Martin Wierig - An die 70 Meter heranarbeiten
Diskus-Ass Martin Wierig (SC Magdeburg) hat am Freitagabend beim Diamond-League-Meeting in Brüssel (Belgien) Platz zwei belegt. Mit 66,05 Metern erreichte der Olympia-Sechste sein zweitbestes Resultat des Sommers - für den werdenden Vater der krönende Abschluss einer überaus erfolgreichen Saison. „Darauf lässt sich aufbauen“, wagte der Weltklasse-Werfer im Gespräch mit leichtathletik.de einen Vorausblick.
„Ich hoffe, dass ich den Schwung mit ins nächste Jahr nehmen und da anfangen kann, wo ich jetzt aufhöre“, gibt sich Martin Wierig optimistisch, nachdem er im letzten Wettkampf der Saison noch einmal richtig gebissen hat. „Ich lag nach dem vierten Durchgang an vierter Stelle. Ich war in Lausanne Vierter, ich war in Berlin Vierter und ich wollte diesmal nicht wieder Vierter werden. Und dann ist mir ein optimaler Wurf geglückt. Da hat alles gepasst, der Rhythmus, der Arm war schnell, das war rund“, kommentiert der Magdeburger seine 66,05 Meter.Seit der EM in Helsinki (Finnland), wo er Opfer seiner Nerven wurde und in der Qualifikation ausschied, scheint der Hüne wie ausgewechselt. „Ich habe danach mit einer Sportpsychologin gearbeitet, weil ich merkte, dass der Druck, den ich mir selber mache, zu groß ist“, erzählt der 25-Jährige.
Die Therapie löste innerliche Verkrampfungen und gab ihm die kurzzeitig abhanden gekommene Gelassenheit zurück. Beste Beweise: der sechste Platz bei Olympia und der kurz zuvor aufgestellte Hausrekord von 68,33 Meter, mit dem sich der 25-Jährige auf Platz vier der Welt-Jahresbestenliste vorarbeitete.
Wettkampfvorbereitung umgestellt
Ein anderer Schlüssel zum Erfolg: die modifizierte Wettkampfvorbereitung. „Um warm zu werden, brauche ich mehr Würfe als die zwei, die man bei großen Wettkämpfen zum Einwerfen hat. Deshalb habe ich mir angewöhnt, mich draußen auf dem Aufwärmplatz einzuwerfen. Das schlaucht natürlich ein bisschen, weil man länger unter Strom steht“, verrät der Profi, der seine Ausbildung bei der Bundespolizei 2010 erfolgreich abgeschlossen hat.
Große Stücke hält Martin Wierig auf seinen Trainer Armin Lemme. Seit zwölf Jahren arbeitet er mit dem EM-Vierten von 1982 zusammen. Dessen Hausrekord: 68,50 Meter. „Das ist mein Ziel für das nächste Jahr“, sagt sein Schützling, der bei sich selbst vor allem im Kraftbereich Reserven sieht, lachend. „Da ist das Potenzial, mit dem ich in den nächsten Jahren die Lücke zur absoluten Weltspitze schließen und mir den Traum erfüllen könnte, 70 Meter zu werfen. Das muss nicht im nächsten Jahr sein, auch nicht im übernächsten. Ich werde mich peau a peau heranarbeiten.“
Robert Hartings Schatten
Nach seinem Londoner Erfolgsauftritt schenke man ihm insbesondere in der Region Magdeburg mehr Aufmerksamkeit, sagt Martin Wierig. Das erfülle ihn mit Stolz. Dass er sozusagen im Schatten des Berliners Robert Harting steht, damit wisse er umzugehen.
„Robert Harting ist das deutsche Gesicht der Olympischen Spiele. Es ist ein Vorteil, ihn im eigenen Land zu haben. Wir sind im Wettkampf Konkurrenten, aber außerhalb sind wir Freunde. Ich kann mich im Trainingslager und bei den Meetings hierzulande mit ihm messen. Ich sehe wie er trainiert. In seinem Schatten kann ich mich heranziehen. Und ich weiß, wenn ich ihn schlage, dann habe ich es auch geschafft. Dann bin ich ganz vorn“, gibt sich der Kronprinz ebenso realistisch wie kämpferisch.
Das Umfeld in Magdeburg - eine Quelle, aus der der aktive Fan der Bundesliga-Handballer seines Klubs („Ich fühle mich dort pudelwohl“) viel Kraft schöpft. Eine mindestens ebenso ergiebige: die Freundin. „Sie gibt mir den Rückhalt, den ich brauche. Sie unterstützt mich, auch wenn ich einmal ein paar Wochen länger weg bin“, sagt der werdende Vater. Ende November erwartet das Paar Nachwuchs, einen Sohn.