Claudia Dreher – "Bei der EM vorne mitlaufen"
Während die Bahn-Spezialisten gerade ihre Saison unter Dach bestreiten, schuften die Marathonläufer im Hinblick auf ihren ersten Auftritt im Frühjahr. Für die dreimalige Köln-Marathon-Siegerin Claudia Dreher (Gänsefurther Sportbewegung) steht in diesem Jahr die EM in Göteborg im Mittelpunkt. Christian Fuchs hat sich mit der 34-Jährigen über dieses Ziel und einiges mehr unterhalten.

Claudia Dreher trainiert für die EM (Foto: Gantenberg)
leichtathletik.de:Claudia Dreher, momentan ist für Sie als Marathonläuferin "harte Arbeit" angesagt. Wie ist denn der Stand der Dinge?
Claudia Dreher:
Ich habe mich wieder in die Marathonvorbereitung "hineingerollt". Im Januar war ich zwei Wochen im DLV-Traininglager in Chiclana (Spanien). Alle, die in Deutschland im Laufbereich internationale Ambitionen haben, nahmen daran teil. Ich persönlich bereite mich auf den Hamburg-Marathon am 23. April vor. Anschließend richtet sich der Blick auf die Europameisterschaft in Göteborg.
leichtathletik.de:
Wie hat Ihnen dieses gemeinsame Trainingslager gefallen?
Claudia Dreher:
Es war total schön, wir waren zeitweise sogar bis zu 40 Läufer. Es ist etwas Besonderes, wenn man als solche Gruppe zusammen trainieren kann. Man hat immer jemanden gefunden, bei dem man sich mit einklinken und so Trainingsunterstützung bekommen konnte. Man trainiert nicht nur zusammen, sondern trifft sich auch mal abends. Ich mache normalerweise viel alleine, deshalb genieße ich dann so eine Gelegenheit. Es war eine tolle Atmosphäre in einem Monat, in dem jeder wieder ein wenig anfängt, seine Form aufzubauen. Deshalb empfand ich auch die Stimmung als sehr angenehm.
leichtathletik.de:
Der Hamburg-Marathon ist der Zwischenstopp und die Formüberprüfung auf dem Weg zur EM. Wie schätzen Sie das Rennen jetzt, noch mit etwas zeitlichem Abstand, ein?
Claudia Dreher:
Nachdem ich mich schon über den Köln-Marathon im letzten Jahr qualifiziert habe, brauche ich die Norm nicht mehr in den Vordergrund zu stellen. Ich habe mich aber grundsätzlich davon verabschiedet, eine Norm als mein persönliches Ziel anzusehen. Ich möchte gerne wieder im Bereich meiner persönlichen Bestleistung (Anm. 2:27:55 h) unterwegs sein. Dafür muss ich noch sehr hart arbeiten. Ich habe mir Hamburg ausgesucht, weil ich weiß, dass das ein top-organisierter Lauf ist, der sehr starke internationale Konkurrenz bietet. Deshalb kann man dort sehen, wie weit man eigentlich schon ist. Das finde ich mit Blickrichtung Europameisterschaft ganz wichtig.
leichtathletik.de:
Wünschen Sie sich, dass in Göteborg eine deutsche Frauen-Marathon-Mannschaft, wie es vor vier Jahren in München der Fall war, zustande kommt?
Claudia Dreher:
Unbedingt. Das ist das Ziel. Alle Marathonläuferinnen, die mit im Trainingslager waren, sind fit. Wenn wir alle gesund bleiben, haben wir eine realistische Chance, in der Mannschaftswertung wieder auf's Treppchen zu laufen.
leichtathletik.de:
Wie beurteilen Sie denn momentan die nationale Konkurrenz insgesamt?
