Martin Lauer - Mit 75 noch hart am Wind
Mit 22 lief Martin Lauer Weltrekord über 110 Meter Hürden, mit 23 wurde er 4x100-Meter-Olympiasieger und dann folgte der große Schock: Nach einem ärztlichen Kunstfehler musste das Jahrhundert-Talent 1961 die Karriere beenden, kämpft zeitlebens mit einer Behinderung am linken Bein. Doch der Mann der vielen Karrieren ließ sich nie unterkriegen. Mit Ehefrau Christa segelt Martin Lauer, der an diesem Montag (2. Januar) 75 wird, noch immer hart am Wind.

Viel Aufhebens macht er auch um seinen 75. Geburtstag nicht. "Als alter Kölner werde ich erst den 77. wieder richtig feiern", sagt der Wahl-Franke schmunzelnd. Diesmal ist am Tag nach Neujahr daheim in Lauf bei Nürnberg nur die engste Familie dabei: Ehefrau, Tochter, Sohn, drei Enkel.
Letztes Jahr noch Patient
Vor einem Jahr erlebte Martin Lauer den Geburtstag als Patient. "Eine doppelseitige Lungenentzündung hatte mich böse erwischt, ich kämpfte fast das ganze Jahr mit den Folgen", sagt der Mann, der am 7. Juli 1959 in 13,2 Sekunden über 110 Meter Hürden den ersten Weltrekord auf die magische Piste im Züricher Letzigrund gezaubert hatte. Am gleichen Tag folgte in 22,5 Sekunden über 200 Meter Hürden der zweite.
Welch unglaubliches Talent in dem gebürtigen Kölner steckte, war schon drei Jahre zuvor deutlich geworden, als Martin Lauer als 19-Jähriger bei Olympia in Melbourne (Australien) Vierter über die Hürden und Fünfter im Zehnkampf war. Nach einer Verletzung war ihm 1960 in Rom (Italien) erneut keine Einzelmedaille vergönnt. Doch zusammen mit 100-Meter-Olympiasieger Armin Hary gewann er in Weltrekordzeit von 39,5 Sekunden 4x100-Meter-Gold.
Blutvergiftung bringt Karriereende
1964 in Tokio (Japan) sollte die Krönung der Laufbahn folgen, doch drei Jahre zuvor führte eine unsterile Spritze zur Blutvergiftung und dem Karrierenende. Nur mit Macht konnte sich Martin Lauer, dessen junge Braut Edith just in dieser Phase tödlich verunglückte, der Fußamputation widersetzen. Trotz Schmerzen surfte er ("mit einem Bein"), segelte und radelte. 1988 brachte ein künstliches Knie endlich Linderung, allein das Problem mit dem Fuß blieb zurück.
Kämpfer Martin Lauer machte anders Karriere - zuerst als Schlagersänger. Noch im Krankenbett griff das Multitalent zur Gitarre und produzierte binnen acht Jahren 35 Titel (16 Singles wie "Silver Dollar" und "Taxi nach Texas" sowie fünf Langspielplatten). "Sechs oder sieben wurden eine halbe Million Mal verkauft, insgesamt waren es mehr als sechs Millionen Tonträger. Ich habe gutes Geld verdient", sagt Martin Lauer.
Schuldenberg
Das hatte er auch bitter nötig, denn auf den Trümmern der Sportkarriere wuchs ein Schuldenberg. "Höher als der damalige Preis eines normalen Hauses", sagt Martin Lauer. Im Prozess gegen die Versicherung des Krankenhauses, in dem sein Knie verpfuscht worden war, sprach man ihm eine hohe Schadenersatzsumme zu, doch als der kapitalkräftige Gegner in die Berufung ging, fehlten Martin Lauer "Geld, Nerven und Kraft". Er stimmte dem Vergleich zu und verlor viel Geld.
Mit Dynamik hatte er neben dem Sport sein Ingenieur-Studium forciert. Erst war er Spezialist für Natriumkühlung bei Kernreaktoren, später hatte er mit Teilbereichen der Raumfahrt zu tun. Er stand mit seinem Team an der Wiege des ersten europäischen Mikrocomputers und wirkte mit an der Konzeption des Schnellen Brüters in Kalkar.
1972 in München war er "oberster olympischer Zeitmesser", weil er zuvor die Schweizer Konkurrenz aus dem Feld schlagen konnte. Der unterlegene Gegenspieler war Sepp Blatter, heute Präsident des Fußball-Weltverbandes FIFA.
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)