Plötzliches Luxusproblem im deutschen Siebenkampf
Auch ohne internationale Top-Stars war es ein Siebenkampf der Superlative, der von seiner Spannung lebte. Die deutschen Mehrkämpferinnen haben beim ruhrgas DLV-Mehrkampf-Meeting in Ratingen Publikum und Trainer begeistert. "Das war Wahnsinn", meinte Bundestrainer Klaus Baarck. "Speziell was Lilli und Claudia gezeigt haben".
Claudia Tonn eroberte sich sensationell ihr Olympiaticket (Foto: Klaue)
Mit Sonja Kesselschläger (Dritte; 6193 Punkte), Claudia Tonn (Vierte; 6169), Karin Ertl (Fünfte; 6165) und Lilli Schwarzkopf (Sechste; 6161) haben gleich vier deutsche Leichtathletinnen die Olympianorm für Athen (6080) deutlich überboten. Nun hat der DLV die Qual der Wahl, ein plötzliches Luxusproblem quasi, nachdem es im letzten Jahr nur Sonja Kesselschläger zur WM in Paris geschafft hatte. Siegerin des Wettkampfes in Ratingen wurde Studenten-Weltmeisterin Kylie Wheeler (Australien; 6295 Punkte).Zwei gesetzt
"Sonja und Claudia sind jetzt gesetzt. Sie können die Koffer für Athen packen", erklärte Klaus Baarck weiter. Auch Karin Ertl habe gute Chancen, bei Olympia dabei zu sein. Sie muss allerdings noch ein wenig zittern, denn der Bundestrainer schlug nun Lilli Schwarzkopf, Sabine Krieger (Siebte; 6059), Jennifer Oeser (Neunte; 5936) und Christine Schulz (Zehnte; 5705) für einen Start beim Europacup nächste Woche in Hengelo (Niederlande) vor. "Wenn Lilli dort eine Punktzahl deutlich höher als die von Karin macht, hat sie noch eine Chance." Nur vier Punkte lagen in Ratingen zwischen diesen beiden.
"Das ist unrealistisch", äußerte eine völlig enttäuschte Lilli Schwarzkopf, die direkt nach Aufleuchten des Ergebnisses aus dem Stadion lief und erst nach einer Weile mit verweinten Augen zurück kam. "Das ist nicht machbar. Ich will auch noch in ein paar Jahren Siebenkampf betreiben. Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt starte." Sie erfüllte in Ratingen zum zweiten Mal in diesem Jahr die Olympianorm – als undankbare DLV-Vierte.
Vor dem abschließenden 800-Meter-Lauf hatte sich die Situation im Kampf um die Olympiatickets dramatisch zugespitzt. Karin Ertl, Sonja Kesselschläger, Claudia Tonn und Lilli Schwarzkopf lagen in dieser Reihenfolge auf den Plätzen drei bis sechs. 75 Punkte trennten die Dritte von der Sechsten. Alles war möglich.
800 Meter der Spitzenklasse
Es folgte ein 800-Meter-Rennen der Spitzenklasse. Vorne machten die beiden Paderbornerinnen Claudia Tonn und Lilli Schwarzkopf Druck, dahinter kämpften Sonja Kesselschläger und Karin Ertl, die als vergleichsweise schwächere Mittelstrecklerinnen bekannt sind, um den Rückstand in Grenzen zu halten.
"Das war der 800-Meter-Lauf meines Lebens. So was möchte ich aber nie wieder haben", meinte die Neubrandenburgerin Sonja Kesselschläger nach dem Zieleinlauf. "Der Konkurrenzkampf hat enorm angestachelt. Da holt man das Letzte aus sich heraus", resümierte Claudia Tonn. Sechs Bestleistungen stellte sie in Ratingen insgesamt auf. Doch getrübt wurde die eigene Freude, dass es ihre Trainingspartnerin Lilli Schwarzkopf nicht geschafft hatte. "Das stimmt mich ein bisschen wehmütig."
Gelungenes Comeback für Karin Ertl
Die 30-Jährige Karin Ertl freute sich über ihr gelungenes Comeback nach zweijähriger Mehrkampf-Pause wegen der Geburt ihres Sohnes, konnte aber auch nachvollziehen, wie sich Lilli Schwarzkopf fühlte. "Vor zwei Jahren war ich vor München auch viertbeste Deutsche und hatte noch eine Chance beim Europacup. Obwohl ich dort dann gewonnen habe, hat es nicht gereicht. Ich werde definitiv nicht nächste Woche in Hengelo starten, sondern mir die Sache von weitem anschauen."
Als Siegerin des Wettkampfes ließ sich Kylie Wheeler aus Australien feiern. Sie verbesserte sich von 6.031 Punkten auf 6.296 Zähler und war besonders froh, dass sich das Ratinger Wetter an den beiden Mehrkampftagen "wie in Australien" zeigte. Die Niederländerin Karin Ruckstuhl wurde mit 6.206 Zählern Gesamt-Zweite.
Aus für Kathleen Gutjahr und Katja Keller
Vorzeitig aus dem Kreis der Mitfavoriten ausgeschieden waren Kathleen Gutjahr (SC Neubrandenburg) und die Belgierin Tia Hellebaut. Beide fabrizierten drei Ungültige im Weitsprung. Tia Hellebaut hatte am Samstag mit 1,92 Metern im Hochsprung für das herausragende Einzelergebnis gesorgt. Katja Keller (LAC Erdgas Chemnitz), die vor vier Wochen in Götzis ihrerseits die Olympianorm nur um 19 Punkte verfehlt hatte, war am Sonntag wegen Oberschenkelbeuger-Problemen nicht mehr angetreten.
Die Resultate vom ruhrgas DLV-Mehrkampf-Meeting finden Sie in unserer Ergebnisrubrik...