Massive Kritik an Commonwealth Games
Am kommenden Sonntag (3. Oktober) beginnen in Neu-Delhi (Indien) die 19. Commonwealth Games. Kurz vor Beginn der Wettkämpfe löst allerdings eine negative Schlagzeile die nächste ab. Verzug im Bau der Wettkampfstätten, Ausbruch des Denguefiebers, dreckige Unterkünfte, Baumängel und Absage von Athleten. Das OK beteuert, dass die Situation unter Kontrolle sei und die Probleme rechtzeitig bis zum Beginn der Spiele (3. bis 14. Oktober) behoben seien.
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder negative Meldungen. Korruptionsskandale, ungenügende Sicherheit für die Arbeiter, Verzögerungen in den Bauarbeiten, Angst vor Terrorangriffen.Die Kritik an Baumängeln schien sich spätestens bestätigt, als zuletzt eine Fußgängerbrücke in der Nähe des Jawaharlal Nehru-Stadions zusammenbrach und dabei mehr als 20 Personen verletzt wurden. Auch die Sicherheitsbedenken schienen berechtigt, nachdem zwei Personen einen Bus mit taiwanesischen Touristen mit Pistolen angriffen und zwei von ihnen verletzten.
Athletendorf nicht bereit für Bezug
Zuletzt sorgte das Athletendorf für die 6.500 Teammitglieder für Wirbel. Zwar sei es mittlerweile fast fertiggestellt, doch Delegationsmitglieder aus England, Schottland, Wales, Neuseeland, Australien und Kanada bezeichneten es als „dreckig, unsicher und nicht bereit für menschliche Bewohnung“. Es gebe noch Probleme mit Rohrleitungen, elektrischen Leitungen, der Einrichtung und Internetzugang sowie Handyempfang. In manchen Zimmern funktioniere die Toilettenspülung nicht, in anderen schließen die Türen nicht. Am Sonntag brach das Bett unter dem gerade einmal 56 Kilo schweren indischen Boxer Akhil Kumar zusammen.
Einige der Teams wie England wollen ihre Athleten daher nun in Hotels unterbringen. Dagegen spreche allerdings, dass dort nicht die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen bestünden. Obwohl zahlreiche Sportler wegen der Probleme auf die Reise nach Indien verzichtet hatten und sich komplette Teams wie die von Schottland oder auch Neuseeland erst verspätet auf den Weg machten, wird es keinen Boykott geben. Eine derartige Maßnahme schloss sogar Indiens Erzrivale Pakistan aus.
Fristen nicht eingehalten
„Wir haben immer wieder Fristen und Prioritäten gesetzt und immer wieder feststellen müssen, dass diese Fristen und Prioritäten nicht eingehalten worden sind. Wir sind in den Händen der Inder und aller, die in Indien für die rechtzeitige Beendigung der Bauarbeiten an allen Stätten verantwortlich sind. Unglücklicherweise sind wir damit allerdings auch erst da, wo wir jetzt sind“, klagte CGF-Geschäftsführer Mike Hooper (Neuseeland).
Mike Fennell, Präsident der Commonwealth-Games-Vereinigung CGF, legte am Wochenende erneut eine erschreckend lange Mängelliste vor. Eindringlich appellierte der Jamaikaner angesichts der Rückstände in den Bereichen Unterbringung, Sicherheit, Gesundheit, Hygiene, Transport und Notfallpläne an die Organisatoren, die Anstrengungen um eine Behebung der Probleme weiter zu verstärken. Wegen der Organisationsprobleme schaltete sich in der vergangenen Woche sogar die indische Regierung ein. Premierminister Manmohan Singh berief angesichts der ausufernden Schwierigkeiten im Sicherheits- und Hygiene-Bereich eine Krisensitzung seiner zuständigen Minister ein.
Weitere Probleme durch Naturgewalten?
Mike Fennell lobte zwar die neuesten Bemühungen der Ausrichter, stellte aber auch fest: „Es ist klar geworden, dass die ganze Arbeit, die in den letzten Tagen gemacht wurde, schon viel früher hätte gemacht werden müssen.“ Das herrschende Chaos habe schon jetzt ein schlechtes Bild auf die Gastgeber geworfen und Indiens internationales Ansehen beschädigt, erklärte Mike Fennell weiter.
Unterdessen drohen dem Mega-Spektakel durch Naturgewalten weitere Schwierigkeiten in noch nicht absehbarem Ausmaß. Im Norden Indiens haben mehrere Millionen Menschen nur wenige hundert Kilometer von Neu Delhi entfernt die Flucht vor Überschwemmungen ergriffen, nachdem ungewöhnlich starke Monsunregenfälle die Flüsse über die Ufer treten ließen. Experten schließen nicht aus, dass das Hochwasser auch noch die Region nahe der Metropole heimsuchen könnte.
