Marion Wagner - Nicht nur mit der Staffel glänzen
Der Blick ist fixiert auf die Ablaufmarke. Der Oberkörper nach unten gebeugt. Volle Konzentration, denn jetzt darf nichts schiefgehen. Eine Situation, in der sich Marion Wagner wohlfühlt. Sie wird gleich den Staffelstab übernehmen und ihn über die letzten 100 Meter heil ins Ziel bringen. Mit trommelnden Schritten, leichtfüßig über die Bahn schwebend.
Marion Wagner ist weit mehr als nur eine starke Staffelläuferin (Foto: Kiefner)
Die Schlussgeraden der Mainzerin haben in der Vergangenheit der deutschen Frauen-Sprintstaffel schon zu zahlreichen internationalen Medaillen verholfen. Hier überflügelt sie Läuferinnen, gegen die sie in Einzelrennen oft den kürzeren zieht. Keine Frage – die fliegenden Staffelrennen zählen zu ihren Stärken. Doch die 25-jährige will mehr, als nur eine herausragende Staffelläuferin zu sein.Einfach reingerutscht
Im Olympiajahr will sie sich für Athen einen Einzelstartplatz sichern und den ganz großen Durchbruch schaffen. So wie damals mit 16 Jahren, als man ihr bei der Juniorengala in Mannheim sagte, sie solle einfach mal die 200 Meter laufen. Vorher noch nie über diese Distanz gestartet, standen plötzlich 24,22 Sekunden zu Buche. Die Belohnung war der erste große internationale Einsatz bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Lissabon. "Einfach so reingerutscht in die Sprinterei", sagt sie heute.
Nochmal so einen ähnlichen Leistungssprung. Das wär's! Sie weiß ganz genau, woran sie noch arbeiten kann. "Am Start ist noch eine Menge rauszuholen. Das ist meine große Schwäche", erzählt die zierliche Sprinterin. Deshalb ist sie in diesem Winter so oft wie noch nie im Kraftraum.
Vielleicht auch deshalb, weil sie sich mit ihren schmalen Schultern manchmal neben den Kelli Whites und Chandra Sturrups ziemlich verloren vorkommt. Dass sie schon mal gegen Mädchen antritt, deren Muskeln nicht unbedingt immer nur vom Training wachsen, daran verschwendet sie keinen Gedanken. Da würde nur unnötige Energie verloren gehen.
Liebe für Mainz
Sie konzentriert sich ganz auf sich, spuckt keine großen Töne. Sie will einfach nur Spaß haben am Laufen. Ziemlich bescheiden eben, was eigentlich so gar nicht zu einer Sprinterin passt. Ungewöhnlich auch, dass sie seit sie Leichtathletik macht noch nie den Verein gewechselt hat, seit zehn Jahren mit dem gleichen Trainer arbeitet.
"Ich liebe in Mainz die familiäre Atmosphäre, meine Freunde, meine Familie wohnen hier, mit meinem Trainer Harry Letzelter stimmt die Harmonie", erzählt Marion Wagner. Für sie sind es Voraussetzungen, um auf der Bahn schnell zu sein. Gerade hat sie ihre Prüfungen hinter sich gebracht. Auch im Olympiajahr will sie halbtags bei der Sparkasse arbeiten. Als geistigen Ausgleich zum Sprinten und weil sie weiß, wie schnell alles vorbei sein kann.
Es geht um Spaß und schnelle Zeiten
Das Jahr 2004 wird ein ganz wichtiges für sie werden. Richtungsweisend sozusagen, wie weit es noch gehen kann. Als Ziel hat sie sich 11,20 Sekunden über die Stadiongerade gesetzt, will aber auch wieder öfters die doppelte Distanz angehen. Davon erhofft sich die Mainzerin Abwechslung und mehr Lockerheit, die sie auch auf der kurzen Distanz weiterbringen soll.
Manche Sprinterinnen glänzen mit Tattoos und Bauchnabelpiercings. Für Marion Wagner - blond, schlank, sympathisch und bescheiden - geht es auf der Bahn um Spaß. Natürlich auch um schnelle Zeiten. Jetzt in der Hallensaison und noch viel mehr im Sommer.