Claudia Dreher:
Momentan sind wir in der Spitze eine Handvoll, wir werden aber im nächsten Jahr sicherlich mehr Läuferinnen sein. Man hört sogar, dass Sonja Oberem wieder zurückkommen könnte und dass Irina Mikitenko im Herbst ihren ersten Marathon laufen wird. Ich begrüße das. Ich bin auch schon in solchen Zeiten gelaufen, wo wir sieben oder acht ambitionierte Marathonläuferinnen in Deutschland hatten. Das tat uns allen gut. Die Konkurrenz ist für eine individuelle Leistungsentwicklung sehr wichtig.
leichtathletik.de:
Im letzten Jahr hatten Sie die WM-Teilnahme abgesagt. Nun liegt der Fokus auf der Europameisterschaft. Was war für diese Entscheidung ausschlaggebend und was haben Sie sich für Göteborg vorgenommen?
Claudia Dreher:
Ich habe die WM im letzten Jahr nicht zugunsten von Köln ausgelassen. Es war so, dass ich vorher sehr lange verletzt war und nicht unbedingt gleich bei einer Weltmeisterschaft laufen wollte, nachdem ich gerade erst wieder zurückgekehrt war. Für eine WM war ich im letzten Jahr noch nicht gesattelt. Bei einer Europameisterschaft ist mein Anspruch, dass ich vorne mitlaufen möchte. Nachdem in Europa das Marathonniveau enorm angezogen hat, wäre es aber vermessen zu sagen, ich will um eine Medaille laufen. Der Fokus liegt bei mir auf der EM, die Trainingsplanung richte ich dahingehend aus, dass Göteborg der Jahreshöhepunkt wird.
leichtathletik.de:
Planen Sie eine spezielle Vorbereitung? Im letzten Jahr hat man bei der WM in Helsinki gesehen, dass im hohen Norden Wetterkapriolen Einzug halten können. Was glauben Sie, kommt auf Sie zu?
Claudia Dreher:
Ich bin sehr unempfindlich und nehme die Bedingungen so, wie sie kommen. Ich werde im Bezug auf Göteborg nicht viel verändern. Ich denke, von meinem eigentlichen Rhythmus abzurücken, würde eher Substanz kosten. Ich werde versuchen, relativ spät nach Göteborg zu reisen. Damit bin ich auch bei den anderen Marathonläufen gut gefahren. So hatten wir es 1998 bei der EM in Budapest und 1999 bei der WM in Sevilla gehandhabt. Damals hatten wir damit Erfolg und ich glaube, dass das auch diesmal die richtige Strategie sein wird.
leichtathletik.de:
International steht mittlerweile ein Weltrekord durch Paula Radcliffe von 2:15:25 Stunden zu Buche. Mehrere Frauen sind inzwischen unter 2:20 Stunden gelaufen. Sehen Sie das Potenzial, dass es im Frauen-Marathon insgesamt noch deutlich schneller werden könnte?
Claudia Dreher:
Ich glaube, dass die Entwicklung noch bei weitem nicht am Ende ist. Der These, dass es demnächst eine Frau geben wird, die 2:10 Stunden läuft, stehe ich allerdings noch skeptisch gegenüber. Dafür fehlt mir das Vorstellungsvermögen. Aber es wird sich in den nächsten Jahren noch mehr komprimieren im Bereich um 2:22 und 2:23 Stunden. Ich erwarte, dass sich viele Bahnläuferinnen auf der Marathondistanz versuchen werden. Diese können dort auch erfolgreich einschlagen.
leichtathletik.de:
Was ist Ihre Erklärung dafür, dass es zuletzt im Frauenbereich doch so deutlich voranging?
Claudia Dreher:
Ich glaube, dass viele Frauen ihre Potenziale in der Vergangenheit nie so richtig ausgereizt hatten. Mittlerweile sind auch viele Trainingsmethoden kein Geheimnis mehr. Es ist insgesamt gewachsen, kontinuierlich gewachsen. So wie es sich auf der Bahn über 5.000 oder 10.000 Meter weiterentwickelt, so entwickelt sich auch der Marathonbereich weiter. Es kommen Läuferinnen aus Ländern hinzu, die bisher keine Rolle gespielt haben. Die Leichtathletik ist globaler geworden. Jeder auf der Welt kann die Langstrecke und den Marathon laufen. Auch kleine Länder entdecken ihre Chancen, sehen Möglichkeiten und wachen auf.
leichtathletik.de:
Vielen Dank für das interessante Gespräch.