Matthias Bühler - Wie Phoenix aus der Asche
Er ist Team-Europameister, er ist Deutscher Meister. Doch vor diesem Jahr konnten nur die wenigsten Leichtathletik-Fans mit dem Namen Matthias Bühler schon etwas anfangen. Jetzt fährt der Hürdensprinter als einer der absoluten Aufsteiger des Sommers mit zur WM nach Berlin (15. bis 23. August). Dahinter steckt eine Geschichte, die mehr als nur ein bisschen den Hauch eines „Phoenix aus der Asche“ hat.
„Wie Phoenix aus der Asche“, mit diesen Worten umschrieb es zumindest der ebenfalls für die WM nominierte Alexander John aus Leipzig mit Seitenblick auf den Kollegen. Matthias Bühler ist dieser Vergleich gar nicht so unlieb. „Es hat natürlich recht“, sagt der Haslacher, der für die LG Offenburg startet, mit einem Schmunzeln, „dieses Jahr brachte bei mir den Durchbruch in die europäische Spitze.“Dort, im kontinentalen Vergleich des Jahres, liegt Matthias Bühler mit seinen 13,36 Sekunden, die er bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm gelaufen war, auf Platz drei. Bei einer anstehenden Weltmeisterschaft sind solche Statistiken allerdings kaum was wert.
Internationale Bühne
Mehr wert könnte da schon sein, dass er in den vergangenen Wochen bereits internationales Wettkampfgefühl spüren konnte. In der Golden League war er in Berlin ebenso dabei wie bei der Team-EM in Leiria (Portugal) und zuletzt beim Super Grand-Prix-Meeting in London (Großbritannien).
Dass die Dinge einen solchen Lauf nehmen und er jetzt in der Leichtathletik-Nationalmannschaft steht, war dabei anfangs gar nicht unbedingt zu erwarten. Denn beinahe wäre aus dem kleinen Matthias ein Turner geworden. Als sich sein Trainer dort allerdings verändert hatte, fand er über seinen besten Freund, der 1993 von der WM in Stuttgart inspiriert war, den Weg zur heimischen Leichtathletik.
Mit 18 zum Hürdensprinter
Erst mit 18 Jahren, er hatte sich entschieden, mehr als nur zwei- oder dreimal in der Wochen zu trainieren und nach Offenburg zu wechseln, wurde aus ihm ein ambitionierter Hürdensprinter. Vorher sah man ihn eher im Flachsprint und Hochsprung.
Die sportliche Entwicklung von Matthias Bühler, die in dieser Saison bereits einen vorläufigen Höhepunkt fand, ging dann rasant voran. „Ich habe mich in einem Jahr von 15,00 auf 13,97 Sekunden gesteigert, das konnte ich selbst kaum glauben“, erinnert er sich an die Zeit, die er vor zwei Jahren im Vorlauf bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt auf die Bahn gebracht hatte. Es war ein Meilenstein, den er 2008 mit einer weiteren Verbesserung (13,65 sec) noch einmal um ein Stück versetzte.
Sport statt Job
Danach traf der 1,89-Meter-Riese eine wegweisende Entscheidung. Die Ausbildung zum IT-Systemkaufmann, die für ihn eine 40-Stunden-Arbeitswoche bedeutet hatte, abgeschlossen, setzte er ganz auf die Karte Sport. Vorbei war die Zeit, in der er abends erschöpft zum Training kam. Vorbei war das Fragen um notwendige Urlaubstage beim Chef und vorbei war auch das Verpassen der Trainingslager. „Das hat sich alles zum Positiven verändert“, berichtet Matthias Bühler. „Ich habe jetzt viel mehr Zeit, auch vom Kopf her ist es viel angenehmer für mich. Das Konzept ist voll aufgegangen.“
Dass er das so betrachten kann, hat vielleicht auch damit zu tun, dass er sich als einen „leidenschaftlichen Sportler“ sieht und eben diese Leidenschaft jetzt ausleben darf. „Ich wollte unbedingt etwas erreichen. Ich konnte auch mit dem Druck, nur noch den Sport zu haben, gut umgehen“, sagt er.
Ulm als die Krönung
Wie gut er das kann, zeigte er bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm. In einem erbittert umkämpften Finale, in dem es in Abstinenz des Favoriten Alexander John nicht zuletzt um die Tickets für die WM ging, behielt Matthias Bühler in 13,36 Sekunden die Oberhand. Seine sechs Wochen alte Bestzeit vom Saisonauftakt in Weinheim (13,48 sec) hatte er nicht nur bestätigt, sondern noch einmal merklich getoppt.
„Ulm war die absolute Krönung, dort ist mit dem Meistertitel für mich ein Traum in Erfüllung gegangen“, schwärmt Matthias Bühler, der schnelle Autos mag und gerne Cabrio fährt. „Ich hoffe, dass ich diesen Schwung jetzt mit zur WM nehmen kann. Ich weiß, was ich leisten, in welchem Zeitenbereich ich mich bewegen kann. Das ist ein gutes Gefühl, denn mit einer 30er Zeit kann man auch in jeden Endlauf bei einer WM, EM oder bei Olympia kommen.“
Schwieriger Weg zur Stabilität
Bei aller Euphorie hat der selbstsichere Athlet allerdings den Realitätssinn nicht verloren. „Ich versuche, auf dem Boden zu bleiben und erst einmal diese Zeit zu bestätigen. Das Ziel für die Zukunft ist es, stabil 13,30 bis 13,40 Sekunden zu laufen.“ Er fügt hinzu: „Das ist ein sehr schwieriger Weg.“
Dass ihn auf diesem Weg sein aktueller Coach Wilhelm Seigel weiterhin begleiten wird, steht für Matthias Bühler, der ein begeisterter Computerspieler ist und ansonsten gerne mit Freunden grillt oder zum Bowling geht, fest. „Mit ihm habe ich seit fünf Jahren einen optimalen Trainer, er hat mich fit gemacht für die entscheidenden Meisterschaften.“ Der Hürdensprinter verdeutlicht, dass er ihm zu hundert Prozent vertrauen würde und schwört auch auf die Trainingsgruppe um dessen Sohn Quentin: „Wir pushen uns gegenseitig.“
Entsprechend schließt Matthias Bühler für sich auch einen Wechsel in die Hürdenhochburg Leipzig aus. Er ist auf einem anderen Pfad als die meisten seiner Kollegen. „Ich fühle mich in Haslach, wo ich wohne, sehr wohl, habe hier einen großen Freundeskreis. Auch in Offenburg sind die Bedingungen optimal und Wilhelm Seigel kann mich noch weiter nach vorne bringen.“
Erfolg ist geil
Dass er noch weiter nach vorne möchte, ist keine Frage. Deutlich wird das allein schon dadurch, dass sich Matthias Bühler selbst als „ehrgeizig und erfolgsgeil“ beschreibt. Erfolgsgeilheit wiederum ist eine hervorragende Eigenschaft für einen Spitzensportler. Deshalb scheint für den jungen Hürdensprinter mit diesem WM-Sommer auch erst ein Anfang gemacht.
Anlass zum Träumen geben ihm seine Leistungen bereits: „Mit einer Zeit von 13,36 Sekunden kann man bei einer EM schon auf die Medaillen blicken.“ Aber Europameister ist er ja schon, Team-Europameister zumindest. „Als dort in Leiria die Nationalhymne gespielt wurde, war das ein einzigartiges Gefühl. Ich hoffe, ich erlebe das noch öfter.“ Warum auch nicht? Mit seinen erst 22 Jahren hat Matthias Bühler die ganze Zukunft noch vor sich.
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