksvolle Serie mühelos fort und feierte bereits den zehnten Sieg in Folge beim fraglos bestbesetzten Sportfest der Welt. Jolanda Ceplak, die amtierende Europameisterin über 800 Meter, war machtlos gegen eine Maria Mutola, die ihre Widersacherin mit einem fulminanten Finish zermürbte.
Ein Kraftwerk auf zwei Beinen
Maria Mutola ist ein Kraftwerk auf zwei Beinen. Sie misst 1,62 Meter und bringt 61 Kilo auf die Waage. Einmal in Fahrt gekommen, gleicht sie einem perpetuum mobile, das kaum mehr zu bremsen ist! Nichts, so scheint es, vermag sie aufzuhalten.
In Mozambique wird sie wie eine Nationalheldin verehrt. Maria Mutola ist ein Star, aber einer, der bei allen Erfolgen schön auf dem Teppich geblieben ist. Sie hebt nicht ab und fällt nicht auf. "Nach wie vor habe ich eine enge Beziehung zu meiner Heimat", so Mutola, "auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dort wieder zu leben." Wann immer sie die Chance hat, besucht sie ihre Eltern, die in Maputo, der Hauptstadt von Mozambique, leben. "Sonst sehen sie mich ja bloß im Fernsehen", bemerkt sie mit einem strahlenden Lächeln, "deshalb muss ich sie halt häufiger besuchen." Dann nimmt sie den Flieger und begibt sich zurück zu ihren Wurzeln.
Mit 14 Jahren in die Staaten
In Maputo ist sie aufgewachsen gemeinsam mit ihren fünf Geschwistern. José Craverinha, ein bekannter Dichter und Teilzeit-Coach, entdeckte Maria Mutola einst auf den Straßen von Maputo, wo sie mit den Jungs Fußball spielte. Er und sein Sohn redeten damals unaufhörlich auf sie ein, bis die kleine Maria ein wenig traurig von der Lederkugel abließ und sich dem schnellen Laufen widmete. "Ohne ihr Reden wäre ich wohl in irgendeinem portugiesischen Fußballteam gelandet", kramt sie in ihren Erinnerungen, "mit gerade mal vierzehn Jahren bin ich dann in die USA geflogen." Die Eltern wollten anfangs nicht, dass ihr jüngstes Kind, das "Nesthäkchen" sozusagen, im Land der unbegrenzten Möglichkeiten studiert. Doch ein Stipendium des Olympischen Solidarität-Komitees garantierte ihr eine grundsolide Ausbildung und obendrein hervorragende Trainingsmöglichkeiten.
Die Umstellung war zunächst groß. Riesengroß. "Ich konnte kein Wort Englisch und fühlte mich völlig einsam." Doch Maria Mutola setzte sich durch, studierte Englisch in Eugene im Bundesstaat Oregon und wurde auf der Laufbahn von Jeff und Margo Fund betreut.
Keine halben Sachen!
Mittlerweile ist Maria Mutola eine dicke Nummer im Leichtathletik-Zirkus. Risikolos kann man sie verpflichten, denn die nimmermüde Tempobolzerin gibt stets ihr Maximum. Halbe Sachen sind nicht ihr Ding! Mutola geht aufs Ganze, sie will gewinnen, immer und immer wieder. Niederlagen sind ihr ein Greuel und Siege das pure Vergnügen.
Aber langsam kommt sie in ein Alter, in dem man sich Gedanken macht über das Ende der Karriere. Sagt sie zumindest. "Ich werde im Oktober 30", verrät Maria Mutola, "und habe noch ein hohes Ziel vor Augen: die Olympischen Spiele in Athen 2004." Bis dahin will sie weiter machen mit viel Power auf Dauer, was ihre Konkurrentinnen gar nicht gern hören werden.