Mark Lewis-Francis ist heiß auf sein Comeback
Der Junge hat schnelle Beine und ein flottes Mundwerk. Mark Lewis-Francis, "a new kid on the blocks", wie die Blattmacher vom "Observer" titelten, ist wieder da. "Ich will zur Hallen-WM", tönte der Vollblut-Sprinter (100-Meter-Bestzeit: 9,97 sec in Edmonton 2001) in aller Bescheidenheit, "das ist mein vorrangiges Ziel."
Mark Lewis-Francis steht mit an der Spitze der britischen Top-Sprinter (Foto: Kiefner)
Mit gerade mal 20 Jahren auf den breiten Schultern zählt er zu den großen Hoffnungen auf der Insel. "Mark hat eine verheißungsvolle Zukunft vor sich", schwärmte Linford Christie, 1992 Olympiasieger und 1993 Weltmeister und mit 25 nationalen Titeln eine lebende Legende, über seinen Kronprinzen auf der 100-Meter-Distanz. "Er wird eines Tages meine Nachfolge antreten", lobte ihn Donovan Bailey, 1996 Olympiasieger, "ja, er ist geradezu phänomenal." Mark Lewis-Francis, ein Kraftpaket von 88 Kilogramm, die sich auf 1,83 Meter Körperlänge verteilen, will jetzt nach langer Verletzungspause aller Welt zeigen, dass die Huldigungen keine leeren Worthülsen sind.Die soziale Triebfeder hat ihn in den Kreis der weltbesten Sprinter katapultiert. Denn im Sport sah er die Chancen steigen, die tristen Verhältnisse daheim hinter sich zu lassen. In Darleston, einem Vorort von Birmingham, ist Mark Lewis-Francis aufgewachsen. Sieben Geschwister hat er, der älteste Bruder ist behindert. Hermine, seine "Mum", hatte alle Hände voll zu tun. Denn Sean, sein "Dad", war die meiste Zeit in Jamaika, wo er als Hausverwalter die leere Haushaltskasse ein wenig auffüllte.
Auch im Cross davongelaufen
Schon früh erkannte Mark Lewis-Francis sein Talent. "Ich wusste, dass ich schnell laufen konnte", erzählte er, "ich war nicht nur gut im Sprint, auch beim Cross bin ich den anderen stets davon gerannt." Als er zwölf wurde, brachte ihn sein Vater zu den "Birchfield Harriers", "weil er meinte, dass ich bei den Leichtathleten gut aufgehoben sei".
Es war eine weise Entscheidung! Steve Platt, der seit 1984 bei den "Harriers" als Coach tätig ist, kramte vergnügt in seinen Erinnerungen. "Mark war gut, na klar, aber keiner konnte erahnen, dass er eine solche Entwicklung nehmen würde", sagte Platt, ein gelernter Ingenieur, der im "Alexander Stadium" von Birmingham auch die Siebenkämpferin Denise Lewis, Olympiasiegerin in Sydney 2000, betreut, "die Kids kommen zu uns, um Dampf abzulassen. Mit 14 oder 15 hören sie wieder auf. Dann haben sie ein Girl, das ist das Problem, und sind für den Sport verloren."
Ein zielstrebiger Typ
Mark Lewis-Francis ist jedoch ein zielstrebiger Typ. Was er macht, macht er gründlich! Halbe Sachen sind ihm ein Greuel. 1997 trumpfte er bei den Schülermeisterschaften auf und startete im Sauseschritt eine Karriere, die ihm, dem ehrgeizigen Nachwuchsmann, zwei Mal Gold bei den Junioren-Weltmeisterschaften (2000 und 2001), Silber bei den Junioren-Europameisterschaften (1999), Bronze bei der Hallen WM (2001) und zuletzt Silber bei der Hallen-EM (2002) bescherte.
Der ehrgeizige Bursche wollte auch bei den Commonwealth Games in Manchester und den Europameisterschaften in München aufs Treppchen steigen. Doch ein Muskelfaserriss, den er sich im Juli in Manchester eingefangen hatte, bremste ihn in seinem Tatendrang. "Jetzt bin ich wieder heiß", tönte er in diesen Tagen, "ich habe im Winter hart trainiert." Ausgeheilt sei die blöde Verletzung. Schmerzfrei habe er sich auf die kommenden Aufgaben vorbereiten können. "Die ganze Geschichte hat mir als Mensch und als Athlet geholfen. Sie hat mich noch stärker gemacht", sagte Lewis-Francis, "ich kann's kaum erwarten, dass ich wieder laufen darf."
In Glasgow am 2. Februar feiert er sein Comeback. Dort gibt es ein Wiedersehen mit Dwain Chambers und Jason Gardener, den beiden Landsleuten, die ihm in der vergangenen Saison die Show gestohlen haben. Denn Gardener wurde Europameister in der Halle und Chambers im Freien. Lewis-Francis musste tatenlos zusehen, wie Chambers in München Gold scheffelte über 100 Meter und auch noch als Schlussläufer der siegreichen 4 x 100-Meter-Staffel. Dwain Chambers war der Strahlemann! Mit dem "Union Jack" ließ er sich im Olympiastadion von einem begeisterten Publikum gebührend feiern, während Lewis-Francis völlig frustriert die Beine hochlegen musste.
Drei sind einer zuviel
Das Trio wird auch in den nächsten Wochen die Schlagzeilen beherrschen im Medien-Rummel auf der Insel. Doch drei sind einer zu viel. Denn nur zwei werden nominiert für die Hallen-WM vom 14. – 16. März. Dwain Chambers, Jason Gardener und Mark Lewis-Francis - wer von ihnen bleibt auf der Strecke?
Für Lewis-Francis wäre es besonders bitter, wenn ihm das begehrte Ticket durch die Finger flutschen würde. "Die WM ist diesmal in Birmingham", schaute er weit voraus, "da möchte ich unbedingt dabei sein." Ihm, dem "local hero", würden die Sympathien nur so zufliegen. Gold in seiner Heimatstadt im "NIA-Stadium" an der "King Edward's Road"– dann würde für ihn ein Traum wahr werden.
Ulrich Hörnemann