Martin Seiler will Deutschlands Bester werden
Früher, als der SV Waldhof Mannheim noch in der Fußball-Bundesliga spielte, zog es viele Anhänger aus dem Badischen ins angrenzende Ludwigshafen. Dort im Südweststadion trugen die „Waldhof-Buben“ in den 80er Jahren ihre Heimspiele aus. Während die baufällige Arena heutzutage keine Bedeutung mehr hat, fokussiert sich zumindest die Leichathletikwelt auf die direkt ans Südweststadion angrenzende hochmoderne Sporthalle. Dauergast dort in der Wettkampfhalle des Olympiastützpunktes ist der Bad Schönborner Martin Seiler.
Der Dreisprung-Spezialist von ABC Ludwigshafen ist zu großen Sprüngen bereit und will Deutschlands Bester werden. In der U23-Juniorenklasse schaffte er das schon 2010 und 2011 - nun soll der nationale Titel im Männerbereich folgen. Die bisherigen Bestmarken von 16,12 Metern im Freien und 16,16 Metern in der Halle sollen dabei gesteigert werden.Doch auch außerhalb von Wettkämpfen gab es kürzlich bereits eine wertvolle Auszeichnung: Von der Metropolregion erhielt er in der Kategorie „erfolgreicher Leistungssportler“ den „Victor Sport Award“ und setzte sich gegen 24 weitere nominierte Sportler durch.
Zurück in Ludwigshafen: Martin Seiler hat sich in der Halle ein ganz persönliches Eck eingerichtet. „Das ist meine Folterkammer“, sagt der 23-Jährige leicht schmunzelnd und bittet seine Besucher vorbei an anderen Übungsgeräten in die enge Garagennische, die im Gegensatz zu einem „normalen“ Fitnessstudio schon seine Eigenzüge hat. Selbst erbaute oder umfunktionierte Gerätschaften legten die spaßige Bezeichnung als „Folterkammer“ nahe.
Fokus auf dem Sport
Es ist jener Bereich, wo sich Martin Seiler im Trainingsalltag viele Stunden quält, die Kraft aneignet und auch Sprungtechniken austestet. „Ich fahre täglich von Bad Schönborn nach Ludwigshafen und nach dem Training abends wieder zurück. All das nehme ich gern in Kauf, um meinen Sport weiterhin auf höchstem Niveau ausüben zu können“, verdeutlicht der 1,86 Meter Hüne, der nebenbei auch noch diverse Traineraufgaben im Fitnessbereich ausübt.
Da kommt es entgegen, dass er dieses Jahr sein Studium an der Uni Heidelberg als Bachelor of Science im Bereich Sportwissenschaft und Psychologie erfolgreich abschließen konnte und nun an der Fern-Uni Schmalkalden Sportmanagement studiert. Es bleibt mehr Zeit für Training und Wettkampf. „Der Fokus liegt jetzt schon auf meinem Sport“, verdeutlicht der talentierte Dreispringer, der erst mit 19 Jahren vom Hochsprung zu seiner heutigen Paradesportart wechselte.
Mehr als drei Sprünge
„Es ist für mich mehr, als nach drei Sprüngen in der Sandgrube zu landen: Es ist vielmehr die Kombination aus Schnelligkeit, Kraft, Koordination, Balance und perfektem Training, die bei mir diesen Reiz auslöst“, sagt der 23-Jährige und beschreibt die besondere Herausforderung als „Gratwanderung zwischen dem Nichtausschöpfen des eigenen Potentials und der Überschreitung der eigenen körperlichen Kräfte“.
Wenn Martin Seiler, jüngst überraschend zum Ludwigshafener "Sportler des Jahres" gewählt, über die Faszination dieser Sportart erzählt, sprudelt es gerade so aus ihm heraus. Die Motivation ist spürbar, der Drang zu großen Erfolgen ebenso. Die Einstellung half ihm auch bei der Überwindung des im Mai 2012 erlittenen Muskelfaserrisses.
Träume geplatzt
Ausgerechnet zum Auftakt der Freiluftsaison. Träume zerplatzen urplötzlich. „Ich wollte unbedingt an der Europameisterschaft in Helsinki oder gar an den Olympischen Spielen in London teilnehmen“, erinnert sich Martin Seiler wehmütig. Die bislang bitterste Erfahrung in der noch jungen Karriere wirkte wie eine Niederlage. „Aber ich habe es geschafft, mich neu zu motivieren und möchte beweisen, dass ich daraus gestärkt hervorgehe.“
Der gebürtige Heidelberger hat sich neben den nationalen Titeln klare Ziele gesetzt: Mit der Hallen-EM in Göteborg (Schweden), den Team-Europameisterschaften nächstes Jahr in Gateshead (Großbritannien) sowie der Weltmeisterschaft in Moskau (Russland) ist der Fahrplan klar bestückt.
Traum von Rio
2014 folgt die EM in Zürich (Schweiz) und ein Jahr später die WM in Peking (China). Mit Olympia 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien) steht aber ein ganz besonderer Termin bereits fest im Kalender. „Da will ich hin. Alles wird sich bis dahin diesem großen Ziel unterordnen“, betont Martin Seiler und seine Augen funkeln dabei etwas. Die pure Leidenschaft tritt plötzlich wieder zutage und lässt etwas in Träume schwelgen.
Zurück in der Realität in der Ludwigshafener Halle macht sich Martin Seiler fertig zum Training. Viele schweißtreibende Stunden in der „Folterkammer“ oder auch bei immer wieder kehrenden Anläufen und Sprüngen an der Sandgrube liegen noch vor dem Dreispringer. Martin Seiler, der sich zwischendurch beispielsweise bei House-Musik entspannt, im Winter auch mal gern Snowboarden geht, nimmt die Anstrengungen gern an: „Ich will und muss auf höchstem Niveau trainieren, damit ich meine Ziele erreichen kann.“