| Der große Traum

Martin Keller - Die Neun soll vor's Komma

Während der Spätsommer seine letzte Runde dreht, dreht Martin Keller so langsam wieder auf. Nach einem Sommer, der für den Sprinter vom LAZ Leipzig nur ein halber war.
Sandra Arm

Achillessehnen-Probleme bremsten den 28-Jährigen in guter Form frühzeitig aus. Zwei Wochen nach den Team-Europameisterschaften in Braunschweig entschied er sich, die EM-Saison zu beenden. Beenden wird er noch ein Kapitel, das noch gar nicht angefangen hat: die Hallensaison.

In den vergangenen Wochen hatte Martin Keller viel Zeit zum Nachdenken. Die Gedanken kreisten um eine verlorene Saison. Viel blieb nicht. Außer der Erkenntnis, frühzeitig die Reißleine gezogen zu haben. „Zwei Wochen nach Braunschweig habe ich mir gesagt, bevor ich mir noch die Achillessehne reiße, setze ich das Jahr aus, um dann wieder voll anzugreifen.“ Getreu dem Motto: Ein Schritt zurück, zwei nach vorn.

Team-EM in Braunschweig bringt Leiden

Schon die Vorbereitung auf die Freiluftsaison verlief nicht ohne Probleme. Während der letzten Trainingswoche im Trainingslager im sonnigen Florida zwickten die Achillessehnen an beiden Fersen. Die auftretenden Schmerzen waren wohl der Überbelastung geschuldet. „Wir haben ein bisschen mehr trainiert. So viel wie noch nie zuvor“, ging Martin Keller auf Ursachenforschung.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und seinem Start bei der Team-EM setzte das große Leiden ein. Im Einzel musste er mit Platz neun (10,49 sec) Vorlieb nehmen, die Staffel ließ er aus. Mit der DLV-Auswahl holte er nach zwei spannenden und aufregenden Tagen EM-Gold, ein versöhnlicher Abschluss seiner Leidenstage.

Kühle Temperaturen waren Gift

Die großen Temperaturunterschiede zwischen Florida und Braunschweig waren nicht unbedingt förderlich. „Die kühlen Temperaturen waren Gift für meine Achillessehnen. Bei jedem Schritt taten sie mehr weh. Es war fast schon eine chronische Reizung“, blickt Martin Keller zurück.

Zu den Athleten wie Speerwerfer-Weltmeister Matthias de Zordo (SC Magdeburg; 2013) oder zuletzt Stabhochspringerin Kristina Gadschiew (LAZ Zweibrücken), die sich einen Achillessehnenriss zugezogen hatten, wollte er nicht gehören. „Ich bin jetzt 28. Eine Heilung kann bis zu zwei Jahre dauern, dann bin ich 30. Je älter man wird, desto schwerer wird es, an seine alten Leistungen anzuknüpfen.“

Verzicht auf Hallensaison

Momentan steht er schon wieder bei 70 Prozent. „Es ist alles okay. Nur auf Druck reagiere ich noch schmerzempfindlich“, beruhigt er. Das Training läuft aufgrund eines Praktikums bei der Bundespolizei noch im Sparmodus. Wenn er am Montag (13. Oktober) wieder ins strukturierte und regelmäßige Training einsteigt, dann nicht mit einer gezielten Vorbereitung auf die Hallensaison. „Die Hallensaison ist für mich nicht wichtig. Was im Sommer an Resultaten übrig bleibt zählt“, betont der deutsche Spitzenathlet.

Gegrübelt hat er viel - und sich zurückerinnert, an ein Ereignis 2011. Martin Keller startete mit seinem bis dahin größten nationalen Erfolg in das WM-Jahr. Bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften in Leipzig sicherte er sich über 60 Meter in 6,65 Sekunden die Silbermedaille.

Nie mehr in der Halle?

Krankheits- und verletzungsbedingt blieb ihm bei der Hallen-EM in Paris (Frankreich) und der WM in Daegu (Südkorea) nur die passive Rolle. „Im Sommer ging gar nichts mehr. Im Herbst hat sich dann keiner mehr dafür interessiert, was in der Halle war. Man wusste nur, dass ich draußen nichts auf die Bahn bekommen habe“, sagt er mit fester Stimme.

Jetzt dreht er den Spieß einfach um: „Ich werde wahrscheinlich keine Wettkämpfe in der Halle mehr bestreiten. Sven Knipphals macht es seit einigen Jahren schon so und ihn vermisst auch keiner in der Halle. Auch das Gros der amerikanischen und jamaikanischen Sprinter wie Usain Bolt oder Asafa Powell verzichtet. Bei ihnen ist es dann meist die zweite Reihe, die sich bei der Hallen-WM das Preisgeld abholt.“

Alte Ziele bleiben auch die neuen

Der Fokus des Leipzigers ist nun auf den kommenden Sommer mit dem Höhepunkt der Weltmeisterschaften in Peking (China; 22. bis 30. August) gerichtet. An der Vorbereitung wird sich im Wesentlichen nichts ändern.

„Die Vorbereitung in Florida hat sich bewährt. Ich war schon fünfmal mit dabei und werde auch ein sechstes Mal dorthin fliegen. Es hat sich in der Gesamtentwicklung im Männer-Sprint gezeigt, dass es nur von Vorteil ist, die Vorbereitung in wärmere Gefilde zu verlegen. Es lässt sich dort einfach besser trainieren.“ Trainieren für Bestzeiten zum Beispiel.

Die Neun soll vor's Komma

Gern hätte Martin Keller schon in diesem Sommer die 9 vor dem Komma - unter regulären Windbedingungen - gesehen. „Ich bilde mir ein, dass ich in diesem Jahr auf einem guten Weg war, dieses Ziel zu erreichen.“ Schon im vergangenen Jahr spuckte er große Töne und setzte sich selbstbewusste Ziele. „Ich stehe immer noch dazu, was ich gesagt habe. Dabei bleibe ich. Die 9 soll irgendwann vor dem Komma stehen.“ Der Traum lebt weiter.

Die deutschen Sprinter sind auf einem guten Weg. „Wir sind nicht weit weg“, sagt der ehrgeizige Athlet. Zuletzt kratzte Julian Reus (TV Wattenscheid 01) gewaltig an der magischen Marke, blieb mit neuem deutschen Rekord von 10,05 Sekunden noch knapp darüber. Martin Keller sieht in seiner Bestzeit von 10,07 Sekunden, aufgestellt 2013 in Weinheim, ebenfalls noch Steigerungspotenzial. „Ich nehme mir eine Zeit unter zehn Sekunden vor. Vielleicht klappt es im nächsten Jahr.“ 2015 wäre mit Sicherheit ein gutes Jahr, um im Sommer richtig aufzudrehen.

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