Martin Keller: „Die '10' fällt nächstes Jahr“
Martin Keller war der schnellste Deutsche 2013 und bewies sein Potenzial nicht nur einmal. Bei irregulären Windbedingungen in Clermont (USA) knackte er sogar die 10-Sekunden Marke und sprintete 9,99 Sekunden. In Weinheim standen für ihn 10,07 Sekunden auf der Anzeigetafel - nur eine Hunderststel über dem deutschen Rekord. Seine Saison beschloss er mit einem Einzelstart bei der WM und einem vierten Platz mit der Staffel. Im Interview blickt er auf die vergangene Saison zurück und berichtet auch, wie er diese Leistungen im kommenden Jahr sogar noch toppen will.
Martin Keller, in den Wintermonaten sind Sie beim Fußball als Schieds- und Linienrichter aktiv. Wie viele rote Karten haben Sie schon gezückt?Martin Keller:
Oh, das kann ich gar nicht so genau sagen. Das waren schon eine ganze Menge – und die letzte war erst am vergangenen Wochenende fällig.
Was macht denn den Reiz dieser Tätigkeit aus?
Martin Keller:
Ich mag es, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es auf dem Platz gerecht zugeht.
Der jährliche Sprinttest für Schieds- und Linienrichter dürfte für Sie kein Problem sein. Wie sieht es aber in Sachen Ausdauer aus?
Martin Keller:
Früher musste man in Rahmen des sogenannten Coopertests in einer Zeit von zwölf Minuten so weit laufen wie möglich. Heute sind sieben Sekunden auf 40 Meter gefordert und man sollte 20-mal 150 Meter in höchstens 40 Sekunden absolvieren. Die Pause beträgt dabei ebenfalls 40 Sekunden. Das liegt mir natürlich deutlich mehr.
Können Sie die Abseitsregel in einem Satz erklären?
Martin Keller:
Natürlich (lacht). Ein Spieler steht im Abseits, wenn er sich im Moment des Abspiels näher an der gegnerischen Torlinie befindet als der Ball und der vorletzte Abwehrspieler.
Die Entscheidung, bei Ihrer eigenen Karriere nicht aufs runde Leder zu setzen, war goldrichtig. Das hat nicht erst der Lauf in Clermont gezeigt, wo Sie – leider mit zu viel Windunterstützung – in 9,99 Sekunden in Ziel gestürmt sind ...
Martin Keller:
... an diesem Tag hat einfach viel gestimmt. Das Trainingslager war zuvor sehr gut gelaufen, und ich habe gespürt, dass ich schon recht gut in Form war. Dazu waren die äußeren Bedingungen mit Temperaturen von mehr als 30 Grad natürlich perfekt. Und auch wenn die Zeit an sich wertlos war, hat sie mir und auch allen anderen den Horizont erweitert.
Ist der Traum von einer regulären Zeit unter zehn Sekunden seit diesem Rennen noch größer geworden?
Martin Keller:
Vor diesem Rennen habe ich keinen Gedanken daran verschwendet, dass es für mich überhaupt möglich sein könnte, in solche Regionen vorzustoßen. Schließlich stand meine Bestzeit zu diesem Zeitpunkt noch bei 10,23 Sekunden. Inzwischen ist es mein erklärtes Ziel, auch bei regulären Bedingungen eine Zeit unter zehn Sekunden zu schaffen. Ich habe das jeden Tag vor Augen und hänge ich mich im Training noch mehr rein, als das vorher sowieso schon der Fall gewesen ist.
In Weinheim waren Sie mit 10,07 Sekunden nur eine Hundertstelsekunde langsamer als Frank Emmelmann beim deutschen Rekord vor 28 Jahren ...
Martin Keller:
... ja, das stimmt. Und obwohl ich mich über meine neue Bestzeit gefreut habe, hat es mich im Nachhinein doch etwas gewurmt, dass es für den deutschen Rekord nicht gereicht hat.
Wann läuft der erste Deutsche unter zehn Sekunden?
Martin Keller:
Ich halte es für durchaus realistisch, dass die „10“ schon 2014 fällt. Natürlich wäre es toll, wenn mir das gelingen würde. Ein heißer Kandidat für eine Zeit unter zehn Sekunden ist aber auch Julian Reus.
Und noch eine Prognose: Wo stehen die deutschen Sprintrekorde nach den Olympischen Spielen 2016?
Martin Keller:
Im Einzel denke ich, sind 9,96 oder 9,97 Sekunden möglich. Mit der Staffel wäre in diesem Jahr schon eine 37er-Zeit möglich gewesen. Darum bin ich mir sicher, dass der Rekord bis 2016 mindestens bei 37,90 Sekunden stehen wird.
Wagen wir einen Blick auf die schnellsten Männer der Welt – welche Eigenschaft von Usain Bolt hätten Sie gern?
Martin Keller:
Die Lockerheit. Das gilt aber nicht nur für Usain Bolt, sondern für alle Sprinter aus Jamaika oder den USA. Die haben einfach eine ganz andere Mentalität, sehen alles nicht so verbissen. Wir Deutschen sind da eher sachlich und gehen analytisch vor. Das heißt jetzt nicht, dass wir keinen Spaß am Laufen haben, aber in einigen Dingen agieren wir einfach zu verkrampft.
Welche Ziele haben Sie für 2014?
Martin Keller:
Oh, da gibt es mehrere Dinge: Zum einen möchte ich als Einzelstarter zur Team-EM und dort meinen fünften Platz aus diesem Jahr entscheidend verbessern. Dann möchte ich endlich Deutscher 100-Meter-Meister werden und bei der EM in Zürich bis ins Finale laufen.
Quelle: leichtathletik – Ihr Fachmagazin
Keller in 9,99 Sekunden: Viel Wind in Clermont