Athleten sind beunruhigt
Indische Medien bezeichnen die ursprünglich als Werbung für das Land geplante Veranstaltung mit Blick auch auf die immer zahlreicheren Absagen von Topsportlern inzwischen schon als „Spiele der Schande“. Lalit Bhanot, Generalsekretär des Organisationskomitees der Commonwealth Games, aber betont: „Wir arbeiten Tag und Nacht daran. Die abschließende, gründliche Reinigung muss noch erfolgen und wird die Spiele nicht beeinträchtigen. Aber alles andere und die Wettkampfstätten sind fertig und in bestem Zustand.“
Trotzdem sind viele der Athleten beunruhigt. „Es ist genug, wenn man sich um seine sportliche Leistung Gedanken macht. Sich auch noch darum zu sorgen, wo man schläft und läuft, ist eine andere Sache“, betonte die britische Siebenkämpferin Kelly Sotherton, die an den Wettkämpfen wegen den Folgen einer Verletzung nicht teilnimmt.
Dani Samuels sagt aus Angst ab
Zuletzt sagten Diskuswurf-Weltmeisterin Danis Samuels (Australien) und der britische Dreispringer Phillips Idowu ihre Teilnahme wegen Sicherheitsbedenken ab. „Das war die härteste Entscheidung meines Lebens, und ich habe es mir nicht leicht gemacht“, sagte Dani Samuels. „Bei Commonwealth Games zu gewinnen ist etwas, von dem ich geträumt habe.“ Zuletzt aber habe sie sich solche Gedanken und ihre Sicherheit gemacht, dass sie aus Angst nicht einmal mehr trainieren konnte.
Auch Weltmeister Phillips Idowu verzichtet aus Angst vor Vorkommnissen. „Sorry Leute, aber ich habe Kinder, an die ich denken muss. Meine Sicherheit ist wichtiger für sie als eine Medaille“, ließ er seine Fans über Twitter wissen.
Und auch der kanadische Kugelstoßer Dylan Armstrong macht sich so seine Gedanken. „Ich bin nur zwei Nächte da“, erklärte er, weshalb er sich weniger Sorgen um dreckige Unterkünfte mache. „Aber wenn es um Gesundheit und Sicherheit geht, ist das schon eine ernste Sache.“ Derzeit plane er noch einen Start. Er sammele aber auch noch weitere Informationen, die seine Entscheidung durchaus noch ändern könnten.
Erhöhtes Sicherheitsaufgebot
Auf die Befürchtung, es könne terroristische Angriffe geben, wurde indes schon reagiert. Nachdem die indische Polizei vor Terrorakten gewarnt hatte, wurde das Sicherheitsaufgebot erhöht. 175.000 Soldaten und 80.000 Polizisten sollen für die Sicherheit der Athleten und Betreuer sorgen.
Wie viele dies wirklich in Anspruch nehmen werden, bleibt abzuwarten. Denn viele Athleten, angeführt von 800-Meter-Weltrekordler David Rudisha, 1.500-Meter-Olympiasieger Asbel Kiprop (beide Kenia), Doppel-Europameister Mo Farah und 400-Meter-Olympiasiegerin Christine Ohuruogu (beide Großbritannien), verzichten auf einen Start bei der Veranstaltung, zu der sich Athleten aus Nationen des ehemaligen britischen Empires treffen.
Auch 10.000-Meter-Weltmeisterin Linet Masai und Ex-Marathon-Weltmeister Luke Kibet (beide Kenia) verzichten. Dreifach-Sprint-Olympiasieger und -Weltmeister Usain Bolt (Jamaika) hatte bereits frühzeitig seinen Verzicht erklärt. Die meisten von ihnen geben Verletzungen oder Müdigkeit nach einer langen Saison an.
Prinz Charles eröffnet die Spiele
Eine kleine Erfolgsmeldung gab es für die Gastgeber am Montag dennoch. Der englische Thronfolger Prinz Charles wird die an diesem Sonntag beginnenden Commonwealth Games offiziell eröffnen. Indische Offizielle hatten nach der Absage der englischen Königin Queen Elizabeth II. zunächst darüber nachgedacht, dass der indische Präsident Pratibha Patil die Spiele eröffnen soll. "Sowohl der Präsident als auch Prinz Charles spielen bei der Eröffnung eine wichtige Rolle. Der englische Thronfolger wird die Spiele aber als Vertretung der Königin formal eröffnen", sagte ein Sprecher des Prinzen-Büros.
Die Queen hatte ihre Absage mit ihrem vollen Terminplan begründet. Die 84-Jährige hatte in der Vergangenheit die Commonwealth Games traditionell eröffnet und bleibt den Spielen erstmals seit 44 Jahren fern.
Mit Material des Sport-Informations-Dienstes (sid)