Matthias de Zordo - „Hinrennen, draufdreschen“
Speerwerfer Matthias de Zordo pulverisierte bei den Europameisterschaften in Barcelona seine Bestleistung und gewann mit 87,81 Metern Silber. Im Interview erzählt der Saarbrücker unter anderem, wie ihm diese Leistung gelingen konnte und wie das Verhältnis zu seinen Konkurrenten ist.
Matthias de Zordo, herzlichen Glückwunsch! Wie ist die Gefühlslage?Matthias de Zordo:
Ich kann es nicht glauben, ich werde wahnsinnig. Dass ich meine Bestleistung heute noch einmal so toppen kann, das ist unglaublich. Heute Morgen hatte ich daran noch nicht geglaubt. Ich hatte so schwere Beine.
Hatten Sie schon einmal so einen Wettkampf, in dem Sie ihre Bestleistung dreimal überboten haben?
Matthias de Zordo:
In Schönebeck war es ähnlich gewesen. Da hatte ich einige gute Versuche. Aber mit so einer hohen Leistungsintensität hatte ich das noch nicht.
Eine Steigerung von dreieinhalb Metern – das ist ein ganz schöner Sprung, oder?
Matthias de Zordo:
Es war ja in Schönebeck schon erkennbar, dass bei 84 Metern noch nicht Schluss ist, denn dort hatte ich die Speere sehr verkantet. Heute habe ich die Speere super getroffen und war dazu noch sehr schnell im Anlauf. Da hat einfach alles gepasst.
Waren Sie zwischendurch mal ein bisschen enttäuscht, dass Andreas Thorkildsen immer gleich gekontert hat?
Matthias de Zordo:
Eigentlich gar nicht. Es hat mich eher noch mehr angespornt. Ich habe bei jedem Versuch damit gerechnet, dass er weit wirft. Gegen Andreas Thorkildsen zu verlieren, das ist keine Schande. Ich hoffe, dass es jetzt so weiter geht und ich den Großen weiter Paroli bieten kann.
Bei der Team-EM in Bergen hatten Sie Andreas Thorkildsen ja locker im Griff…
Matthias de Zordo:
(lacht) Nach dem ersten Versuch habe ich heute mal kurz gedacht, ‚vielleicht hat er ja Angst, dass es noch einmal so läuft wie in Bergen‘. Aber so war es leider nicht.
Sie haben sich zwischen Andreas Thorkildsen und Tero Pitkämäki geschoben, die in den letzten Jahren das Speerwerfen bestimmt haben. Wie haben die beiden reagiert?
Matthias de Zordo:
Andreas Thorkildsen geht total freundlich mit mir um. Er ist nach jedem Wurf zu mir gekommen und hat mir zur Weite gratuliert. Das finde ich total spitze, dass so ein großer Speerwerfer das macht. Tero Pitkämäki ist nach dem Wettkampf auch zu mir gekommen, hat mir gratuliert und gesagt, dass es ein sauberer Wettkampf war. Die Speerwerfer sind sehr freundlich zueinander, das ist fast schon wie unter Kumpels. Wir unterstützen uns auch gegenseitig und gönnen uns den Erfolg.
Sie sind Linkshänder, da gibt es wahrscheinlich nicht viele, die so weit werfen, oder?
Matthias de Zordo:
Ich habe von den Journalisten von ARD und ZDF gerade schon erfahren, dass ich jetzt den Weltrekord für Linkshänder inne habe.
Gibt es Windverhältnisse, die Linkshändern wie Ihnen mehr entgegenkommen wie Rechtshändern?
Matthias de Zordo:
Ich denke schon, dass es Unterschiede gibt. Aber es kommt natürlich auch immer auf die Technik an. Aber ich versuche, nach dem Einwerfen gar nicht mehr viel darüber nachzudenken. Einfach hinrennen und vorne draufdreschen. Dann fliegt das Ding. Andreas Thorkildsen hat als Rechtshänder heute ja auch weit geworfen, also konnten es keine besonderen Linkshänder-Bedingungen sein.
Jetzt fehlen Ihnen nur noch gut zwei Meter zu den begehrten 90 Metern…
Matthias de Zordo:
Ich bin jetzt erst einmal überglücklich, dass ich so weit geworfen habe. Gestern habe ich gesagt 87 Meter sind noch in weiter Ferne. Mir würde es schon reichen, wenn ich die Leistung in diesem Jahr noch einmal bestätigen kann. Ich werde noch in Sondershausen und bei zwei Diamond League-Meetings in Stockholm und London werfen.
Überhaupt nur drei Deutsche haben jemals weiter geworfen. Ist das etwas, was bei Ihnen schon angekommen ist?
Matthias de Zordo:
Nein überhaupt nicht. Ich wusste, dass Raymond Hecht und Boris Henry schon über 90 Meter geworfen haben. Aber wie es dahinter aussieht weiß ich gar nicht. Aber das ist natürlich super.
Ihr Trainer sagte zwischendurch, ihm würden angesichts der Weite die Worte fehlen. Wie erklären Sie ihm diesen Wurf?
Matthias de Zordo:
Ich bin wahrscheinlich so schnell angelaufen wie noch nie. Ich habe dann einfach das rechte Bein hingestellt, konnte es halten und habe die ganze Kraft und Geschwindigkeit in den Speer gelegt.
In Lausanne waren Sie schon bei einer Diamond League-Veranstaltung am Start. Bringt einem das Sicherheit, wenn man da schon gegen die ganz Großen geworfen hat?
Matthias de Zordo:
Ja das ist schon ein Vorteil. Da kennt man die Konkurrenz schon, baut Freundschaften auf und kommt dann nicht zu einer EM und macht sich verrückt, weil man da gegen die Stars wirft.
Vor der EM hieß es noch – nicht ohne meine Glücksmütze. Jetzt haben Sie in der Qualifikation und im Finale ohne Kopfbedeckung so weit geworfen. Bleibt die Mütze jetzt daheim?
Matthias de Zordo:
Das weiß ich noch nicht. Ich habe hier wegen einer Wette mit Werner Daniels, dem Trainer von Christina Obergföll, ohne Mütze geworfen. Die Glückskappe wird auf jeden Fall aber immer dabei sein. Entweder in der Tasche oder auf dem Kopf. Heute war sie in der Tasche, vielleicht hat sie da ja auch Glück gebracht.
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