Wirbel um Bianca Kappler
Zweimal Bronze für Stabhochspringer Tim Lobinger (5,80 m) und 400-Meter-Überraschung Sebastian Gatzka (46,88 sec) und riesige Konfusion um Gold, Silber oder einen Wiederholungssprung für Bianca Kappler: Deutschlands Leichtathleten erlebten am zweiten Tag der Hallen-Europameisterschaften nach der Disqualifikation von 200-Meter-Läufer Sebastian Ernst und Rang vier für Kugelstoß-Hoffnung Petra Lammert in Madrid ein Wechselbad der Gefühle.
Konfusion um Bianca Kappler (Foto: Chai)
Was war geschehen? Die 27 Jahre alte Weitspringerin Kappler aus Rehlingen/Saar, ohne den Abschlusssprung Siebte mit 6,53 Meter, hatte sich im letzten Versuch deutlich gesteigert und stand plötzlich mit ihr selbst utopisch anmutenden 6,96 Meter auf dem Siegerplatz. "Ich will dieses Gold nicht. Das muss ein Zahlendreher beim Messen sein. 6,69 Meter wäre die richtige Weite", meinte die Athletin, die damit Zweite hinter der zuvor führenden Portugiesin Naide Gomes (6,70 m) gewesen wäre. Nach lebhaften Diskussionen entschied das Technische Komitee des Europäischen Leichtathletik-Verbandes (EAA) wegen eines Messfehlers auf Wiederholungssprung am Sonntag. Jürgen Mallow, Leitender Bundestrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV): "Unser Protest dagegen wurde vorerst abgelehnt. Egal wie es ausgeht: Bianca Kappler wird nicht noch einmal springen. Es gibt keine Regel, die nach einem gültigen Sprung eine Wiederholung veranlasst. Und es gibt auch keine Dopingkontrolle vor Abschluss des Wettkampfes. Wäre richtig gemessen worden, hätte Bianca Kappler Silber oder vielleicht Bronze. Aber man kann sie jetzt nicht unter diesem Druck in solches Zirkusspringen drängen." Jürgen Mallow sieht "einen gordischen Knoten, der nicht zu durchtrennen ist. Die Diskussionen werden am Sonntag weiter gehen." Die EAA führte Bianca Kappler in einer vorläufigen Ergebnisliste am späten Samstagabend jedenfalls mit dem 6,53-Meter-Sprung vorerst als Siebte.
"Sebastian Gatzka konnte man ein solches Ding zutrauen"
Selbst die Bronzemedaillen wurden durch diese Kontroverse in den Hintergrund gedrängt. "Auf Tim ist Verlass. Und Sebastian Gatzka konnte man ein solches Ding zutrauen", meinte Jürgen Mallow. Der 22-jährige hofft nun am Sonntag auch mit der 4 x 400-Meter-Staffel auf Edelmetall. "Wahnsinn. Ich freue mich riesig", meinte der Youngster nach seinem klugen Lauf und dem finalen Angriff aus vierter Position heraus.
Beim Sieg des Russen Igor Pavlov (5,90 m) vor dem Ukrainer Denis Jurtschenko (5,85 m) versuchte sich Lobinger vergeblich an 5,90 Meter. "Hauptsache Medaille", meinte er am Ende. Gut schlugen sich
hinter ihm auch "Ersatzmann" Björn Otto (Uerdingen) als Vierter und der junge Ludwigsburger Fabian Schulze als höhengleicher Fünfter mit 5,70 Meter. Sechste wurden mit deutscher Jahresbestzeit von 4:10,83 Minuten Antje Möldner (Potsdam) über 1.500 Meter und Marion Wagner in 7,32 Sekunden über 60 Meter, enttäuschter Achter ihr Leverkusener Sprintkollege Tim Goebel nach verpatzter Startphase.
Die Hoffnungen auf Edelmetall am Schlusstag hielt dann Tobias Unger aufrecht, der in 20,63 Sekunden ins 200-Meter-Finale einzog. "Ein Zehntel ist noch drin. Schade, dass Sebastian nicht dabei sein kann. Er wollte mich schlagen und ich ihn bezwingen. Aber er ist noch ein bisschen labil", meinte der Olympiasiebte und Spitzenreiter der Europarangliste (20,56 sec). Knapp am Finale vorbei lief als Halbfinal-Dritter trotz der Steigerung auf 20,96 Sekunden der Wattenscheider Alexander Kosenkow. "Protest zwecklos. Sebastian Ernst wurde zu Recht disqualifiziert, er ist klar auf die Linie getreten, das haben die Fernsehbilder bewiesen", stellte Jürgen Mallow unmissverständlich fest. Sebastian Ernst, der mit 0,313 Sekunden eine absolut schwache Startzeit hatte, wollte in der Startkurve Boden gutmachen und überzog.
Alle weiteren deutschen Läufer weiter
Doch mit Ausnahme der beiden 200-Meter-Läufer kamen am zweiten EM-Tag alle Deutschen weiter. Von bisher 27 gestarteten Athleten schieden nur sieben aus. Petra Lammert, als Weltranglisten-Zweite angereist, war trotz verpasster Medaille nicht enttäuscht. "Ich wollte 18,50 Meter stoßen und habe mein Ziel erreicht. Es war eine wichtige Erfahrung für mich. Ich war schon weit weniger nervös als in der Qualifikation", meinte die am Donnerstag erst 21 Jahre alt gewordene DLV-Hoffnung. Achte mit 17,64 Meter wurde die Düsseldorferin Nadine Beckel. Siegerin Nadeschda Ostaptschuk (Weißrussland/19,37)und die Polin Krystyna Zabawska (18,96) übertrafen die
Jahres-Weltbestmarke von Astrid Kumbernuss aus Neubrandenburg (Knieverletzung/18,93), die ebenso fehlte wie die Magdeburger Olympiazweite Nadine Kleinert.
Für weitere Jahres-Weltbestmarken neben Pawlow und Astaptschuk sorgten die russische Hochspringerin Anna Chicherova mit 2,01 Meter und Elena Iagar (Rumänien) mit 4:03,09 Minuten über 1.500 Meter.