Martin Grothkopp verlässt die Bahn für den Bob
2009 stand er ganz oben auf dem Treppchen bei den Deutschen Meisterschaften über 400 Meter. Vier Jahre später läuft Martin Grothkopp (Dresdener SC) nicht mehr. „Ich konnte mich nicht mehr quälen“, sagt der 27-Jährige. Zumindest nicht mehr in der Leichtathletik, denn der Traum von Olympia ist noch nicht ausgeträumt. Martin Grothkopp will ihn sich nun im Bob verwirklichen.
„Die große Liebe zu verlassen, das tat schon weh.“ Die große Liebe – das ist für Martin Grothkopp die Stadionrunde. „400 Meter bin ich gerne gelaufen.“ Bis zum Anfang des Jahres. „Da hat mein Körper mir das Signal gegeben: Ist gut jetzt.“ Der letzte Biss fehlte, die Motivation, sich auch nach immer wiederkehrenden kleinen Verletzungen (die Hallensaison musste er wegen einer Muskelverhärtung in den Adduktoren absagen) zum Saisonhöhepunkt im Training richtig zu quälen, war weg. „Der Kopf wollte nicht mehr.“Seit der Weltmeisterschaft 2009, wo er mit der 4x400-Meter-Staffel startete, konnte sich der Dresdener für keine internationale Meisterschaft mehr empfehlen. Das soll sich jetzt wieder ändern. Denn ganz ohne Leistungssport – das wollte der Kopf von Martin Grothkopp dann doch noch nicht.
„Ich hatte schon vorher öfter Anfragen aus dem Bobsport“, sagt Martin Grothkopp. Lehnte er sie in früheren Jahren stets ab, schlug er im März, als eine Anfrage aus dem Bob-Team von Francesco Friedrich kam, zu. Der 22-Jährige Friedrich gilt als Shootingstar der deutschen Bobszene, wurde in diesem Jahr zum jüngsten Zweierbob-Weltmeister aller Zeiten.
Begehrte Leichtathleten
Leichtathleten seien beliebt in der Wintersportart, die nach Grothkopps Aussagen keinen eigenen Nachwuchs generiert und entsprechend in anderen Sportarten wildert. „Es ist die gute Grundausbildung der Leichtathleten, die sie so gefragt macht“, sagt der Neu-Wintersportler, dem die Kälte bislang nichts ausmacht. „Es macht Spaß, den Wintersport-Zirkus kennen zu lernen.“ Neben dem Ex-Viertelmeiler ist auch der ehemalige Kugelstoßer Candy Bauer (LV 90 Erzgebirge) mit im Team des Weltmeister-Fahrers. Denn neben einer guten sportlichen Grundausbildung brauchen die Bobfahrer vorallem eins – Kraft.
„Ich musste ordentlich Masse draufpacken“, sagt auch Martin Grothkopp. Seit März trainiert er nun spezifisch für seine neue Aufgabe: Bob-Anschieber. Lange Läufe sind Geschichte, stattdessen stehen bis zu zehn Trainingseinheiten in der Woche auf dem Plan, in denen es vorallem um Kraft, Spritzigkeit und Explosivität geht. „Die 30 Meter musst du als Bob-Anschieber fliegend unter drei Sekunden laufen“, sagt Grothkopp. Und dabei doch einiges an Masse auf die Waage bringen. 15 Kilogramm hat Grothkopp zugenommen. Wog er als 400-Meter-Läufer bei einer Körpergröße von 1,91 Metern 85 Kilogramm, sind es heute 100 Kilo. „Vor allem am Oberkörper bin ich deutlich breiter geworden.“
Zweiter Platz im Europacup
Es ist Kraft, die er braucht, um sich langfristig auch gegen die erfahrenen Anschieber durchzusetzen, auch wenn er am 6. Dezember bereits seinen ersten Erfolg im Europacup am Königssee feierte, als er zusammen mit Albrecht Klammer auf den zweiten Platz fuhr. „Mir fehlt natürlich noch einiges an Wettkampfpraxis“, sagt Martin Grothkopp und ist nach erst rund 30 Wettkämpfen Realist genug um zu wissen, dass es mit der direkten Qualifikation für die Olympischen Winterspiele in Sotschi (Russland) eng wird. Am 28. Dezember steht für ihn der entscheidende Anschiebertest an. „Da habe ich vielleicht eine Chance von fünf Prozent, mit in den Weltcup zu rutschen und mich darüber für Olympia zu qualifizieren.“
Trotz dieser neuen Herausforderungen – den Wechsel von der Bahn in den Bob hat der 26-Jährige bis heute nicht bereut. Und doch kam im Sommer noch einmal kurz Wehmut auf. Mit der 4x400-Meter-Staffel des Dresdener SC lief Martin Grothkopp als Startläufer im Finale der Deutschen Meisterschaften in Ulm. Da, wo er vor vier Jahren Deutscher Meister geworden war. „Das war ein sehr emotionaler Moment für mich“, sagt Martin Grothkopp. Und egal was der Bobsport noch bringt: „Meine große Liebe werden immer die 400 Meter bleiben.“
Die Internetseite des Bobteam Friedrich