Markus Esser - „Jetzt fehlen mir drei Würfe“
Hammerwerfer Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) hat bei den Olympischen Spielen in Peking als Neunter den Endkampf um einen Platz verpasst. Da den beiden weißrussischen Hammerwerfern Vadim Devyatovski (Zweiter) und Ivan Tikhon (Dritter) nun jedoch ihre Medaillen wegen Dopingvergehen aberkannt wurden, rückt der 28-Jährige nachträglich auf Rang sieben vor, was eine Teilnahme am Endkampf bedeutet hätte.
Herr Esser, in Peking sind Sie mit 77,10 Meter als Neunter ausgeschieden. Was wäre für Sie drin gewesen, wenn Sie im Endkampf nochmals drei Versuche gehabt hätten?Markus Esser:
Ich hätte sicherlich um Platz sechs mitwerfen können. Das wäre ein großer Unterschied im Vergleich zu meinem vorläufigen neunten Platz gewesen. Denn der Endkampf war mein großes Ziel bei den Olympischen Spielen. Allerdings wäre es vermessen zu sagen, ich hätte um die Medaillen mitkämpfen können. Somit hätte ich im Endkampf nach einem schlechten Wettkampf vielleicht noch Schadensbegrenzung betreiben können. Die Olympischen Spiele, das ganze Jahr mit meiner Verletzung zu Saisonbeginn, liefen nicht so toll für mich.
Wie sehr treffen Sie die Dopingvergehen des weißrussischen Duos?
Markus Esser:
Ich finde die Situation nicht gerade glücklich, wenn sich ein Werfer erst hinstellt und sagt ‚ich bin sauber’ und später erwischt wird. Das ist nicht nur für den Neunten des Finales, also für mich, verdammt ärgerlich. Sondern auch für die Hammerwerfer, die schon in der Qualifikation gescheitert sind. Die Geschichte zieht also einen riesigen Rattenschwanz hinter sich her.
Wie haben Sie von der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, die Medaillen abzuerkennen, erfahren?
Markus Esser:
Ich saß im Auto und fuhr von einem Lehrgang nach Hause, als ich die Nachricht im Radio hörte. Bereits im September wurde ja bekannt, dass die Werfer positiv getestet wurden. Zunächst war ich also überrascht, denn nach so langer Zeit hatte ich nicht mehr mit einer Entscheidung gerechnet. Mein zweiter Gedanke war: ‚Super, jetzt fehlen mir drei Würfe.’
Schon nach den Olympischen Spielen 2004 in Athen wurde dem damaligen Sieger Adrian Annus (Ungarn) die Goldmedaille wegen eines Dopingvergehens aberkannt. Nun ist dasselbe passiert. Haben Sie für sich eine Strategie entwickelt, wie Sie in Zukunft in solche ‚vermeintlichen’ Wettkämpfe reingehen werden?
Markus Esser:
Ich drücke niemandem einen Stempel auf und gehe mit der Annahme rein, dass jeder Werfer sauber ist. Wenn ich anders denken würde, bräuchte ich ja gar nicht mehr zu starten. Dann hätte ich den Glauben an meinen Sport verloren, und das würde sich auch auf meine Leistung auswirken.
Aber ist es nach all den Vorkommnissen nicht sehr schwer, so zu denken?
Markus Esser:
Klar, das ist alles verdammt ärgerlich. Es sind zwiespältige Gefühle, die ich habe. Einerseits bin ich enttäuscht. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass das Verfahren nicht im Sande verlaufen ist und ich in Zukunft zwei Konkurrenten weniger habe.
Hatten Sie ein persönliches Verhältnis zu Vadim Devyatovski oder zu Ivan Tikhon?
Markus Esser:
Zu Ivan Tikhon nicht, er spricht kaum Englisch. Mit Vadim Devyatovski habe ich mich mal in Königs-Wursterhausen bei einer Tasse Kaffee unterhalten. Er erzählte mir von seiner Familie und davon, dass er Gedichte im weißrussischen Fernsehen vorlesen würde. Ich fand ihn ganz sympathisch.
Mussten Sie in Peking zur Dopingkontrolle?
Markus Esser:
Ja, ich bin getestet worden. Soviel ich weiß, mussten unter den Finalteilnehmern (die besten Zwölf, d. Red.) die ersten Sechs sowie zwei ausgewählte Werfer zur Dopingkontrolle.
In der Vergangenheit gab es Leichtathleten, die Dopingsünder im Nachhinein verklagt haben, weil die ihnen die Chance auf eine Endkampfteilnahe genommen hatten. Ziehen Sie das in Erwägung?
Markus Esser:
Mal sehen. Es ist eine durchaus interessante Frage, was mit den Medaillen von Vadim Devyatovski passiert (Vadim Devyatovski wurde bei der WM 2005 Zweiter und bei der EM 2006 Dritter, da er bereits zum zweiten Mal positiv getestet wurde, droht im eine lebenslange Sperre, d. Red.). Bei der EM und bei der WM landete ich jeweils auf Platz vier. Sollte er nun seine Medaillen verlieren, bekäme ich nachträglich zwei Bronzemedaillen.
Ivan Tikhon will seine olympische Medaille vor dem Internationalen Sportgesichtshof Cas einklagen. Was sagen Sie dazu?
Markus Esser:
Das soll er ruhig machen. Die A- und die B-Probe waren positiv. Ich weiß also nicht, was das bringen soll. Das ist wirklich blauäugig von ihm.
Vadim Devyatovski droht jetzt eine lebenslange Sperre, Ivan Tikhon werden Sie vielleicht in zwei Jahren wieder auf dem Sportplatz treffen. Wie werden Sie ihm begegnen?
Markus Esser:
Das weiß ich nicht. Das ergibt sich dann aus der Situation heraus. Dopingsünder genießen bei mir jedenfalls kein Ansehen.
Haben Sie jetzt Zweifel am Sinn des Leistungssports, am harten Training, am Schuften für die nächste Saison?
Markus Esser:
Nein. Ich persönlich weiß ja, dass ich immer sauber geworfen habe und dass ich weiter sauber werfen werde. Für kommendes Jahr wünsche ich mir, dass ich die Früchte meiner Arbeit endlich ernten kann und eine Medaille bei der WM holen werde. Ich will an mein Erfolgsjahr 2006, in dem ich über 81 Meter geworfen habe, anknüpfen. Es wäre auch mal schön, wenn ich eine Saison lang verletzungsfrei bleiben würde. Momentan bin ich ganz ‚jut drupp’, wie wir im Rheinland sagen.